Schauspielerin Alex Borstein:"Im Rückblick bin ich glücklich"

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In The Marvelous Mrs. Maisel spielt Alex Borstein die ruppige Managerin – im echten Leben steht sie auf Comedy-Bühnen. (Foto: Nicole Rivelli/Amazon Studios)

"Friends", "Gilmore Girls", "The Marvelous Mrs. Maisel": Wo's lustig wird, ist oftmals Alex Borstein dabei. Ein Gespräch über gebrochene Herzen, das Jüdischsein und verpasste Chancen.

Interview von Patrick Heidmann

Ein Platz in der Fernsehgeschichte ist Alex Borstein längst sicher. Als Ensemblemitglied der Sketchshow MADtv wurden viele der von ihr geschaffenen Figuren Kult - lange bevor im Internet Memes viral gingen. Seit 1999 leiht sie in der Zeichentrickserie Family Guy Mutter Lois ihre Stimme und war nebenbei auch als Produzentin und Autorin mitverantwortlich. Gastauftritte und Nebenrollen in Friends, Fr asier oder den Gilmore Girls - wo's unterhaltsam wird, ist sehr oft Alex Borstein, 48, dabei. Dank der Serie The Marvelous Mrs. Maisel ist die Mutter zweier Kinder allerdings endgültig kein Geheimtipp mehr: Für ihre Rolle als Stand-up-Club-Mitarbeiterin und Managerin Susie Myerson bekam sie zwei Emmys. Nun geht die Erfolgsserie in die dritte Staffel. Ein Gespräch über das Jüdischsein, verpasste Chancen und gebrochene Herzen.

SZ: Miss Borstein, Mrs. Maisel ist eine Frau, die es im New York der späten Fünfzigerjahre auf die Stand-up-Bühne zieht. Sie selbst haben mit solchen Auftritten Erfahrungen gesammelt, nicht wahr?

Alex Borstein: Ja, ich stand schon mit 16 Jahren zum ersten Mal auf einer Comedy-Bühne. In den ersten Collegejahren bin ich dann weiter aufgetreten, bei uns im Wohnheim, in Campus-Cafés oder bei Open-Mic-Abenden in San Francisco. Aber ich bin nie auf Tour gegangen oder so, und ich fühlte mich auch nie als wirklicher Stand-up-Comedian à la Jerry Seinfeld.

Sondern?

Ich war eine angehende Schauspielerin mit Mitteilungsdrang, die feststellte, dass man mit Comedy vergleichsweise schnell auf Bühnen kommt. Allerdings wurde mir damals auch oft gesagt, dass ich nicht genug Witze im Programm hätte. Klar habe ich Gags gemacht, aber vieles waren eher schräge Geschichten. Heute ist das verbreitet, aber vor 20 Jahren war Comedy noch etwas enger gefasst.

Welche Erwartungen hatten Sie, als es vor zweieinhalb Jahren mit The Marvelous Mrs. Maisel losging?

Ehrlich gesagt hatte ich keine Erwartungen. Ich habe in meinem Leben zu viele Pilotfolgen gedreht, aus denen dann nicht mal eine Serie wurde, als dass ich mir noch große Hoffnungen machen würde. Was beim Publikum ankommt, ist mir ein Rätsel, auch nach Jahrzehnten in diesem Job.

Für die Rolle von Mrs. Maisels Managerin Susie Myerson haben Sie gleich zweimal den Emmy Award gewonnen. Wie hat sich das auf Ihr Leben ausgewirkt?

Eigentlich hat sich nichts verändert. Klar, ein bisschen surreal fühlt es sich schon an. Diese Award-Shows sind ja ohnehin sehr bizarre Angelegenheiten, von denen man eigentlich nicht weiß, was sie wirklich bedeuten sollen. Gleichzeitig kann man sich nicht frei machen von dem Gefühl, dass das irgendwie bedeutende Momente sind.

Was gefällt Ihnen selbst an der Rolle?

Dass Susie eine eigenständige Frau ist in einer Zeit, in der das gesellschaftlich nicht vorgesehen war. Was mir aber am meisten an der Serie gefällt, ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie jüdisches Leben zeigt. Da stellte sich bei mir sofort ein Gefühl von Vertrautheit und Heimeligkeit ein. Das Verhältnis von Midge zu ihren Eltern? Kenne ich als Jüdin total. Manches, was Tony Shalhoub als Abe sagt, klingt so sehr nach meinem Vater, dass es mich erschreckt. Wenn ich die Serie gucke, stellt sich bei immer das wohlige Gefühl ein, das andere vielleicht beim Lesen von Weihnachtsgeschichten bekommen.

Auch was den Humor angeht?

Es gibt schon einiges in dieser Kultur und unseren Traditionen, das komödiantisches Potenzial mit sich bringt. Schon dem Jiddischen wohnt ja eine Witzigkeit inne, rein vom Klang. Dass so viele Komiker und Comedians jüdisch sind oder einer anderen Minderheit angehören, liegt natürlich auch am Außenseiterdasein. Wenn man anders ist, wenn man auffällt, hilft es, witzig zu sein. Schon allein, um über sich selbst lachen zu können, was ja immer sehr entwaffnend ist.

Können Sie inzwischen mitreden bei der Entwicklung Ihrer Figur in der Serie?

Es ist nicht so, dass das Produzentenehepaar Amy Sherman-Palladino und Dan Palladino mich konsultieren, wenn es um die Drehbücher für eine neue Staffel geht. Aber es kommt schon vor, dass ich ihnen Geschichten aus meinem Leben erzähle, die ich dann so ähnlich in der Story wiederfinde. Daran, dass Amy diese Figur mir auf den Leib geschrieben hat, gab es wohl nie wirklich einen Zweifel.

Ursprünglich sollten Sie in der 2000 gestarteten Serie Gilmore Girls die Rolle von Sookie St. James kriegen , mit der Melissa McCarthy berühmt wurde. Das kam nicht zustande. Eine verpasste Chance?

Sicherlich nicht. Erstens glaube ich nicht, dass die Figur sich mit mir in die gleiche Richtung entwickelt hätte. Und zweitens würde ich auf diese Prominenz, die Melissa inzwischen erreicht hat, gar keinen Wert legen. Ich bin ganz froh, dass ich Hollywood und dem Leben in Los Angeles den Rücken kehren konnte. Heute kann ich mit meinen Kindern in Barcelona ein unbehelligtes Leben führen. Im Rückblick bin ich glücklich, wie sich alles ergeben hat. Denn das Vorsprechen für Gilmore Girls hatte ja trotzdem Folgen.

Nämlich?

Nicht nur lernte ich damals die Produzentin Amy Sherman-Palladino kennen, sondern auch ihren Mitproduzenten Gavin Polone, für den ich dann meinen eigenen Serien-Piloten entwickeln durfte. Daraus wurde dann zwar nichts, aber es war eine der besten Erfahrungen meines Lebens. Und daraus ergab sich, dass ich Drehbücher für die Serie Shameless schreiben durfte. Was wiederum die Serie Getting On nach sich zog. Und die war ein Highlight meines Lebens. Auch wenn sie mir am Ende das Herz brach.

Weil nach drei Jahren Schluss war?

Genau. Für den Pay-TV-Sender waren wir einfach zu klein. Mit glitzernden Erfolgsgeschichten wie Game of Thrones oder Entourage konnten unsere Geschichten aus der Altenstation einer Klinik nicht mithalten.

Eine fabelhafte, unterschätzte Serie. War sie ihrer Zeit womöglich voraus?

Vielleicht ist das so. In Zeiten, in denen Elizabeth Warren womöglich nächste Präsidentschaftskandidatin wird, würde man einer Serie über drei Frauen in einem Krankenhaus vielleicht mehr Aufmerksamkeit schenken. Aber als bitter und ernüchternd würde Getting On natürlich auch heute noch wahrgenommen werden. Von dem hoffnungsvollen Optimismus, der Mrs. Maisel so beliebt macht, fehlte da einfach jede Spur.

Die große Konstante in Ihrer Karriere ist Family Guy : Da sprechen Sie seit 20 Jahren Lois, die Mutter der Familie.

Dank DVD-Extras und Youtube-Videos wissen die Fans der Serie, wie ich aussehe, und sprechen mich immer wieder auf Lois an. Das freut mich. Und diese Rolle ist lange Zeit mein Sicherheitsnetz gewesen. Ich hätte mich nie getraut, nach Barcelona zu ziehen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich dreimal im Jahr in die USA zurückkomme, um die neuen Folgen einzusprechen.

Die Zeiten, in denen Sie auch als Drehbuchautorin für Family Guy gearbeitet haben, sind allerdings schon seit Längerem vorbei. Schreiben Sie gar nicht mehr?

Oh doch, sehr viel sogar. Gerade versuche ich, Interessenten für einen Spielfilm zu gewinnen, den ich geschrieben habe. Und seit einiger Zeit habe ich - viele, viele Jahre nach meinen Anfängen in Stand-up-Clubs - eine neue Bühnenshow, mit der ich sogar auf Tour bin. Unter dem Titel "Alex & the Amstergang" präsentiere ich da zusammen mit zwei Freunden, die ich in Barcelona kennen gelernt habe, Musik- und Comedy-Elemente: versaute Coverversionen von bekannten Songs genauso wie gesellschaftspolitische Kommentare oder Berichte aus meinem komplizierten Sexleben als Single nach 15 Jahren Ehe.

The Marvelous Mrs. Maisel, auf Amazon.

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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