Schauspieler Thomas Schmauser:Bloß nicht zur langweiligen Welt gehören

Eigentlich wollte er studieren. Aber dann ist Thomas Schmauser doch Schauspieler geworden - reine Notwehr, wie er sagt. In seiner Laufbahn hat der Theatermann schon einige prestigeträchtige Rollen abgelehnt. Auch die Rolle eines "Tatort"-Kommissars reizt ihn nicht wirklich. Stattdessen wird er Ermittler im neuen BR-Heimatkrimi.

Judith Liere

Den Namen kennen nicht viele, aber Thomas Schmausers Gesicht vergisst man nicht, wenn man es einmal gesehen hat. Es ist ein großes, rundes Gesicht, die Augen darin schauen immer etwas traurig. Als wollte sich der, der aus ihnen schaut, bewusst von dem distanzieren, was er da sieht, und wäre gleichzeitig traurig, nicht dazuzugehören.

"THE GERMAN UNDERTAKER" - Thomas Schmauser

"Dass der Film kein Mega-Erfolg wurde, war knüppelhart für mich", sagt Thomas Schmauser über The German Undertaker. Auf diese Arbeit ist er sehr stolz, weil er mit dem Cassavetes-Schauspieler Ben Gazzara drehte.

(Foto: DPA)

Schmauser spielt oft Rollen, zu denen dieser Blick perfekt passt. Den Metzgersohn in Die Einsamkeit der Krokodile zum Beispiel, ein Außenseiter, der in der Enge und Ausweglosigkeit seines Heimatdorfes verrückt wird. Oder den verschüchterten Simon in Nach fünf im Urwald, der heimlich in die schöne Anna (Franka Potente) verliebt ist, und der ihr, während sie auf dem Beifahrersitz schläft, eine wunderschön ängstlich-verdrehte Liebeserklärung macht.

Es sind Rollen, die meist zu sensibel oder zu intelligent sind für das Umfeld, in dem sie sich bewegen. Vor kurzem hat er in Bamberg den zweiten Film aus der BR-Reihe Heimatkrimi abgedreht, der im kommenden Herbst gesendet wird. Schmauser spielt darin den Kommissar Peter Haller, der in seinem Heimatort ermittelt, wo zwar jeder jeden kennt, er aber trotzdem als einsamer Wolf in Lederjacke durch das Städtchen streift.

Thomas Schmauser, 39 Jahre alt, wuchs in dieser Gegend auf, in Burgebach, in Oberfranken. Ein 3000-Einwohner-Dorf, nicht unbedingt der Ort, an dem man ernsthafte Schauspielerambitionen entwickelt.

Stattdessen: Bauerntheater, Blasmusik, Schützenverein. Schmauser machte nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung bei der Sparkasse, arbeitete dort schließlich in der Immobilienabteilung - und merkte, wie unglücklich ihn dieses Leben machte. Schmauser kündigte, bewarb sich für die Schauspielausbildung an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule und wurde sofort genommen. "Ich habe gedacht, dass ich in so einem bürgerlichen Leben kaputtgehe", sagt er. "Das war reine Notwehr. Weil ich überleben musste. Es tut mir leid, dass das so erschreckend klingt, man kann das schlecht witzig oder charmant formulieren."

Kunst als Alibi für Leben

Schmauser wird ernst, während er das sagt. Er ist jemand, der seine Zuhörer gerne unterhält, gute Stimmung verbreitet. Es ist ihm sichtlich unangenehm, dass er aus diesem existenziellen Wendepunkt keine lockere Geschichte machen kann. Die Entscheidung, statt Bankkaufmann ausgerechnet Schauspieler zu werden, sei damals relativ willkürlich gefallen, erzählt er. "Ich wollte was machen, was sich mit dem Leben beschäftigt. Ich hätte lieber studiert, Philosophie oder Kunst, aber ich habe ja kein Abi. Ich finde Künstler zu sein einen tollen Lebensentwurf. Kunst ist ein gutes Alibi für Leben."

Neben seinen Film- und Fernsehrollen ist Thomas Schmauser in erster Linie Theaterschauspieler, derzeit im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Auf der Bühne wirkt er weniger domestiziert als im Fernsehen. Was er vor der Kamera in einen einzigen Blick in Nahaufnahme legt, agiert er im Theater mit voller Präsenz und Körpereinsatz aus.

Eine Kritikerin der FAZ schrieb einmal über ihn, er sei "der Garant für zeitgemäße und stehgreifgemäß verhuschte, tendenziell psychopathische Schnodderigkeiten, die immer ein bisschen neben dem Puls des Stückes schlagen". Ulrich Khuon, der jetzige Intendant des Deutschen Theaters in Berlin, engagierte Schmauser direkt nach der Schauspielschule an sein damaliges Haus nach Hannover, nahm ihn anschließend mit nach Hamburg. Er sagt über ihn: "Er verbrennt sich in seinen Rollen, ruft nie etwas ab, spielt immer voller Hingabe. Das macht ihn auch extrem verletzbar."

Dieses unbedingte Aufgehen in einer Figur führt auch dazu, dass Schmauser Rollen ablehnt - etwa die des Vergewaltigers im mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten BR-Tatort "Nie wieder frei sein" (2010): "Ich möchte nicht eine Figur spielen, die so widerlich ist, da bin ich nicht Profi genug."

Professionell mit den Folgen seinen Berufs umzugehen, das musste Schmauser auch bei seinen ersten Kinorollen erst lernen. Nach dem Erfolg von Nach fünf im Urwald sagten ihm viele eine große Film-Karriere voraus, die sich aber nicht recht einstellte. Er spielte danach unter anderem in Undertaker's Paradise (2001), eine Arbeit, auf die Schmauser sehr stolz ist, weil er mit dem Cassavetes-Schauspieler Ben Gazzara drehte.

"Dass der Film kein Mega-Erfolg wurde, war knüppelhart für mich", sagt er. "Man denkt als junger Mensch: Ich geb' alles und das muss in der Folge auch was bedeuten - aber das ist nicht wahr. Da muss man seine Leidenschaft echt verteidigen. Und erwachsen werden."

Westernreiten bei Bamberg

Schmauser war im Gespräch für eine Rolle in Vaya con Dios - doch schließlich wurde Daniel Brühl besetzt. Schmauser ist ein Außenseiter geblieben, der zwischen zwei Welten steht, der Schauspielerei und seiner kleinbürgerlichen Herkunft, in beiden ist er ein wenig fremd. Er macht viele Dinge, die in intellektuellen Theaterkreisen nicht unbedingt üblich sind: Er ist sehr gläubig, katholisch, betet täglich, malt sich aber außerdem jeden Morgen ein Om-Symbol auf den Handrücken.

Er verfällt sofort wieder in breites, weiches Fränkisch, wenn er von seinen Eltern, seinem Heimatort, seinem Hund oder von seinem Pferd erzählt. Er hat vor kurzem mit Westernreiten angefangen, auf einem Reiterhof bei Bamberg. "Das klingt jetzt total kitschig, aber das ist mir wurscht" - das sagt Schmauser häufig.

Ein Mord auf dem Reiterhof in Oberfranken, das ist auch der Fall, den Schmauser als Dialekt sprechender Kommissar Haller im nächsten Heimatkrimi lösen muss, die Idee dazu stammt von ihm. Er sagt über seine Rolle: "Ich bin mir für kein Format zu schade, werde in jedem Genre versuchen, so knüppelhart wie möglich zu arbeiten. Ich habe keine Angst, meinen Arsch zu verkaufen." Er hat keine Berührungsängste mit dem Fernsehfilm: "Einfache Formen sind zu Unrecht immer dem Kitsch-Verdacht ausgeliefert, in der Kunst verkomplizieren wir immer alles."

Trotzdem bedauert Schmauser mangelnde Vielfalt in der deutschen Fernsehlandschaft: "Die Formate sind so eng. Wenn man sich zum Vergleich amerikanische Serien wie Mad Men anschaut - das spielt im Büro, aber erzählt alles mit, Politik, Beziehungskrisen." Aber ist es dann nicht langweilig, ausgerechnet für das Standard-Fach Kommissar im Heimatkrimi besetzt zu werden? "Ich spiele ja keinen Kommissar, ich spiele einen Mann, der sich dauernd verliebt und unglücklich seinen Job macht. Das finde ich toll."

Ein Angebot, einen Tatort-Ermittler zu spielen, wäre für Schmauser dennoch keine Option, auch weil er dafür dann wohl seine Theaterarbeit aufgeben müsste. "Ich finde es für einen Schauspieler auch uninteressant, nur Krimis zu erzählen. Da bin ja dann wirklich Kommissar."

Das wäre dann wieder eine Welt, die langweilig wäre, würde er vollkommen dazugehören.

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