Schauspieler Samuel Finzi:Auf den Brettern des Vaters

Samuel Finzi

Schauspieler Samuel Finzi ist witzig mit Fischen, aber ernsthaft mit seinen Rollen.

(Foto: dpa)

Samuel Finzi gehört zu den erfolgreichsten Schauspielern im deutschen Fernsehen. Trotzdem will er jetzt über Bulgarien sprechen - dort findet er auf den Bühnendielen in seiner Zweit-Wohnung immer noch Halt. Außerdem steckt das Land mitten im "Sommer der Empörung". Und Finzi glaubt wieder daran, dass Veränderung möglich ist.

Von Claudia Tieschky

Ein Augentier mit Bart kommt durch die Tür des Cafés. Jeans, blaues schmales Hemd und diese sehr dunkle, kastige, große Sonnenbrille, hinter der Samuel Finzi nicht gleich zu erkennen ist. Als Kriminalpsychologe Vincent Flemming im ZDF würde Finzi sich jetzt unauffällig einen Kaffee bestellen; dann käme Hanns Zischler herein ohne seinen Freund anzusehen, und falls eine attraktive Frau im Raum wäre, würde er diese Frau direkt ziemlich aufdringlich ansprechen. Zischler ist im Film Flemmings Supervisor - und dies ist ihr kleines privates Spiel der Seelenkenner. Der Trick ist, dass Flemming dann den lästigen Kerl vertreibt, einen hündchenlieben Blick blickt, und natürlich ein Herz gewinnt. Irgendwas muss man ja vom Studium haben.

Nur, Finzi ist jetzt nicht Flemming. Einen Moment wundert er sich über das Sitzkissen, das die Form einer übergroßen bunten Riesenforelle hat. Dann schnappt er es, peitscht mit dem Stofffisch die Luft wie der Kasper mit der Pritsche und zitiert Monty Python: "And now for something completely different!"

Durch seine Figuren geht das Leben hindurch

In München wird an diesem Tag die Premiere seines Films Die Erfindung der Liebe gefeiert. Ein erstaunlicher, todtraurig lustiger Film von Lola Randl mit Sunnyi Melles, Irm Hermann, Mario Adorf und Maria Kwiatkowsky, die während der Dreharbeiten starb. Die Besetzungsliste zeigt ungefähr, wo Finzi als Schauspieler gerade steht. Er ist in Kokowääh 2 zu sehen und in Ludwig II., er spielte in dem ZDF-Dokudrama Unsere Mütter, unsere Väter und in dem Dokudrama George. Am Berliner Ensemble probt er mit Luc Bondy Horvaths Don Juan kommt aus dem Krieg.

Finzi ist jetzt 47 und selbst wenn das ZDF unverständlicherweise Flemming nicht mehr weiterführt - oder zumindest nicht als Serie, höchstens als zwei Neunzigminüter pro Jahr: Es sieht gerade ziemlich gut für ihn aus. Das hat vielleicht etwas damit zu tun, dass er mit einem Stofffisch lustig sein kann - aber den Figuren auch eine Schattierung geben kann, die schwer zu beschreiben ist. So als ob sie das Leben einfach durch sich hindurchgehen ließen.

In Bulgarien war er 1989 schon berühmt

Samuel Finzi kommt gerade aus Sofia zurück. Er war zum Drehen dort, aber in Sofia ist dieser Tage nichts wie sonst. Es ist der Sommer der Empörung in Bulgarien, Und Finzi, der das Land, in dem er als Schauspieler schon berühmt war, wegen der "Enge und Spießigkeit", wie er einmal sagte, 1989 verließ, zunächst Richtung Paris- er hat jeden Abend mit dem Leuten auf der Straße mitdemonstriert.

Also. Was passiert da gerade? "Die Leute sind auf den Barrikaden, weil die politischen Verhältnisse, die jetzt herrschen, einfach eine Unverschämtheit gegenüber der Bevölkerung sind ", sagt er. "Mich hat dieses Land wirklich jahrelang politisch nicht mehr beschäftigt, aber jetzt bin ich enthusiastisch. Ich will einfach, dass es den Leuten gut geht. Es gibt normale Menschen in diesem Land. Viele. Die verdienen auch, etwas wie ein Ideal zu haben - das klingt jetzt pathetisch - aber auch, dass ein paar Werte einfach wiederhergestellt werden."

Manchmal kann man nicht unpolitisch sein

Vor Finzi steht ein Brot mit viel Aufstrich. Das Fischkissen gehört zu einem dieser Mädchencafés, in denen alles selbst gemacht, vitaminreich und ein bisschen geblümt ist und die böse Welt draußen bleibt. Er hat den Tag über nichts gegegessen und hat Hunger. Er redet weiter.

Seit Wochen demonstrieren die Leute gegen die Regierung, das politische System ist nach Überzeugung der meisten Bulgaren durch und durch korrupt, auch die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist mangelhaft. Jeden Tag war Finzi mit dreißig- oder vierzigtausend Menschen unterwegs, schätzt er, viel mehr als nach offiziellen Angaben, alle mit bunten Trillerpfeifen. Eigentlich lebt er ja schon lange nicht mehr dort, aber in Bulgarien ist er 1966 geboren, als Sohn der Pianistin Gina Tabakova und des Schauspielers Itzhak Finzi.

Die ganze Klischeepalette

Beste Familie, aber so wie das Fernsehen und der Film nun einmal sind, hat es viel Zeit gebraucht, bis er in Deutschland als Schauspieler nicht mehr immer nur Verbrecher spielen sollte, Balkanesen, Tschechen, die ganze Klischeepalette. Irgendwann fasst er den Entschluss: Das will ich nicht mehr, jetzt muss sich etwas ändern.

Das ist ihm so gründlich gelungen, dass er neulich im Fernsehen sogar in der Rolle des superdeutschen und superantisemitischen Komponisten Richard Wagner zu sehen war, was ihm erkennbar Spaß machte. Finzi ist ein leichtfüßiger Spieler. Aber genau jetzt ist er bewegt, gerührt, etwas aufgeregt.

Bulgarien wird die Ganovenrolle nicht los

Manchmal kann man nicht unpolitisch sein im Leben, nicht einmal als Schauspieler. Es geht nicht nur Finzi um die Perspektiven eines Landes, das zur EU gehört, aber wirtschaftlich ebenso wenig auf die Füße kommt wie es die Korruption und die Ganovenrolle loswird.

In den vergangenen Tagen hat Finzi mit dem Regisseur Kamen Kalew gedreht. Kalew ist Jahrgang 1975, und seine Filme werden in Cannes gezeigt. Das ist das andere Bulgarien. Irrsinnig schwierig, sagt Finzi, viele Junge verlassen das Land oder fragen, "was gibt es für Perspektiven, wenn diese Leute an der Macht bleiben. Ich weiß nicht", sagt er, lacht, und ist doch ernsthaft, "wahrscheinlich muss die Europäische Union sofort eingreifen! Ich rege mich wirklich so auf, dass ich manchmal nicht klar argumentieren kann. Aber ich empfinde eine tiefe Überzeugung, dass die Veränderung möglich ist, weil ich die Augen der Leute gesehen habe."

In Sofia gibt es eine kleine Wohnung, die ihm gehört. Diese Wohnung hat hölzerne Dielen. Das Holz stammt von der Bühne, auf der einst sein Vater spielte. Eine lustige Geschichte. Vielleicht auch mehr als das. Er sagt, es gebe auf eine Weise einen Halt. "Es ist nicht schlecht, einen Halt zu haben, oder? Wenn alle Stricke reißen, wenn mich keiner mehr engagiert, und nichts mehr kommt, dann verstecke ich mich da - mit meiner ganzen Familie natürlich." Das allerdings steht nun glücklicherweise nicht zu befürchten.

Aber nun bitte den Fisch und zu etwas komplett anderem. Flemming kann man ja leider nur noch in der Wiederholung sehen, die das ZDF jetzt zeigt. Das macht die Serie nicht schlechter, aber dabei fällt auch wieder mal auf, wie viele belanglose Krimis sonst im TV laufen. Hat Samuel Finzi eine kriminalpsychologische Erklärung dafür, warum die Deutschen Krimis so lieben? "Meinen Sie, die lieben sie?", fragt er zurück. Nun ja, sie schauen sie jedenfalls wie verrückt, könnte man einwenden, aber auch das lässt Herr Finzi nicht einfach gelten. Es werden eben Krimis produziert, deswegen gucken die Leute Krimis. "Das heißt nicht, dass sie Krimis lieben." Es gebe ganz hervorragende Tatorte, aber vor allem hänge das deutsche Publikum eben an seiner Sonntagabendtradition. Als Revolutionär kennt Finzi sich aus: "Eher fällt die Kanzlerin als der Tatort."

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