Schauspieler Ed O'Neill:American Anti-Dad

Ed O'Neill,  Modern Family

Ed O'Neill hat mit Eine schrecklich nette Familie (Married... with Children) viel Geld verdient, aber auch ein Problem: Er ist für immer Al Bundy.

(Foto: ABC via Getty Images)

Eigentlich wollte Ed O'Neill immer dramatische Rollen spielen, doch das Leben machte ihn zum Komödianten. Als Al Bundy wurde er berühmt, heute gewinnt er mit "Modern Family" Preise. Ein Treffen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Was einem bei einer Begegnung mit Ed O'Neill sofort auffällt, sind seine Augen. Blau sind sie, wie die von Frank Sinatra oder Paul Newman. So eine Farbe ist selten, weshalb durchaus interessant ist, was die Menschen daraus machen. Frank Sinatra benutzte sie zum Verführen, bei Paul Newman standen sie für Abenteuer. O'Neill blickt eher wie ein Junge, der gerade im Süßwarenladen einen Lolli geklaut hat und nicht erwischt worden ist. Er sagt: "Ich wäre dumm, wenn ich nicht kapieren würde, wie viel Glück ich gehabt habe."

Ed O'Neill sitzt im Salon eines Golfclubs im kalifornischen Rancho Palos Verdes, Drehort einer Folge seiner Comedyserie Modern Family. Er trägt ein weinrotes Polohemd, unter dem sich gewaltige Oberarmmuskeln abzeichnen. Es geht hektisch zu am Set, Menschen rennen umher, rufen andauernd irgendetwas in ihre Funkgeräte. O'Neill dagegen sieht sehr entspannt auf den Pazifischen Ozean.

Dieser Anblick zerstört das Bild, das man jahrelang im Kopf mit sich herumgetragen hat. O'Neill hat die blauen Augen ja stets versteckt mit diesem fatalistischen Gesichtsausdruck, bei dem er Augenbrauen, Wangenknochen und Unterkiefer in Richtung Nase gedrückt hat. Das war in seiner Rolle als Al Bundy in der Fernsehserie Eine schrecklich nette Familie. Der verzweifelte Loser war eine Ikone der Neunzigerjahre, die wie kaum eine andere TV-Figur im kollektiven Gedächtnis der Zuschauer verankert ist. Er war das Gegenteil von Entspannung und Glücklichsein. "Was soll ich machen? Ich sehe aus wie er, ich klinge wie er", sagt er heute und grinst.

Die Nacktbar. No Ma'am. Der Schuhladen.

Er lacht, wenn man ihm von den Reaktionen der Freunde erzählt, nachdem man ihnen verkündet hat, Ed O'Neill zu treffen. Bei Facebook gingen unzählige Daumen nach oben, und die Einträge darunter waren ein Rückblick in die Neunzigerjahre: Vier Touchdowns in einem Spiel. Die Nacktbar. No Ma'am. Der Schuhladen. Die Hand in der Hose. Dumpfbacke. "Verrückt, oder?", sagt O'Neill. Er fühlt sich geschmeichelt. Er freut sich auch darüber, dass einige Einträge von Jay Pritchett handeln, seiner Figur in Modern Family, eine der besten und erfolgreichsten Sitcoms, die derzeit laufen. In der nächsten Woche wird in den USA das Finale der fünften Staffel ausgestrahlt, in Deutschland liefen bislang drei Staffeln auf dem Spartensender RTL Nitro, die dritte erscheint jetzt auf DVD.

Dass es keine Einträge zu seinen ernsthaften Rollen oder Auftritten am Broadway gibt, scheint ihn nicht zu stören. Überhaupt kommt er nicht daher wie ein in die Jahre gekommener Hollywood-Schauspieler, der einem nun dringend mitteilen muss, was er schon alles erreicht hat. O'Neill wirkt wie der lustige Onkel auf einer Familienfeier, der sich an den Kamin setzt und Anekdoten erzählt. Diese Geschichten haben keinen arroganten Unterton, sondern einen demütigen - sie handeln weniger von Talent und Geschick als vielmehr von Zufall und Glück. Er erzählt Geschichten, die viel verraten über diesen Mann, über seinen Beruf und womöglich sogar über das Leben. "Man weiß nie, was das Leben mit einem anstellt", sagt er.

Er erzählt etwa von seiner Karriere als Footballspieler. O'Neill wuchs in einer Kleinstadt im Bundesstaat Ohio auf, sein Vater schuftete in einer Stahlfirma, die Mutter war Sozialpädagogin. Profisportler war der Traum vieler Jungs damals, die Pittsburgh Steelers gaben ihm 1969 sogar einen Vertrag. Nach wenigen Tagen wurde er wohl wegen Unfähigkeit entlassen, die Karriere war vorbei, bevor sie begonnen hatte. Er ging in eine Bar, um seinen Kummer zu ertränken, im Fernsehen liefen die Nachrichten. "Ich sah Neil Armstrong, wie er auf dem Mond spazierte", sagt O'Neill: "Ich dachte mir: Na, wenigstens einer von uns beiden hatte einen guten Tag."

Es ist diese Lockerheit, der ironische Umgang mit dem Erfolg, die Ed O'Neill zu einem Antitypen in Hollywood machen. Als er vor drei Jahren einen Stern auf dem Walk of Fame erhielt, erschien er in ausgebeulten Jeans und einem Poloshirt. Privat ist nur bekannt, dass er seit 27 Jahren mit der Schauspielerin Catherine Rusoff verheiratet ist, zwei Kinder hat und sich für Umweltorganisationen einsetzt. Er ist besonders, weil er nicht besonders sein will. Seine Karriere war nicht geplant, sie ist einfach passiert.

"Mist, das Ding ist ein Hit!"

Nach dem Football-Versuch war Ed O'Neill Aushilfslehrer, Barkeeper und Autoverkäufer, kurz vor seinem 30. Geburtstag begann er als Theaterschauspieler in New York. Er war der Mann fürs Grobe und Dramatische, von einer Komödie war er so weit entfernt wie Al Bundy von einem Lottogewinn: "In meiner ersten Rolle am Broadway spielte ich einen sadistischen Preisboxer, der seine Ehefrau misshandelt." Er könne sich bis heute nicht erklären, wie jemand auf die Idee gekommen sei, ihn für die Rolle des übellaunigen Schuhverkäufers Al Bundy überhaupt in Erwägung zu ziehen.

Er sei nur zum Vorsprechen gegangen, weil er zufällig in der Gegend American Handball (weitere Informationen auch hier) gespielt habe. Er erschien ohne Vorbereitung in verschwitzen Klamotten, an seiner Sporttasche baumelten 15 Paar stinkende Handschuhe. "Die Figur hat mich an meinen Onkel erinnert. Der kam einmal nach Hause, seine Frau teilte ihm mit, dass sie den Hund überfahren hatte. Seine Reaktion: ,Was gibt's zum Abendessen?' Er war der Typ, der schlimme Dinge erwartete - und diese schlimmen Dinge sind dann passiert. So habe ich die Rolle gelesen."

Für immer Al Bundy

Senderchef Barry Diller habe heftig protestiert, als die Produzenten ihn wollten. "Seiner Meinung nach war ich eine absolute Fehlbesetzung." Er bekam die Rolle dennoch. Danach war er Al Bundy. 259 Episoden lang. Er bekam kaum Preise, dafür eine Menge Geld: "Ich wollte immer dem System entfliehen und den Punkt erreichen, an dem ich sagen kann: Ich muss nicht arbeiten, wenn ich nicht will. Als ich das geschafft hatte, fühlte ich mich glücklich."

Es gab nur ein Problem: Er war nun Al Bundy, für immer. Wie sollte er jemals wieder eine ernste Rolle bekommen? "Ich habe oft gehört, dass Produzenten sagten: ,Ich will ihn nicht - das ist Al Bundy!' Man muss das akzeptieren. Ich kenne viele Leute, die waren Stars und bekommen heute keinen Job mehr. Sie leiden darunter, weil sie ihre Identität darauf ausgelegt haben. Sie fühlen sich weniger wert. Es ist wichtig, dieses Geschäft nur ja nicht zu ernst zu nehmen", sagt O'Neill. Er beschäftigte sich mit Brazilian Jiu-Jitsu, vor ein paar Jahren bekam er den Schwarzen Gürtel ("Die größte Leistung in meinem Leben nach meinen Kindern"), das erklärt die kräftigen Oberarme. Nach einigen Jahren begann er wieder zu arbeiten, er spielte einen Abgeordneten in der Politserie West Wing, einen Polizisten, einen verrückten Rentner. Wirklich erfolgreich war Ed O'Neill jedoch erst wieder, als er erneut in einer Sitcom agierte. Und natürlich gibt es dazu eine Anekdote über Zufall und die Unplanbarkeit des Lebens.

"Es gibt im Showgeschäft andauernd Gefälligkeiten. Ich habe das nie verstanden, ich hielt das für absolute Zeitverschwendung", sagt er: "Natürlich habe ich festgestellt, wie falsch ich mein Leben lang lag." Er traf sich nur wegen eines Gefallens mit den Produzenten von Modern Family, das Projekt klang ganz nett, ein paar Monate später bekam er das Drehbuch: "Ich dachte mir: Verdammt noch mal, das ist gut! Ich wollte nicht, dass es gut ist. Ich habe meinen Manager angerufen und gesagt: Mist, das Ding ist ein Hit!"

Am Ende bekam er die Rolle übrigens nur, weil ein anderer Schauspieler abgesagt hatte.

Rückkehr als stinkreicher Sack?

O'Neill spielt in der Serie Jay Pritchett, den stinkreichen Patriarchen einer herrlich verrückten Großfamilie. Wieder einmal Familienoberhaupt. Er wollte irgendwann einmal gerne dramatische Figuren spielen, doch das Leben hat ihn zum Komödianten gemacht. Na und? Er war der American Anti-Dad, nun ist er 67 Jahre alt und spielt den American Grandfather. Als solcher darf er natürlich auch Ratschläge an Väter verteilen: "Das Wichtigste ist, präsent zu sein. Kinder merken das. Sie werden sagen: Okay, Daddy hat nicht alles richtig gemacht, aber er war immer da und hat es versucht." Dann guckt er kurz ernst und sagt: "Und man braucht im Leben ganz viel Glück! Das hatte ich - ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt!"

Glücklich. Wahrscheinlich ist das der Begriff, mit dem sich dieser Mensch beschreiben lässt, der da am Pazifischen Ozean sitzt und Geschichten erzählt. Eine hat er noch: "Die Produzenten von Eine schrecklich nette Familie schreiben gerade eine Pilotfolge für David Faustino, der damals Al Bundys Sohn Bud war. Bud lebt mit ein paar abgehalfterten Freunden in diesem Haus. Peg und Al haben im Lotto gewonnen und sind nach Las Vegas gezogen - es könnte sein, dass ich einen Auftritt in der Serie habe."

Eine Rückkehr Al Bundys als stinkreicher Sack? "Verrückt, oder?", sagt O'Neill.

Modern Family, abrufbar bei Apple iTunes*, Microsoft Store*, Maxdome*, Amazon* und Google Play Movies*

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