Schauspieler Dietmar Bär im Interview:"Ein goldener Arbeitsplatz"

Tatort: Der Fall Reinhardt; "Tatort"

Dietmar Bär (l.) und Klaus J. Behrendt im Kölner Tatort "Der Fall Reinhardt".

(Foto: WDR/Uwe Stratmann)

Laut einer Umfrage ist er der beliebteste TV-Ermittler Deutschlands: Freddy Schenk. Seit 17 Jahren verkörpert Schauspieler Dietmar Bär den Kölner "Tatort"-Kommissar. Ein Gespräch über die Vor- und Nachteile der Rolle und den Kollegen Til Schweiger.

Von Matthias Kohlmaier

Schon 1984 hat er sich im Tatort "Zweierlei Blut" als rabiater Fußballfan mit Schimanski geprügelt, seit 1997 ermittelt er selbst: Dietmar Bär spielt im Kölner Tatort den Kommissar Freddy Schenk. Am Sonntag läuft der neue Fall des Duos Schenk und Max Ballauf (gespielt von Klaus J. Behrendt) - in "Der Fall Reinhardt" ermitteln die Kommissare nach einer Serie von Brandanschlägen. Derzeit dreht Bär bereits für eine der nächsten Tatort-Episoden aus Köln, ab Mai steht er für das ZDF-Fernsehspiel Küstennebel gemeinsam mit Uwe Ochsenknecht vor der Kamera.

SZ.de: Herr Bär, einer Umfrage zufolge ist der von Ihnen verkörperte Kölner Tatort-Kommissar Freddy Schenk der beliebteste TV-Ermittler Deutschlands. Warum hat die Figur so viele Fans?

Dietmar Bär: Schwer zu sagen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, gerade weil es keine Jury-, sondern eine Publikumsentscheidung war. Es sind inzwischen so viele junge Kollegen in unser Mehrgenerationenhaus Tatort eingezogen, da ist es schon eine tolle Sache, dass wir "alten Säcke" in dieser Umfrage die ersten Plätze belegt haben (In der Umfrage folgten hinter Dietmar Bär die Tatort-Kommissare Wotan Wilke Möhring, Klaus J. Behrendt, Jan Josef Liefers und Axel Prahl; Anm. d. Red.). Ich würde das mit einer gewissen Grundsympathie für die altgedienten Darsteller erklären.

Til Schweiger zum Beispiel ist laut den Umfrageergebnissen sehr bekannt, aber wenig beliebt.

Til bedient eben mit seinen Kinofilmen und seiner noch relativ neuen Rolle als Tatort-Kommissar die gesamte Publikumspalette, mich überrascht seine große Bekanntheit daher nicht. Die geringe Beliebtheit wird wohl von der Figur herrühren. Nick Tschiller polarisiert mehr als Freddy Schenk. Wobei ich persönlich finde, dass "Polarisieren" eines der besten Prädikate überhaupt für einen Film oder eine Rolle ist.

Dann müssen Ihnen die Reaktionen auf Ihren letzten Fall "Franziska", der wegen seiner Brutalität erst um 22 Uhr gezeigt werden durfte, gefallen haben.

Teilweise kamen nach der Ausstrahlung völlig fassungslose Menschen auf mich zu. Da merkt man erst so richtig, wie nah den Zuschauern das Leben solcher Fernsehfiguren geht. Ich finde aber, "Franziska" war ein Tatort, wie er sein sollte: spannende Krimiunterhaltung, gelegentlich auch mit einem kleinen Schuss Humor. Entsprechend habe ich die Entscheidung für diesen späten Ausstrahlungstermin sehr bedauert. Ich bin zwar kein Quoten-Jäger, aber die anderthalb Millionen mehr Zuschauer zur Prime Time hätte ich gerade bei dem Fall schon gerne gehabt.

Wenn man mittlerweile 59 Mal den Tatort-Kommissar gespielt hat, interessiert man sich dann wirklich noch für die Zuschauerzahlen?

Die werden nun mal erhoben und man kann die Augen nicht gänzlich davor verschließen - und für den WDR hat die Quote natürlich auch eine gewisse Bedeutung. Wobei die öffentlich-rechtlichen Sender sich über Zuschauerzahlen ja an sich gar nicht so viele Gedanken machen sollten.

Aber genau den Vorwurf - dass die Programmgestaltung zu stark von potenziellen Marktanteilen abhängt - müssen sich ARD und ZDF doch zurecht oft gefallen lassen.

Mag sein. Ich werde trotzdem immer der Meinung sein, dass Quote nicht zwingend etwas mit Qualität zu tun hat.

Seit 1997 ermitteln Sie im Tatort: Köln. Hat diese Rolle ihr Berufsverständnis verändert?

Zu Beginn musste ich mich daran gewöhnen, dass ich in den Medien plötzlich "Tatort-Kommissar Dietmar Bär" und nicht mehr "Schauspieler Dietmar Bär" genannt wurde. Klaus J. Behrendt und ich sind mit diesem Format aufgewachsen und haben es damals als Ritterschlag empfunden, den Job machen zu dürfen.

"Natürlich ist Geld nicht alles"

Auch heute ist es für einen deutschen Schauspieler eine große Sache, wenn er als Tatort-Kommissar in Betracht kommt.

Nicht zwingend. Es gibt eine Menge Kollegen, die Angst haben, als Tatort-Kommissar auf ewig in eine Schublade gesteckt zu werden und die Rolle deswegen abgesagt haben. Was man trotzdem auf jeden Fall sagen muss: Für einen freiberuflichen Schauspieler ist das ein goldener Arbeitsplatz. Und in den vergangenen Jahren sind im Tatort ja eine Menge neuer Jobs geschaffen worden, das Format scheint also noch belastbar zu sein.

Sabine Postel (Bremer Tatort-Kommissarin Inga Lürsen; Anm. d. Red.) hat sich zumindest indirekt gegen allzu viele neue Ermittler-Teams ausgesprochen und davor gewarnt, zu sehr an dem Format "rumzubasteln".

Ich kann Sabine gut verstehen. Bei den vielen neuen Kommissaren verliere auch ich langsam ein bisschen den Überblick. Und wenn ich mir das Feedback von den Menschen anhöre, die ich privat treffe, habe ich den Eindruck: Viele Zuschauer kommen auch nicht mehr so richtig mit.

Ihr Lösungsvorschlag?

Ich habe keine Ahnung und denke, dass man diese Sache nicht aufhalten kann, weil sich die Sender auch intern verändern. Und dann muss selbst die letzte Bastion, das Ermittler-Duo aus München, bald mit dem Tatort Franken und damit einem kleinen Bruder leben. Nicht falsch verstehen: Ich finde es toll, dass neue Teams entstehen und gute Schauspieler dadurch Arbeit finden. Ich fürchte aber, man wird erst merken, dass das Format nicht weiter belastbar ist, wenn das Interesse der Zuschauer abflaut. Aber danach sieht es derzeit ja noch nicht aus.

Wenn Sie den "goldenen Arbeitsplatz" schon ansprechen, stellt sich die Frage: Wie lange wollen Sie denn noch den Tatort-Kommissar spielen?

Ganz nüchtern kann ich nur sagen: Wir haben Vertrag bis 2016 und drehen planmäßig noch neun Filme. Wie es danach weitergeht, darüber wird vermutlich im kommenden Jahr zu reden sein. Wie lange ich den Job also noch machen darf, kann und auch will, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.

Dabei sind Sie derzeit mit drei Filmen pro Jahr einer der meistbeschäftigten Tatort-Ermittler.

Dadurch habe ich definitiv das große Privileg, mir die anderen Rollen aussuchen zu können. Betrachtet man das Ganze also von der wirtschaftlichen Seite, müsste ich auf jeden Fall noch sehr lange Tatort-Kommissar bleiben. Das macht es womöglich auch so schwierig, den richtigen Moment zum Aufhören zu erkennen. Aber natürlich ist Geld nicht alles und ich freue mich schlicht jedes Mal wieder auf den Drehbeginn für einen neuen Tatort und auf das Wiedersehen mit meinem Freund Klaus J. Behrendt.

In Berlin hat Dominic Raacke gerade als Kommissar aufgehört, sein Partner Boris Aljinovic dreht noch einen Film alleine, bevor das neue Duo Meret Becker/Mark Waschke einsteigt. Könnten Sie sich Ihre Rolle im Tatort ohne den Partner Klaus J. Behrendt vorstellen?

Eigentlich nicht. Wir haben mal vereinbart, das gemeinsam zu machen und ich schätze, dass unser Auftraggeber das ganz ähnlich sieht. Ob wir aber bis ins hohe Derrick-Alter ermitteln, das mag ich bezweifeln.

Erst mal läuft am kommenden Sonntag Ihr neuer Tatort "Der Fall Reinhardt".

Eine klassische und ziemlich heftige Tragödie mit einer großartigen Susanne Wolff in der Hauptrolle.

Und außerdem der erste Film ohne Tessa Mittelstaedt. Wie wird die Rolle der Assistentin von Ballauf und Schenk nach deren Filmtod in "Franziska" neu besetzt?

Was das betrifft, ist "Der Fall Reinhardt" Teil eins unserer Casting-Show. Für Ballauf und Schenk beginnt jetzt das Kreuz mit den Aushilfskräften, da werden einige kommen, die diese Lücke zu füllen versuchen.

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