Satire und "Das Ernste" in der ARD:Besser als befürchtet

Das Ernste ARD Florian Schroeder Satire Witz

Florian Schroeder als Nachrichtensprecher in der neuen Satireshow "Das Ernste" in der ARD.

(Foto: rbb/ARD)

Nicht der Brüller, aber einige nette Ansätze: Die ARD versuchte sich um Mitternacht mit einer satirischen Konkurrenz zur erfolgreichen ZDF-"heute-show". "Das Ernste" war allerdings weniger lustig als Dieter Nuhrs Jahresrückblick - und das will eigentlich schon was heißen.

Eine TV-Kritik von Ruth Schneeberger

Seit Dieter Nuhr in der ARD den "Satiregipfel" von Matthias Richling übernommen hat, knapp zwei Jahre ist das jetzt her, hatte das ZDF leichtes Spiel: Nicht nur die Kabarett-Show "Neues aus der Anstalt" war damit praktisch konkurrenzlos im deutschen TV. Auch die "heute-show" mit Oliver Welke, die vom "Medium Magazin" gerade zur "Redaktion des Jahres" gekürt wurde, zeichnete das Zweite Deutsche Fernsehen als Heimat des gehobenen Humors aus. Denn auf den Privaten läuft seit Jahren nur Klamauk. Harald Schmidt ist weg vom Fenster. Und im Ersten? Nun ja: Dieter Nuhr eben.

Der Niederrheiner Nuhr ist kein kabarettistisches Schwergewicht, mit ihm wurde der Satiregipfel, der einst als Nachfolger von Dieter Hildebrandts "Scheibenwischer" angetreten war, weichgespült, harmloser und auch von der Auswahl der Gäste her eher komödiantisch. Beim Comedy-Preis in diesem Jahr musste sich Das Erste gar vorwerfen lassen, es könne gar nicht mehr mit dem Humor. Alles, was auch nur ansatzweise lustig sei, werde ins Spätprogramm gesperrt.

Und nun der Paukenschlag, kurz vor Jahresende: In der Nacht zum Freitag sendete die ARD erst den großen satirischen Jahresrückblick mit - wiederum - Dieter Nuhr. Und dann eine halbstündige neue Satireshow, mit der sie der "heute-show" Konkurrenz machen will: "Das Ernste".

Schwieriger Start

Schon vorab wurde der Versuch, auch nur ansatzweise an die preisgekrönte Welke-Show im ZDF heranzureichen, in den Medien hämisch beäugt, ein fünfminütiger Trailer gnadenlos verrissen. Olli Dittrich sagte dem "Spiegel", das sei eigentlich sein Konzept gewesen, nur jetzt leider von unerfahrenen Komikern umgesetzt; er sei enttäuscht.

Einen schwierigeren Start kann man sich für eine Pilotfolge kaum denken - und daran gemessen, darf man attestieren: Es ging.

In der Tat ist die Maske erstaunlich schlecht. Die bisher noch unbekannten Darsteller Thomas Nicolai, Sara Kelly-Husain, Antonia von Romatowski und Martin Fischer schlüpften in die Rollen von Angela Merkel, Peer Steinbrück oder Philipp Rösler, und eigentlich machten sie das gar nicht so übel. Nur leider kam beim Zuschauer davon wenig an. Denn der war komplett irritiert von geradezu monstermäßiger Mimik und gruseligen Gesichtszügen.

Auch Nachrichten-Moderator Jo Brauner, der dem Anchorman der Show, Florian Schroeder, zur Seite gestellt wurde, wirkte hier leicht deplatziert. Weil er die lustigen Nachrichten viel lustiger vorlesen wollte als im wirklichen Leben die echten. Das wirkte gewollt und nicht gekonnt.

Doch es gab auch gute Ansätze: Die "Ultimative Talkshow" etwa, in der die fünf ARD-Talker Anne Will, Sandra Maischberger, Reinhold Beckmann, Frank Plasberg und Günther Jauch zu einer Sendung zusammengelegt wurden, die von 22:30 Uhr bis 4 Uhr morgens gesendet wird, und in der die öffentlich-rechtlichen Spitzenkräfte sich gegenseitig rhetorisch zu zerfleischen versuchen, ist eine nette Idee.

Überraschend grandios

Auch der Trailer eines neuen Ferres-Films, produziert von Carsten Maschmeyer, zwischendurch immer wieder eingespielt, war ziemlich spaßig: Veronica Ferres in ihrer wahlweise politischsten, aristokratischsten oder stärksten Rolle, mal als Bettina Wulff, mal als Ursula von der Leyen, mal als Guttenberg-Gattin, dabei aber immer nur als sie selbst am Strand entlang laufend, romantisch in den Sonnenuntergang starrend - das brachte hervorragend auf den Punkt, woran es bei Ferres-Filmen und deren Vermarktung grundsätzlich hakt.

Überraschend grandios sogar war am Ende die Charlotte-Roche-Parodie: Nicht nur die Optik, auch Stimme und Inhalt des Gesprächs über die Vorteile von Sex mit alten Menschen wirkten so verblüffend und täuschend echt, dass man mehrfach hinschauen musste, ob sie es nicht doch höchstselbst ist.

Insgesamt also: Nachholbedarf in der Polit-Parodie, dringender Handlungsbedarf in der Maske, aber kreative Ansätze. Die "heute-show" und "Switch Reloaded", zwischen denen der Klamauk thematisch pendelt, haben auch erst im Laufe der Zeit zu ihrer Form gefunden. Besser geht's in der ARD zurzeit wohl eben noch nicht. Und ob nun ausgerechnet Olli Dittrich das Programm besser gestaltet hätte, der schon an der Imbissbude eher langweilte, darf ebenfalls bezweifelt werden. Professioneller, das ja. Aber lustiger? Eher nicht.

Dieter Nuhr und das Ehepaar Wulff

Trotzdem wirkte in diesem Zusammenhang Dieter Nuhr geradezu wie ein König. In seinem einstündigen Jahresrückblick, direkt vor dem "Ernsten" gesendet aus der historischen Stadthalle in Wuppertal, war er wieder ganz in seinem Element. So, wie er war, als die ARD sich dazu entschieden haben muss, ihn zum Star des "Satiregipfels" zu machen. Die große Show steht ihm besser als die Kleinkunst- und Kabarettbühne, als Gastgeber geht er unter, hier war er wieder er selbst. Nur Nuhr.

Dieter Nuhr

Dieter Nuhr moderierte den einstündigen Jahresrückblick in der ARD.

(Foto: dpa/dpaweb)

Eine Stunde lang ein Publikum alleinunterhalten, vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen, von Griechenland über Obama bis zu Lance Armstrong ein paar gezielte Seitenhiebe verteilen, und dabei nonchalant und nebenbei die Welt erklären, das Jahr in einen größeren Zusammenhang einbetten und immer wieder kleinere und größere Lacher ernten, das kann der ausgebildete Lehrer eben, gelernt ist gelernt. Und dass er tatsächlich noch ein bisschen aussieht wie der deutsche George Clooney, hilft ihm dabei. Da stört keine Maske.

Krisen-Jahr und Zeitverschwendung

Nuhrs Erfolgsrezept ist, dass er in einen steten und leisen Redefluss, der eigentlich einschläfernd wirken müsste, weil er sein Publikum wohlig einlullt, unerwartete Ungeheuerlichkeiten einfließen lässt. Das Publikum muss also aufpassen, darf nicht, wie bei der Comedy, in sinnloses Schenkelklopfen verfallen. Sonst lacht es womöglich noch an der falschen Stelle, und das fällt auf.

Dass zum Beispiel Jopie Heesters kurz nach seinem Ableben schon wieder seinen nächsten Auftritt gehabt haben soll, ist so ein unerwartet pietätloser Brüller. Auch die Ausführungen zu Bettina Wulffs öffentlichen Anstrengungen, sich vom Prostituierten-Milieu zu distanzieren ("Ich dachte, das wäre normal, dass die First Lady nicht nebenher anschaffen geht"), gerieten ungewöhnlich scharf und kamen trotzdem genau auf den Punkt.

Und die Beurteilung ihres Gatten Christian, dem ehemaligen Bundespräsidenten ("Der Guttenberg 2012", "Zwischen dem ersten Mann und dem letzten Depp liegen manchmal nur ein paar unbezahlte Rechnungen", "Zumindest hat er mit Sicherheit nicht im Puff gearbeitet"), war sogar einen Tick zu gehässig - aber trotzdem noch lustig. Und schließlich: Nuhrs persönlicher Höhepunkt des Krisen-Jahres 2012, der "großen Zeitverschwendung zwischen 2011 und 2013", war: dass es bei Aldi einen Kinder-Wellness-Anzug zu kaufen gegeben habe. Was zur Hölle ein Kinder-Wellness-Anzug sei, und was solche Details über unsere Zeit aussagen, das fragt man sich mit Nuhr zu recht.

Nuhr ist eben doch kein weichgespülter Komödiant, nur das rein politische Kabarett, das liegt ihm nicht so. Ähnlich wie den jungen Kollegen von "Das Ernste". Wenn die ARD jetzt nicht den Fehler macht, trotzdem beide Formate, Nuhrs Satiregipfel und die neue Satireshow, immer wieder an den wohlverdienten Weihen eines Dieter Hildebrandt zu messen oder messen zu lassen, dann könnte es vielleicht doch noch was werden mit dem Humor in der ARD. Abseits des politischen Kabaretts, eben.

Zumindest die jüngeren Zuschauer goutierten diese beiden Ansätze durchaus: Mit 7,8% Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen lag "Das Ernste" sogar über Senderschnitt. Nuhrs Jahresrückblick brachte es gar auf 8,9 Prozent junge Zuschauer und insgesamt 2,3 Millionen Gesamtzuschauer.

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