Satire:Kaiserlich

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Im letzten Teil des TV-Zyklus taucht „Schorsch Aigner – Der Mann, der Franz Beckenbauer war“ wieder auf – als, kein Witz, „Ghostpainter“ von Christine Neubauer. (Foto: Beba Lindhorst/WDR)

Olli Dittrich ist beinahe Franz Beckenbauer und erklärt die DFB-Affäre ganz auf seine Weise. Und die ARD ist brandaktuell. Ein stilbildendes Schelmenstück.

Von Ralf Wiegand

Die ARD, das galt als sicher, ist ein träger Tanker, Programmplanungen sind fix wie die Rahmentermine der katholischen Kirche. Nur die aktuellen Redaktionen können mittels Brennpunkt aus dem Stand das Programm verändern. So bisher.

In dieser Woche aber hat die ARD einen Überraschungscoup gelandet. Idee, Umsetzung und Ausstrahlung innerhalb weniger Tage: Fernsehen kann ein sehr schnelles Medium sein, auch auf dem sensiblen Sektor der Unterhaltung. Denn produziert und ins Erste gewuppt hat der WDR nicht einfach noch einen Bericht über die momentan enorm verkorkste Lage im deutschen Fußball, sondern ein stilbildendes Schelmenstück: ein Exklusiv-Interview mit Schorsch Aigner, jenem Mann, der Franz Beckenbauer war und eigentlich Olli Dittrich ist. Enthüllt wird die Wahrheit über die zwischen Deutschem Fußball-Bund (DFB) und Weltverband Fifa versickerten 6,7 Millionen Euro. Als exklusiv und eilig hatte das Erste die Planänderung am Mittwoch beworben und schon am Donnerstag jene wertvollen 20 Minuten gesendet, die sich aus der Mediathek fischen sollte, wer sie verpasst hat.

Dittrich, 58, ist für seine Verehrer der einzige ernsthafte Komiker, seitdem mit Loriot auch dessen Kunst der fein ziselierten Figuren, der komischen Charakterstudien, des Clownesken im klassischen Sinn gestorben ist. Dittrich kann das auch. Seine Verwandlungen sind keine Hüllen, sondern tiefe Menschenbilder. Dittsche natürlich vorneweg, Volkes Stimme aus der Imbissbude und längst ein Klassiker.

Schorsch Aigner, ebenso eine Kunstfigur, liegt die verwegene Annahme zu Grunde, dass Deutschlands Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer in all den Jahren seiner Omnipräsenz nicht allein unterwegs gewesen sein kann. Vor allem rund um die WM 2006 schien es, als säße er schon wieder im Hubschrauber, während er noch auf der Tribüne ein Tor bejubelte. Das Geheimnis: Aigner als sein Doppelgänger war immer dann Beckenbauer, wenn Beckenbauer gerade woanders sein musste. In dieser Mission, die ARD enthüllte das bereits in einer satirischen Dokumentation im Sommer, vertrat Beckenbauers Alter Ego den Kaiser einst sogar auf dem Fußballfeld (daher die legendären Eigentore), als Teamchef (beim Spaziergang über den Rasen von Rom) und eben bei den Goodwill-Reisen vor der WM, um die Deutschland warb.

In dieser Rolle nun habe er, Aigner, so gesteht er im Flugzeug auf der Flucht vor Medien und Steuerfahndern, den ganzen Schlamassel mit den 6,7 Millionen Euro beim DFB angerichtet. Weil er sich während eines Besuchs in der Wüste gegenüber Scheich Bin Hammam, einer finsteren Gestalt des Weltfußballs, verplappert habe und seine Identität als Beckenbauers Double aufgeflogen sei. Hammam habe ihm für sein Schweigen ein Geschäft angeboten, Wert: 6,7 Millionen Euro. Der Rest ist zu verwegen, um gekürzt zu werden, nur soviel: Der Deal klappte nicht, der Scheich wollte die Kohle zurück.

Dittrich schafft über den Umweg Aigner eine wunderbare Beckenbauer-Persiflage, verblüffend in der äußerlichen Ähnlichkeit, entlarvend in der kaiserlichen Rhetorik, die sich im Kleinen verliert und im Großen vage bleibt. Ein Kunststück, schnell hingezaubert.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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