Süddeutsche Zeitung

Satire in Deutschland:Wie Böhmermann alle an die Wand spielt

Triumph der Satire: Von der Wirkung, wie sie Böhmermanns Schmähgedicht verursacht hat, können andere Fernsehkabarettisten nur träumen.

Von Hilmar Klute

Ist es geschmacklos, rassistisch oder einfach nur frecher, schamverletzender Humor, der das Publikum herausfordert? Fest steht jedenfalls: Jan Böhmermann hat mit seinem Gedicht auf den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan viele Gemüter erhitzt. Moralisten und kulturelle Anstandshüter fordern eine Entschuldigung für die unerhörte Böhmermann-Volte.

Inzwischen ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft gegen den Komiker, außerdem ist seine Satire zum Fall für die Diplomatie geworden, denn sogar die Bundeskanzlerin schaltet sich ein und nennt Böhmermanns Gedicht "absichtlich verletzend". Zuletzt zeigte sich der ZDF-Satiriker selbst "erschüttert" und sagte seine Teilnahme an der Grimme-Preisverleihung ab. Böhmermann sollte in Marl für seinen #Varoufake ausgezeichnet werden.

Dem öden Humor Paroli bieten

Ärger auf höchster politischer Ebene wegen eines Spottgedichts? Eilfertige Distanzierungen des Senders und jetzt sogar noch rechtliche Konsequenzen? Von einer solchen Wirkung können Deutschlands Fernsehkabarettisten nur träumen. Die genügen sich seit Jahrzehnten selbst mit lächerlichen Gratiswitzchen und glauben ganz ernsthaft, politisch zu sein, wenn sie nur den Namen der Kanzlerin aussprechen.

Plötzlich kommt ein junger Komiker, der mit dem alten Kram nichts mehr am Hut hat und alle an die Wand spielt, die für den schlechten Zustand der Satire in Deutschland verantwortlich sind. Dabei bieten Jan Böhmermann und andere junge Kabarettisten dem alten, vorhersehbaren und öden Humor im deutschen Fernsehen Paroli - und sie fordern die Denkgewohnheiten der Zuschauer erfrischend heraus.

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SZ.de/cag/holz
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