Satire:Haben Sie eigentlich ein King-Size-Bed, Prinz Charles?

Peter Klien

"Willkommen Österreich"-Außenreporter Peter Klien: "Mister Orbán, how do you like it in the West?"

(Foto: Ingo Pertramer)

Der Kabarettist Peter Klien stellt für "Willkommen Österreich" die blödesten und pointiertesten Fragen. Kanzler Kurz flüchtet regelmäßig vor ihm. Ein Treffen.

Von Lina Paulitsch

Peter Klien erscheint adrett und höflich in einem Wiener Kaffeehaus, fast schon verdächtig unscheinbar. "Man sagt Kli-en. Mit getrennten Silben. Nicht 'clean'." Sein Blick ist ernst, er spricht ruhig und artikuliert, die Stirn bedeutungsvoll in Falten. So sieht ein Wiener "Schmähtandler" aus? Irgendwie ist es schwer vorstellbar, dass derselbe integere Mann einst Prinz Charles fragte, ob er über ein "King size bed" verfüge. Oder beim EU-Gipfel in Salzburg dem ungarischen Premier höflich das Mikro hinstreckte: "Mister Orbán, how do you like it in the West?"

Diese Szenen, ausgestrahlt in der österreichischen Late-Night-Show Willkommen Österreich, sorgten für schallendes Gelächter beim Fernsehpublikum. Ihr Protagonist: Peter Klien, 48, kabarettistischer Quereinsteiger, selbsternannter "Reporter ohne Grenzen" für die Sendung des bekannten deutsch-österreichischen Satirikerduos Dirk Stermann und Christoph Grissemann. Seit 2016 verschreckt er österreichische Politiker auf politischen Veranstaltungen mit sehr pointierten, sehr blöden Fragen. Innenminister Kickl rempelte ihn aus dem Bild, Kanzler Kurz antwortete lieber gar nicht. Für die Einschaltquote war das von Vorteil. Und ebenso für Klien, der von Herbst an eine eigene Politsatire-Sendung im ORF moderieren wird. Titel: Gute Nacht, Österreich.

Humoristisch setzt Klien auf eine Mischung, für die er sich nicht groß verkleiden muss: seriös, unauffällig, mit ORF-Mikro in der Hand. Sein Ziel: Entsprechende Antworten auf die absurdesten Fragen. Und das funktioniert deshalb, weil man einem derart ernsthaften Menschen keine Blödelei zutraut, wenn er eine aufgedonnerte weibliche Besucherin am Opernball fragt: "Sie können sich die schönsten Kleider leisten, darf ich Sie fragen: Wieso haben Sie es nicht getan?" Das ist natürlich bitterböse, schön österreichisch und sehr lustig. Ein bisschen zu zündeln, die Gemüter der Mächtigen und Reichen zu erhitzen, das mache ihm schon großen Spaß, wie er selbst sagt. "Ich sehe das dann durch ein größeres Anliegen gerechtfertigt."

Platt ist sein Humor jedenfalls nicht, vielleicht auch, weil Klien im Kabarettfach eigentlich ein Spätzünder ist. Sein Lebensweg wirkt nicht sehr geradlinig, wenn er zu erzählen beginnt: Er "mäanderte", wie man in der Geografie zu einem sich schlängelnden Bach sagt, nahm für den Weg ins TV-Studio einige Umleitungen und Nebenwege. Wer ihn geprägt habe? Er zögert nicht lange: "Sokrates!" - und ein bisschen blitzt ihm jetzt doch der Schalk aus den Augen. "Auch Sokrates ist den Leuten mit einfachen Fragen auf die Nerven gegangen."

Klien ist eigentlich studierter Philosoph, Altphilologe und seit mehreren Jahren als Lektor an der Universität Wien beschäftigt, wo er eine Vorlesung zu griechischer Philosophie hält. Gar nicht so abwegig, die vielen philosophischen Schriften zu Rhetorik und logischer Argumentation schärfen die Fähigkeiten als Interviewer. Und dass man Philosophie auch lustig finden kann, war Thema seiner Diplomarbeit: Lukian, antiker Satiriker, karikierte in seinen Schriften die einflussreichsten Philosophen als "Kasperlfiguren", nahm ihre Thesen aber trotzdem ernst. Das entspricht auch dem Selbstverständnis Kliens: "Ich möchte nicht den Politikerstand als Ganzes lächerlich machen, sondern politische Missstände aufzeigen. Gute Satire bewahrt die Würde ihrer Opfer."

Aufgewachsen im Wiener Stadtteil Hütteldorf war er neben dem Studium jahrelang als Systembibliothekar tätig. Ein ziemlich trockener Terminus, unter dem man sich auch auf Nachfrage nichts vorstellen kann: "Viel mit Daten." Klingt schon nerdig, Klien nickt. Später arbeitete er als Pressesprecher des Österreichischen Bibliothekenverbundes, absolvierte aber auch eine Schauspielausbildung und schrieb satirische Wochenrückblicke für ein Magazin. Sich im "Philosophiekammerl" zu verbarrikadieren reizte ihn dann doch zu wenig. Ernst und Komik, das Seriöse und das Unseriöse - die beiden Charakterseiten prallten in diesen Jahren immer wieder aufeinander. "Letztlich wollte ich nicht auf den Kick verzichten, den einem die Bühne gibt", erzählt Klien. Die Lust überwog, sich selbst nicht so ernst zu nehmen, Selbstironie zu zeigen. Erst spät, mit knapp 40 Jahren, trat er das erste Mal als Kabarettist auf, ausgerechnet bei einem Nachwuchsbewerb. Und den gewann er auch, trotz bereits ergrautem Haar.

Kanzler Kurz eilt stumm davon, sobald er Klien mit dem Mikro erblickt

Entscheidend war aber ein anderer Abend, ein paar Jahre später: Auf einer Wiener Kabarettbühne entdeckte ihn ein ORF-Redakteur für Willkommen Österreich, wo er zunächst als Gag-Schreiber engagiert war, bis man ihn zum Außenreporter beförderte. Das war 2016, bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl, die von einer stark polarisierten, aufgeheizten Stimmung der Bevölkerung geprägt war. Wahlvölkchen und Politiker wollten also besonders geistreich sein, intelligente und überlegte Antworten auf die Fragen des Reporters finden. Etwa als Klien zwei Politikern vorschlug, die Schwarzen und die Roten zu den "Schwoten" zu fusionieren (Sozialdemokraten und Christlich-Konservative seien ja eh schon kaum mehr zu unterscheiden). Auch wenn Klien mittlerweile wiedererkannt wird, sind seine Reportagen ungebrochen beliebt, vor allem beim jungen Publikum trifft er einen Nerv.

Nur der sonst so betont "fesch" und glatt auftretende Bundeskanzler Sebastian Kurz ist bis dato geflohen, sobald er den Reporter mit Mikro erblickt hatte. Der ließ sich nicht abwimmeln und teilte dem stumm eilenden Kanzler siegesreich mit: "Durch mich wissen Sie jetzt wenigstens, wie es ist, ein Flüchtling zu sein!"

Vermutlich wird Kurz auch in Kliens kommender Infotainment-Sendung nur von hinten abgefilmt werden. Aussagekräftig ist das trotzdem: "Vielleicht kommt durch das satirische Fragen eine andere Wahrheit ans Licht. Man erlebt Politiker hier auf eine Art und Weise, wie man sie im normalen journalistischen Kontext nicht sehen kann, von einer menschlichen, spontanen Seite", sagt Klien. So oder so: Manchmal braucht es, ganz spontan, die ein oder andere Abzweigung, am Karriereweg. Und immer ein bisschen Selbstironie. Ganz ernsthaft.

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