Satire-Beitrag der BR-Volontäre:Weckruf aus den eigenen Reihen

Die Zuschauer sterben weg und die Jungen zieht es eher in den Park als vor den Fernseher: Dieses - nicht ganz ernst gemeinte - Schreckensszenario entwerfen die Volontäre des Bayerischen Rundfunks in ihrem Abschiedsfilm. Und zeigen ihrem Arbeitgeber auch gleich, wie es besser geht.

Vanessa Steinmetz

Für Erna T. kam jede Hilfe zu spät. In einem Fernsehsessel ist nur noch ihr Skelett zu sehen, zwischen den Fingern sind schon Spinnweben gespannt, um die Gebeine und den Fernseher herum führt ein rot-weißes Absperrband der Polizei. "Völlig unerwartet riss es die 103-Jährige aus dem Leben", wird die trostlose TV-Szene von einer Stimme aus dem Off kommentiert.

Schlimmer noch: Mit Erna T. sei nun eine der letzten Stammzuschauerinnen des Vorabendprogramms des Bayerischen Rundfunks verstorben, "der doch so bekannt ist für sein junges und frisches Programm." Selbst vor dem großen BR mache das "Zuschauersterben" also keinen Halt, kommentiert der Brennpunkt-Moderator den Einspieler.

Das Dilemma des immergleichen Hochglanz-Programms für eine überalternde Zuschauergruppe haben die Volontäre des Senders mit Selbstironie und schwarzem Humor in ihrem Abschiedsfilm thematisiert, der im BR-Channel bei Youtube zu sehen ist. Mit Skelett-Grafiken, Statistiken und bunten Einspielern illustrieren sie das fiktive Schreckensszenario, das den BR ereilen könnte, wenn er sich künftig nicht stärker auf jüngere Formate und Zielgruppen einlässt.

Eigentlich war das Video als Abschieds-Gag gedacht und sollte nur intern gezeigt werden - die Verantwortlichen des sonst eher konservativen Senders zeigten sich aber überraschend kritikfähig und verbreiteten das Video via Twitter weiter. "Selten habe ich eine so lustige und zugleich liebevolle Auseinandersetzung mit unserer Realität gesehen. Gerne mehr davon", kommentiert Fernsehdirektorin Bettina Reitz den siebeneinhalb-minütigen Film.

Check im Check

Der BR-Nachwuchs ist nicht der einzige, der ironisch die Schwachpunkte seines gebührenfinanzierten Arbeitgebers anprangert: Beim Norddeutschen Rundfunk beispielsweise werden die Checksendungen der ARD, bei denen unter anderem Glaubwürdigkeit und Fairness großer Konzerne mittels Tests und Experten überprüft werden sollen, in der Satiresendung "Extra 3" veralbert - und selbst einem Check unterzogen.

Auch in der Heute Show im ZDF ist die Selbstironie Teil des Programms. So erklärt Komödiantin Martina Hill alias Tina Hausten vergangenes Jahr in einem Sketch, die ARD plane eine Programmoffensive, um dem Zweiten die Rentner abzugraben. "Das können die doch nicht machen", echauffiert sich Moderator Oliver Welke. "Wer soll uns denn dann noch gucken? Tiere? Zimmerpflanzen?"

Besser selbst

Doch was folgt nach der Satire? Dass aus dem BR kein hipper Musiksender wird, sei klar, sagt der ehemalige BR-Volontär Wolfgang Kerler, der die Satire-Sendung moderiert hat. An Potenzial fehle es dem Sender nicht - laut einer fiktiven Umfrage aus ihrem "Sonder-Brennpunkt" sagt ohnehin die Mehrheit, dass es die Volontäre seien, die den Laden noch retten könnten.

Die haben die Forderung nach urbaneren Geschichten und mutigen Formaten in der Dokumentation "Die Straße, in der du wohnst", die am 4. September beim BR ausgestrahlt wurde, schon umgesetzt. Konzept der Sendung ist, außergewöhnliche Geschichten und Menschen vorzustellen, die alle aus einer Straße kommen, der Schwanthalerstraße in München. Über eine Fortsetzung des Projektes wird nach Angaben der Pressestelle gerade gesprochen.

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