Sat 1 stellt Harald-Schmidt-Show ein:Sturz des Großmeisters

Harald Schmidt ist die deutsche Late Night. Ohne ihn gäbe es dieses Format hierzulande nicht. Doch die Zeiten sind vorbei, in denen man seine Gags wie Bibelsprüche empfing und sich auf ihn als kleinsten gemeinsamen Nenner eines deutschen Humors einigte. Sat 1 stellt seine Show nun ein. Es könnte ein Abschied für immer sein.

Hans Hoff

An diesem Dienstag wurde Harald Schmidt in seiner Show ein bisschen präsidial. "Frage nicht, was dein Sender für dich tun kann, frage, was du für deinen Sender tun kannst", sagte er und schenkte seinem Arbeitgeber ein Maskottchen: "Das Sateinselmännchen". Zu sehen gab es eine verfettete Mainzelmännchen-Karikatur, die sich das Fernsehbier derart über den Dickbauch kotzte, dass kurz die Farben des Senderlogos aufleuchteten. Dazu ertönte ein neuer Werbespruch: "Sat 1 - wenn die anderen feiern."

Sat 1 stellt Harald-Schmidt-Show ein: Was der 54-Jährige nun tun wird, bleibt offen. Auf Kabaretttour gehen? Galas moderieren? Zum ZDF gehen?

Was der 54-Jährige nun tun wird, bleibt offen. Auf Kabaretttour gehen? Galas moderieren? Zum ZDF gehen?

(Foto: Sat 1)

Kurz danach wurde dann deutlich, dass dieser Einlage ein gewisser Symbolwert zugeordnet werden kann. Schließlich flankierte der Gag just jene Gespräche, in denen es um die Frage ging, welche Zukunft Harald Schmidt bei Sat 1 haben würde. Die Antwort fiel ernüchternd aus: keine. Wenn sich Schmidt am 3. Mai in die Sommerpause verabschiedet, dann ist es ein Abschied für immer - jedenfalls von seiner Late-Night-Show bei Sat 1.

"Harald Schmidt ist für mich persönlich Late Night der Extraklasse. Doch auch die Erhöhung der wöchentlichen Frequenz auf drei Ausgaben hat die Fangemeinde leider nicht ausreichend erweitern können", ließ Sat 1-Geschäftsführer Joachim Kosack danach verlauten. Noch Ende vergangener Woche hatte Kosack ganz anders geklungen. Auf Anfrage, ob das Gerücht stimme, dass Schmidt nach Ostern nicht mehr zurückkehre, beschwichtigte er eilig. Nein, nein, es gebe nur eine lange geplante Osterpause.

Dass die Verhandlungen nicht ohne Brisanz verlaufen sind, kann man einer Aussage von Schmidts Geschäftspartner Fred Kogel entnehmen. "Die Sendungen waren gut, die Quoten waren es insgesamt noch nicht. Eine tägliche Late Night Show braucht entsprechende Rahmenbedingungen und vor allem Zeit. Wenn man darüber keine Einigung erzielen kann, hört man besser auf", ließ er verlauten. Viel deutlicher kann man kaum sagen, dass man mit dem Ergebnis höchst unzufrieden ist.

Es gibt Menschen, die sagen, Schmidt sei in seinen jüngsten Sat-1-Sendungen inhaltlich häufiger richtig gut gewesen. Er habe immer wieder mal, auch im Zusammenspiel mit wechselnden Sidekicks, so etwas wie Feuer und Begeisterung gezeigt. Es gibt mindestens ebenso viele Menschen, die genau das Gegenteil behaupten. Die Zeiten, in denen es möglich war, sich auf Schmidt als kleinsten gemeinsamen Nenner eines deutschen Humors zu einigen, sind auf jeden Fall vorbei. Schmidt ist die Generation abhanden gekommen, die es gewohnt war, seine Gags wie Bibelsprüche zu empfangen.

Rückkehr ins Sat-1-Lager klang wie eine Befreiung

Harald Schmidt hat die Late Night Show einst für Deutschland durchgesetzt. Viele haben versucht, das nachzumachen, alle sind gescheitert, aber ohne ihn wäre auch eine Sendung wie Oliver Welkes Heute show im ZDF nicht denkbar. Schmidt hat die Late Night bei Sat 1 zu höchsten Höhen geführt. Er hatte auch Tiefpunkte, zum Beispiel bei der ARD, wo sich lustlose Auftritte fügten ins öffentlich-rechtliche System einer institutionalisierten Gedankenarmut. Die Nachricht von seiner Rückkehr ins Sat-1-Lager klang wie eine Befreiung. Er würde, konnte man denken, jetzt wieder zur alten Form auflaufen. Dass Schmidt jedenfalls so schnell wieder richtig frei sein würde, war eigentlich nicht zu erwarten.

Was der 54-Jährige nun tun wird, bleibt offen. Auf Kabaretttour gehen? Galas moderieren? Zum ZDF gehen? Zurück zur ARD wird es für ihn kaum gehen. Dort hat man derzeit ohnehin genug zu tun mit einer anderen Show, Gottschalk live, die ähnlich euphorisch begonnen wurde wie Schmidt bei Sat 1. Thomas Gottschalk dürfte über das Ende von Schmidt weniger erfreut sein, als man meinen könnte, wenn man an die gehässigen Anspielungen denkt, die Schmidt regelmäßig auf die Quoten von Gottschalk live los ließ. Durchaus denkbar ist, dass nach dem Sturz des einen Großmeisters nun auch über Thomas Gottschalk rücksichtsloser diskutiert wird im ARD-Kreis. Interessant bleibt allenfalls noch die Frage, wer von beiden früher vom Schirm verschwindet.

Für Sat 1 ist der Schmidt-Abschied ein deutliches Zeichen. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Investoren bedenkenlos Geld in den kriselnden Sender pumpten. Ganz offensichtlich werden Etats wieder eingedampft. Schmidt war das Zeichen, dass sich Sat 1 etwas leisten wollte, etwas leisten konnte. Schmidt war gut für den Ruf, nie ging es nur um die Quote.

Und was sagt Schmidt selbst? In der Pressemitteilung ist er nur mit einem Wort vertreten, das nach für ihn ungewohnten Emotionsbekundung klingt: "Schade."

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