Sat1-Chef Andreas Bartl im Gespräch:"Der Dschungel hat uns den Start verhagelt"

Andreas Bartl will mit Fiktion die Quoten von Sat 1 aufbessern. Ein Gespräch über Oliver Pocher, Harald Schmidt und die Konkurrenz.

Christopher Keil

Mitte Januar des vergangenen Jahres übernahm Andreas Bartl, 48, die Geschäftsführung von Sat1. Bartl, der Fernsehvorstand der Pro Sieben Sat 1 Media AG ist, traute Guido Bolten nicht mehr zu, den Hauptsender der Gruppe wieder näher an RTL heranzuführen. Dass er seither doppelte Verantwortung trägt und sich im Grunde selbst kontrollieren müsste, ist nicht unproblematisch. Sat1 will er nun wieder so ausrichten, wie Fred Kogel das als Geschäftsführer in den 90er Jahren getan hat. Nach seinem Magisterstudium (Amerikanistik, Politologie) hat Bartl zunächst als Filmredakteur bei einer Zeitschrift in München gearbeitet, Ende 2000 wurde er Geschäftsführer von Kabel 1, Ende 2005 von Pro Sieben. Seit Sommer 2008 ist er im Vorstand der Pro Sieben Sat1 Media AG.

ProSiebenSat.1 - Andreas Bartl

"Ich habe die Stimme von Harald Schmidt vermisst": Andreas Bartl setzt auf alte, erprobte Schwerpunkte, um den Sender Sat 1 wieder zum Erfolg zu führen

(Foto: dpa)

SZ: Herr Bartl, warum gibt es bei Sat 1 kein Dschungelcamp?

Andreas Bartl: Weil es bei RTL läuft. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir auch mal ein sehr komisches und spektakuläres Format, das in diese Richtung geht, bei Sat1 zeigen. Der natürlichere Sender für so eine Show wäre allerdings Pro Sieben, der mit seiner jungen Ausrichtung lauter und frecher sein kann. Eine Entscheidung haben wir gerade getroffen: Wir werden Die Alm zu Pro Sieben zurückbringen.

SZ: Promis in den Bergen statt Promis im Dschungel also. Wer soll moderieren?

Bartl: Das steht noch nicht fest, aber wir brauchen an der Stelle ein witziges Duo, das es mit Dirk Bach und Sonja Zietlow aus dem Dschungelcamp aufnehmen kann (2004 wurde Die Alm von Sonya Kraus und Elton präsentiert, d.Red.).

SZ: Lag es nur an den sehr hohen Quoten, die RTL im Januar mit dem Dschungelcamp erzielte, dass Sat 1 schlecht ins Jahr 2011 startete?

Bartl: Der Dschungel hat uns sicher den Start etwas verhagelt, und wir sind momentan einfach nicht auf der Flughöhe unterwegs, die wir uns vorgenommen hatten. Allerdings legen wir unseren Seasonstart mit den erfolgreichen Programmen - wie Die perfekte Minute, Der letzte Bulle und Danni Lowinski - in die Zeit, in der die Werbung auf High Season schaltet. Und das ist jetzt, im März. Deshalb bin ich kontrolliert optimistisch, dass wir schon im März an Flughöhe gewinnen. Und dann bleiben noch neun Monate, um den Rückstand aufzuholen.

SZ: Derzeit beträgt der durchschnittliche Jahreswert von Sat 1 10,3 Prozent. RTL liegt vorne. Als Sie vor beinahe einem Jahr Sat-1-Geschäftsführer wurden, war von einer stabilen Elf-Prozent-Situation die Rede.

Bartl: Und die Elf-Prozent-Marke haben wir 2010 ein paar Mal übersprungen. Es hat nicht ganz gereicht, weil wir von den großen Sportevents, den Olympischen Spielen und der Fußball-WM, beeinflusst waren. Trotzdem haben wir die Marktanteile in der Primetime gesteigert. Deshalb bin ich auch nicht unzufrieden.

SZ: Sprechen Sie jetzt als Sat-1-Geschäftsführer oder als Fernsehvorstand der Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe?

Bartl: Das ist schwer zu trennen.

SZ: Man will eigentlich wissen, wie der Fernsehvorstand die Arbeit des Sat-1-Geschäftsführers bewertet.

Bartl: Diese Bewertung ist natürlich confidential, das mache ich mit mir selbst aus. Aber klar: Mit manchem bin ich zufrieden bei Sat 1, mit manchem nicht.

SZ: Was war schlecht?

Bartl: Uns fehlt bei Sat 1 hin und wieder die Konstanz.

SZ: Und was lief gut?

Bartl: Wir haben Sat1 mit unseren Events wieder auf die Agenda gebracht: Die Wanderhure, Säulen der Erde. Es ist lange her, dass Sat1 den erfolgreichsten TV-Movie des Jahres hatte. Und die Daytime hat wieder angezogen, im Wesentlichen durch die Auffrischung der Gerichtsshows.

SZ: Was bedeutet vor diesem Hintergrund die Personalie Joachim Kosack, der Fiktion-Chef ist und den Sie nun zu Ihrem Stellvertreter machten?

Bartl: Für Sat 1 ist die deutsche Fiktion unter allen Privatsendern am wichtigsten. Und da habe ich in Joachim Kosack jemanden, der uns weit vorangebracht hat, nicht nur beim Dienstagsfilm, sondern auch bei den Serien. Er ist einer der allerbesten in meinem Team, und er wird mich noch stärker unterstützen. Die Aufgabe, Fernsehvorstand im Konzern und Geschäftsführer eines Senders zu sein, ist ja nur für einen bestimmten Zeitraum allein durchführbar.

SZ: Der Sport hat bei Sat 1 inzwischen wieder eine breite Programmfläche mit den Live-Spielen der europäischen Club-Wettbewerbe und ihrem Engagment bei Felix Sturm, dem Boxer. Wollen Sie das ausbauen? Die Deutsche Fußball-Liga bietet ja möglicherweise bei der nächsten Bundesligarechtevergabe ein Paket ohne Sportschau an, das hieße, dass es eine Free-TV-Ausstrahlung erst nach 22 Uhr an den Samstagen gäbe. Wäre das für ran, die Sat-1-Sportsendung, interessant?

Bartl: Spitzenfußball ist immer interessant und wir werden uns das genau anschauen. Wir sind zufrieden mit dem, was wir haben. Die Champions League hatte 2010, auch dank des FC Bayern München, der sich hoffentlich in der nächsten Woche für das Viertelfinale qualifizieren wird, einen durchschnittlichen Marktanteil von über 20 Prozent gehabt. Das gab es lange nicht.

SZ: Harald Schmidt kommt zurück, Fußball wirkt prägend, der Eventfilm ist etabliert: Eigentlich setzt Sat 1 wieder genau die Schwerpunkte, die die Geschäftsführer Fred Kogel und danach Martin Hoffmann bis 2003 setzten.

Bartl: Das sehen Sie nicht falsch. Ich will Sat 1 zu seinen ursprünglichen Stärken zurückführen, weil sich der Sender damals gut positioniert hatte und erfolgreich war. Nun machen wir die moderne Variante.

"Es fehlt die Konstanz"

SZ: Also das Gleiche für weniger Geld?

Bartl: Nein. Wir bringen die Kern-Genres klarer zur Geltung und fügen neue Genres wie Entertaining Reality ein.

SZ: Zum Sat-1-Kern gehört auch Nur die Liebe zählt mit Kai Pflaume. Nun hat Pflaume gesagt, er hört mit Nur die Liebe zählt auf. Planen Sie noch mit ihm oder ist er an die ARD verloren?

Bartl: Gegenwärtig planen wir keine weiteren Formate mit ihm, aber ich sage niemals nie. Das Format Nur die Liebe zählt soll aber weiter laufen.

SZ: Was erwarten Sie von Harald Schmidt, der von Herbst an wieder bei Sat1 auftritt?

Bartl: Harald Schmidt soll uns Relevanz in der Late Night zurückgeben. Er ist die Instanz der Late Night in der Art, wie er sie macht. Stefan Raab verfolgt ja ein anderes Konzept. Ich habe die Stimme von Harald Schmidt, die den Tag in einem Bogen von Kultur bis Politik einordnet, vermisst. Außerdem ist er ein zusätzliches Sendergesicht, das uns steht.

SZ: Wie stellen Sie dann Oliver Pocher auf?

Bartl: Wir sprechen gerade mit ihm über die Zukunft. Ich halte ihn für einen kreativen Künstler, leider hat seine Late Night bei Sat 1 nicht funktioniert. Aber wir haben ja eine Senderfamilie, ich kann mir ein Engagement bei einem anderen Sender in unserer Gruppe vorstellen. Das ist noch offen, aber wir wollen mit ihm weiter arbeiten.

SZ: Wollten Sie nicht nach dem Verkauf von N 24 den Verlust des Nachrichtensenders durch mehr nachrichtliche Relevanz im Programm steigern? Außer der politischen Talkshow mit Claus Strunz, die noch im März beginnt, ist keine News-Excellence-Offensive erkennbar.

Bartl: Ich fasse den Nachrichtenbegriff weiter als der eine oder andere Medienpolitiker. Mir ist daran gelegen, bei Sat 1 in der späten Stunde eine Infoschiene aufzubauen von Montag bis Donnerstag, was wir tun. Wir haben die politische Talkshow, die Spiegel- und Focus-TV-Reportagen und Planetopia am Montag. Dazu kommen die Akte am Dienstag, Ermittlungsakte am Mittwoch, Kerner am Donnerstag. Und unsere Nachrichten sind seit dem Verkauf von N 24 nicht schlechter geworden.

SZ: Akte ist eine Informationssendung im Sinne von Nachrichtengebung?

Bartl: Für Nachrichten im Sinne von Information: ja.

SZ: Aktuell bietet die Akte-Homepage nackte Brüste, mit der das Thema "Pfusch bei der Brust-OP" beworben wird, es gibt Verbraucher-Tipps zu Strom, Gas, Telefon, dann geht es um "Heim abgebrannt und die Versicherung zahlt nicht" und "Albtraum Schimmel" in der Wohnung.

Bartl: Verbraucherinformation ist auch Information. Ich glaube, dass die Lebenswirklichkeit der Zuschauer den Informationsbegriff weiter fasst als nur politische Information.

SZ: Am Ende müssen Sie aufpassen, dass die Harald Schmidt Show nicht Ihre beste Informationssendung wird.

Bartl: Harald Schmidt ist ein großer Kommentator des aktuellen Geschehens und wenn seine Show als Informationssendung eine größere Rolle spielt, habe ich nichts dagegen.

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