Süddeutsche Zeitung

Sat 1: Neuzugang von der ARD:Schmidtchen Schleicher

Aus dem Leben einer "Mediennutte": Harald Schmidt kehrt von der ARD zurück zu Sat 1. Dort hoffen die Investoren auf ein wenig alten Glanz des zuletzt oft müde wirkenden Entertainers.

Hans-Jürgen Jakobs

Ein Entertainer wie Harald Schmidt lebt von tatsächlichen oder vermeintlichen Tabubrüchen. Die Verbalentgleisung gehört zum Programm. Und so hat sich der TV-Komödiant, der auch als Schauspieler arbeitet, selbst frühzeitig als "Mediennutte" bezeichnet.

Dafür gibt es keinen Preis der Gesellschaft für deutsche Sprache, aber der Terminus legt eine rechtschaffen kapitalistische Arbeitsauffassung nahe. Wem sein Brot ich ess, dem sein Lied ich sing, soll das heißen.

Für seine Zoten und Sprüche hat Harald Schmidt, 52, nun einen neuen Bezahler gefunden, einen neuen Brotgeber, der sein alter ist: Der Mann wechselt von der ARD zu Sat 1 zurück und wird dort von September 2011 an zweimal wöchentlich auf Sendung gehen.

Solche Nachrichten liebt das Gewerbe: Der Künstler kehrt zur Stätte zurück, an der er einst seine schönsten Erfolge hatte. Als Schmidt mit seiner Late-Night-Show bereits zwischen 1995 und 2003 für den Privatsender arbeitete, galt er als intellektuelles Zierblatt einer verflachenden Republik. Da schaltete sogar der Akademiker ins Kommerzprogramm. Die Feuilletons liebten ihn, den Gottseibeiuns des Quotenfernsehens.

Die seinerzeitigen Matadoren -Geschäftsführer Fred Kogel und Eigentümer Leo Kirch - waren ihm ans Herz gewachsen. Mit den jetzigen Besitzern, den "Heuschrecken" KKR und Permira, verbindet ihn zwar wenig mehr als sehr gesunder Erwerbssinn, auf der anderen Seite aber war es im Ersten Programm zunehmend aufgefallen, wie ausgelaugt der Pointenschürfer in Wahrheit ist. Er musste dort weg.

Zumal die ARD sich für die Spielzeit 2011 ein neues Programmschema ausgedacht hat, mit Günther Jauch als Sonntags-Talker und einer täglichen Talkshowleiste. Für Schmidt war das Schmidteinander vorbei. Die Mehrausgaben für Jauch müssen eingespart werden, und sei es auf Kosten von dessen Freund Schmidt.

Der Late-Night-Mann hat seine alten Fürsprecher verloren. Leute wie den ARD-Programmdirektor Günter Struve oder die Intendanten Fritz Pleitgen (WDR) und Jobst Plog (NDR). Sie sahen ihn gerne im Programme, auch als Begleiter von Waldemar Hartmann in Waldi & Harry.

Für die Nachfolger ist Harald Schmidt jemand, der mit oft müden Sendungen manchmal nicht einmal mehr eine Million Zuschauer schafft. Ein Harry ohne Biss. Einer, der als lustlos gilt, ein Non-Provokateur, der dafür gut bezahlt wird. Einer, über den man nicht mehr spricht - anders als über Oliver Welke und seine heute-show im ZDF.

Bei Sat 1 spielte er früher Theaterstücke mit Playmobil-Figuren nach, was für ein Spaß. Als er in der ARD vor mehr als einem Jahr eine Szene aus der Blechtrommel zum Besten gab, winkten die meisten frustriert ab. Der Literaturkenner hatte Brausepulver, mit der Spucke des meisters angereichert, aus dem Bauchnabel der formschönen Ex-Freundin Oliver Pochers geschleckt.

Mit jenem Pocher hat er in der ARD eine Zeitlang Schmidt & Pocher veranstaltet, jetzt ist der junge Kollege bei jenem Sender, zu dem Schmidt will, bei Sat 1. In der ARD war eine leitende Mitarbeit beim Satire-Gipfel im Gespräch gewesen, doch da erregt der Spaßmacher lieber noch einmal mit einem Senderwechsel Aufmerksamkeit.

ARD-Programmchef Volker Herres kommentiert: "Harald Schmidt steht bis Sommer 2011 bei uns unter Vertrag. Es war geplant, über eine Fortsetzung in den nächsten Wochen zu sprechen. Den Entschluss von Harald Schmidt, ab Herbst 2011 zu Sat.1 zu wechseln, bedauern wir. Denn wir haben seit 2005 sehr gerne und erfolgreich mit ihm zusammengearbeitet und hätten uns gut vorstellen können, diese Zusammenarbeit fortzusetzen."

Der amtierende ARD-Vorsitzende PeterBoudgoust jedoch hatte beizeiten Klartext geredet: "Wenn etwas nicht funktioniert, gehen wir vor wie der Bundestrainer und besetzen um."

Künftig wird Schmidts Sendung zweimal wöchentlich auf Sat 1 zur gewohnten Zeit um 23:15 Uhr zu sehen sein. Schmidt hat einen Vertrag auf zwei Jahre bis Sommer 2013. Darauf einigte sich Sat 1 mit Schmidt und seinem alten Kumpel Kogel in der vergangenen Woche; die beiden sind in der Kogel & Schmidt GmbH vereint.

"Ablösefrei zum Champions-League-Sender - ein Traum! Jetzt will ich auch Kapitän werden!", witzelt Schmidt. Sat-1-Chef Andreas Bartl, der praktischerweise auch Vorstand Fernsehen der ProSiebenSat.1 Media AG ist, assistiert im Torjubel: "Endlich, der Meister kehrt zurück. Ich freue mich sehr, dass Harald Schmidt mit seiner Late-Night-Show wieder in Sat 1 zu sehen sein wird. Sie war über Jahre prägend für den Sender und daran wollen wir wieder anknüpfen!" Und Produzent Kogel meint: "Wir kehren mit der Harald-Schmidt-Show zur Sat-1-Familie zurück, worüber ich mich ganz besonders freue. Das Format ist bekannt und das gegenseitige Vertrauen ist groß - das hat auch die zügige Einigung bewiesen."

Das Konzept soll an die klassische Schmidt-Show der früheren Sat-1-Zeit anknüpfen - also mit tagesaktuellem Stand-up, Studioaktionen, Gästen und einer Band.

Manchmal muss die Erkenntnis erst noch reifen, dass alte Zeiten nicht einfach neue Zeiten sind. Und dass die Leute zum Schmidt gehen, nicht zum Schmidtchen.

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