Süddeutsche Zeitung

W&V: Sat.1-Chef Andreas Bartl:"Bei Oliver Pocher läuft es zäher"

Andreas Bartl will dem Konkurrenten RTL Marktanteile abjagen. Dafür setzt der Sat.1-Geschäftsführer auf deutsche Serien, Sport und Comedy.

Sigrid Eck

Andreas Bartl arbeitet seit 1991 bei Pro Sieben Sat.1. Seit Juni 2008 ist er Mitglied des Vorstands und verantwortlich für das Ressort Pro Sieben Sat.1 TV Deutschland. Dort sind die Sender Sat.1, Pro Sieben, Kabel eins und Sixx gebündelt. Zudem ist er Geschäftsführer des Senders Sat.1. Zuvor war er unter anderem Chef von Pro Sieben.

W&V: Entertainer Harald Schmidt kommt dieses Jahr zurück zu Sat.1. Haben Sie ihn schon getroffen?

Andreas Bartl: Bereits mehrfach. Aber erst nach Ablauf seines Vertrages bei der ARD werden wir intensiv mit ihm arbeiten. Ich sehe, dass er in seiner Sendung in guter Form ist.

W&V: Was erwarten Sie von ihm?

Bartl: Er bringt Sat.1 die Relevanz im Genre Late Night zurück. Was er macht, kann in Deutschland keiner. Für mich ist Schmidt jemand, der sehr prägend für Sat.1 war. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass wir ihn wieder verpflichten konnten.

W&V: Nun haben Sie bereits zwei Show-Persönlichkeiten: Johannes B. Kerner und Oliver Pocher. Wie zufrieden sind Sie denn mit den beiden? Es lief ja nicht alles von Anfang an rund.

Bartl: Inhaltlich bin ich mit beiden zufrieden. Bei Kerner zeigt die Quotenkurve nach oben, er liefert regelmäßig zweistellige Marktanteile. Bei Oliver Pocher läuft es ein bisschen zäher, obwohl er auch eine gute Sendung macht. Für mich ist er das herausragendste Talent seiner Generation. Ab Anfang Februar geht seine Show weiter, wir hoffen, dass wir ihm mit Ladykracher und Pastewka ein besseres Lead-in geben können.

W&V: Noch einmal zurück zu Kerner: Hätten Sie mit der Aufregung gerechnet, die es gab, als er Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in Afghanistan interviewte?

Bartl: Wir haben ja selten ein Thema, das es bis in den deutschen Bundestag schafft. Die Sendung hat die Nation bewegt.

W&V: Ist eine Fortsetzung in ähnlicher Form denkbar?

Bartl: Grundsätzlich kann ich mir ein nationales oder politisches Thema mit Johannes B. Kerner vorstellen. Er besitzt die Relevanz und er hat die Kontakte zu den wichtigen Personen.

W&V: Im April 2010 gaben Sie sich kämpferisch und wollten Sat.1 zu alter Stärke zurückführen. Sie sagten: "Es ist Zeit für neues Fernsehen." Ihre Bilanz heute?

Bartl: Zeit für neues Fernsehen ist immer. Ich finde, wir haben im ersten Jahr sehr viel erreicht. Nicht alles hat geklappt, aber einen großen Sender zu drehen dauert auch seine Zeit. Was mir wichtig war: in den Kerngenres und den Kernkompetenzen zu alter Stärke zurückzukehren. Wir haben beispielsweise mit Der letzte Bulle und Danni Lowinski die deutsche Serie zurückgebracht ...

W&V: ... Letztgenannte ist jetzt in die USA verkauft worden.

Bartl: Richtig, das gab es noch nie. Aber auch in der Primetime haben wir mit den Familienshows Mein Mann kann und Die perfekte Minute gepunktet. Wir haben in der Primetime an sechs von sieben Tagen zugelegt. Die Voraussetzungen für Wachstum sind geschaffen. Die Basisarbeit ist getan, deshalb bin ich optimistisch, dass wir 2011 über die Elf-Prozent-Marke kommen.

W&V: Zwar hat vieles funktioniert, aber einiges doch nicht ...

Bartl: Gerade Deutschlands Meisterkoch hat besonders wehgetan, weil wir große Hoffnung in dieses Format gesetzt haben. Wir wollten im Genre Reality-Show einen Fußabdruck hinterlassen. Das ist uns leider nicht gelungen. Dennoch: Von unseren Neustarts hat gut die Hälfte funktioniert. Damit liegen wir über dem Branchenschnitt von wettbewerbsintensiven Märkten wie USA oder Deutschland. Trotzdem: Wir wollen mehr, wir wollen besser werden. Aber das braucht eine gewisse Zeit.

W&V: Vor Ihnen scheint eine Menge Arbeit zu liegen.

Bartl: Wir haben uns vorgenommen: mehr Eigenproduktionen in der Primetime. Denn die sind wichtig für das Profil des Senders. Außerdem brauchen wir in dieser Zeitschiene mehr Kontinuität. Bei Pro Sieben habe ich einmal das Motto "Seven nights to remember" ausgegeben. Ich habe mir erlaubt, das jetzt für Sat.1 zu übernehmen. Jeder einzelne Abend muss für den Zuschauer ein klares Bild ergeben. Und in der Daytime und Access-Prime wollen wir natürlich auch wachsen. Unsere Nachmittagsformate haben sich gut gehalten - trotz der starken Konkurrenz von RTL.

W&V: Doch von RTL sehen alle anderen Sender inzwischen nur noch die Rücklichter.

Bartl: Ich habe Respekt vor der Leistung von Anke Schäferkordt. Das ist ein Ansporn für uns, die Marktanteile, die uns RTL abgenommen hat, wieder zurückzuerobern.

W&V: Sie sprachen von Eigenproduktionen. Betrifft das auch Serien?

Bartl: Natürlich. Serien sind ein Kerngenre für Sat.1. Die zweiten Staffeln von Der letzte Bulle und Danni Lowinski sind sehr gut geworden. Zudem sind wir in der Entwicklung des zweiten Serienpakets. Unser Ziel ist es, am Montagabend durchgehend deutsche Serien zu programmieren. Zum Glück kommt deutsche Fiction - bei allen Sendern - wieder an.

W&V: Wie geht es nach dem Erfolg des Vierteilers Die Säulen der Erde mit den teuren Events weiter?

Bartl: Es gab eine Zeit, da hatte Sat.1 klar den herausragenden Film des Jahres, wie zum Beispiel Der Tunnel. Für uns war es wichtig, dass wir mit Die Säulen der Erde Marktanteile realisieren konnten, die keiner mehr Sat.1 zugetraut hätte. Das beweist: Die Eventpower ist vorhanden. Ich bin mir sicher, der Film Marco W. mit Veronica Ferres wird wieder so ein echter Event. Mit der Ken-Follett-Verfilmung Die Tore der Welt kommt 2012 der nächste Vierteiler. Und die Fortsetzung von Die Wanderhure produzieren wir bereits dieses Jahr. Die Wanderhure war der erfolgreichste Film im deutschen Fernsehen 2010 bei den 14- bis 49-Jährigen. Aus den Bereichen Mittelalter- und Frauenroman haben wir uns eine Reihe von Rechten gesichert.

W&V: Sat.1 kam 2010 zurück ins Relevant Set. Aber man hatte den Eindruck, die Konstanz fehlte.

Bartl: In diesem Jahr können wir auf sechs Formate zurückgreifen, die wieder zurückkommen. Damit starten wir auf einem ganz anderen Level als im vergangenen Jahr.

W&V: Was kommt denn wieder?

Bartl: Es gibt neue Staffeln der Shows Die perfekte Minute und Mein Mann kann. Bei beiden Formaten gibt es erstmals auch Promi-Specials. Dann haben wir ein Format von John de Mol gekauft. Die deutsche Version der Wissensshow heißt Ich liebe Deutschland - hier ist Allgemeinwissen rund um Deutschland gefragt.

W&V: Wie wichtig ist das Genre Comedy?

Bartl: Das werden wir ausbauen. Martina Hill bekommt ein eigenes Format im zweiten Halbjahr. Und wir arbeiten an einem Live-Comedy-Format. Was mir am Herzen liegt: Im ersten Halbjahr bringen wir Die Wochenshow zurück. Brainpool stellt gerade eine 2.0-Version auf die Beine. Nicht zu vergessen: Der Bastelkönig. Hier basteln Promis mit Kindern. Familienfreundlich ist ein wichtiges Adjektiv für Sat.1

W&V: Fällt der Sport auch unter familienfreundlich?

Bartl: Der Anteil an Sport-Programmstunden hat sich in den letzten zwei Jahren fast verdoppelt. Wir hatten 2010 bei der Champions League einen durchschnittlichen Marktanteil von 20,1 Prozent. Wir haben die Marke ran zurückgebracht, und jetzt wollen wir die Sportkompetenz ausbauen. Beim Boxen haben wir Felix Sturm für den zweiten Kampf verpflichtet. Im Februar kommt eine Show mit sportlichen Elementen: Die Winterspiele der Stars. Und wahrscheinlich zeigen wir auch die Sommerspiele. In der Sommerpause planen wir zudem ein serielles Format mit dem Arbeitstitel Deutschlands nächster Fußballstar. Hier suchen wir ein Team von Nachwuchsspielern und Profis, die zum Beispiel Pech durch eine Verletzung hatten. Sie werden von einem Expertenteam trainiert, spielen schließlich gegen einen Top-Bundesligaverein, und am Ende erhält einer der Spieler einen Profivertrag.

W&V: Früher war die Krimiserie Der Bulle von Tölz selbst in der x-ten Wiederholung ein Quotenrenner.

Bartl: Da wollen wir auch wieder hin. Denn neben den Serien arbeiten wir auch an Krimipiloten, wie zum Beispiel Hanna Mangold mit Anja Kling in der Hauptrolle. Wir wollen Krimireihen mit starken Charakteren in den Hauptrollen etablieren. Von den 90-Minütern wollen wir vier bis sechs Stück pro Jahr machen.

W&V: Sie haben doch am Sonntag schon einen Krimiabend.

Bartl: Den wir verstärken. Wir werden den Super-Serien-Sonntag ausrufen. Wir haben uns die Serie Hawaii 5.0 gesichert - den erfolgreichsten Serienneustart in den USA. Und die Anwaltsserie The Defenders mit James Belushi. Beide zeigen wir ab März im Anschluss an Navy CIS und The Mentalist. Damit haben wir "A night to remember". Das könnte ein echter Wachstumstreiber sein.

W&V: Nun soll es eine Polit-Talkshow mit Claus Strunz geben.

Bartl: Das Konzept heißt Eins gegen Eins und geht am 21. März auf Sendung. Darüber hinaus produziert und moderiert Ulrich Meyer, der jetzt seit 16 Jahren die Akte präsentiert, mit ErmittlungsAkte seine zweite wöchentliche Sendung. Außerdem hatten der Spiegel-Verlag und Johannes B. Kerner die Idee, die Spiegel-Bücher zum Thema Allgemeinwissen als Sendung zu konzipieren. Die große Show des Allgemeinwissens startet im ersten Halbjahr.

W&V: Als Sat.1 nach München gezogen ist, hat es in der Zusammenarbeit zwischen den drei Sendern geknirscht.

Bartl: Wir haben einen großen Schritt nach vorn gemacht. Retrospektiv betrachtet: Natürlich war es ein Kraftakt, Sat.1 zu integrieren. Aber wir sind unserem Ziel, mit der gleichen Intensität an vier verschiedenen Marken zu arbeiten, ein ganzes Stück näher gekommen. Für uns als Senderfamilie ist es Conditio sine qua non, dass wir alle Marken gleich gut können. Und das beweisen wir täglich.

W&V: Bei all den Plänen: Werden Sie Personal einstellen?

Bartl: Punktuell will ich das nicht ausschließen. Beim Stichwort Personal dachte ich schon, Sie wollten fragen, ob wir noch mehr Leute von RTL holen (lacht).

W&V: Sie haben doch schon zwei dicke Fische an Land gezogen.

Bartl: Wir haben mit Klaus Henning und Sascha Naujoks zwei hoch kompetente Neuzugänge. Ich freue mich sehr, dass sie unser Team verstärken werden. Lassen Sie mich noch eines grundsätzlich sagen: Unser Ziel ist es, Sat.1 neu zu bauen. Das Motto für das neue Jahrzehnt heißt deshalb: Sat.1 2.0.

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W&V 04/2011/tiq
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