Süddeutsche Zeitung

Riga:Exilsender verliert Lizenz

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Lettland wirft den Kreml-Kritikern von TV Rain ausgerechnet Unterstützung des Krieges vor.

Von Sonja Zekri

Lettland hat dem unabhängigen russischen Sender TV Rain die Lizenz entzogen. Damit eskalieren die Spannungen zwischen der lettischen Öffentlichkeit und den Journalistinnen und Journalisten, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine aus Russland geflohen waren und seit Juli aus Riga senden.

Anlass des Konfliktes war eine Sendung über die russische Mobilisierung. Der Moderator Alexej Korostelew hatte die Zuschauer aufgerufen, Informationen über die unzureichende Versorgung der Soldaten an den Sender zu schicken, und hinzugefügt: "Wir hoffen, dass wir vielen Soldaten helfen können, beispielsweise mit Ausrüstung oder grundlegenden Annehmlichkeiten an der Front." Korostelew wurde inzwischen entlassen, Chefredakteur Tichon Dsjadko betonte schriftlich und in einer Erklärung an die Zuschauer, die Äußerung des Moderators sei ein "Versprecher" gewesen, der Sender habe nie den Krieg unterstützt und werde es nie tun.

Die Empörung war dennoch riesig. Der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks schrieb auf Twitter, der Sender solle nach Russland ziehen, und drohte: "Unsere Geduld ist am Ende." Der lettische Geheimdienst ermittelt. In den sozialen Medien zählen Balten und Ukrainer frühere Verfehlungen auf: Dass TV Rain auf einer eingeblendeten Karte die Krim nicht als ukrainisches Territorium eingezeichnet hatte, dass es keine lettischen Untertitel gibt, dass einmal von "unserer Armee" die Rede war, als es um die russischen Streitkräfte ging. Bereits im Sommer hatte ein Interview mit dem Bürgermeister von Riga über die Demontage eines Sowjetdenkmals die Letten aufgebracht. Nun sehen sich viele darin bestätigt, dass TV Rain imperialistisch und gefährlich ist.

Der Fall ist exemplarisch für das Dilemma der russischen Exil-Medien, unter denen TV Rain, auf Russisch TV Doschd, der einflussreichste Kanal ist. Wie erreichen sie oppositionsferne Schichten in Russland, ohne die Kriegsschuld zu beschönigen?

Vom 8. Dezember an kann der Sender nur noch über Youtube und andere Social-Media-Kanäle empfangen werden. Eine Spendenaktion zugunsten von TV Rain hat begonnen.

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