Rundfunkgebühren:Welt als Semmel

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Der Rundfunkbeitrag könnte um 73 Cent sinken, hieß es unlängst. Doch nun steht die Senkung im Gegenwert einer Vollkornsemmel wieder in Frage. (Foto: dpa)

73 Cent oder doch nicht? Um was es hier geht, ist der Gegenwert einer Vollkornsemmel. Und trotzdem gibt es nun plötzlich eine Debatte darüber, ob die Rundfunkgebühren in dieser Höhe gesenkt werden sollen. An ihr lässt sich illustrieren, warum das System des öffentlichen Rundfunks in Deutschland so schwer reformierbar ist.

Von Claudia Tieschky

Hat die Medienpolitik nicht gerade fliegende Autos erfunden oder wenigstens das Fernsehen revolutioniert? Diesen Eindruck machte es jedenfalls, als die Länderchefs im Dezember ankündigten, der Rundfunkbeitrag von 17,98 Euro könne 2015 sinken, zum allerersten Mal seit dem Anfang der Welt. Populärer geht es nicht. Heraus kam, die Sender könnten wohl auf 73 Cent pro Monat und Beitragszahler verzichten. So viel kostet eine Vollkornsemmel. Eine deutsche Brötchen-Revolution.

Man kann das kurios finden, an sich wäre es nicht weiter dramatisch. Nur nimmt jetzt, wenige Wochen später, die Debatte eine Wendung, an der exemplarisch klar wird, warum das niemand mehr versteht: Den Rundfunk, das Geld und das System.

Denn auf einmal gibt es in den für den Rundfunk zuständigen Staatskanzleien der Länder Bedenken gegen die 73 Cent. Die Gründe lassen sich erklären, sie sind für sich betrachtet nicht mal unvernünftig. Aber die Klein-Entlastung als Erfolg anzukündigen und dann wieder Striche durch die Rechnung zu machen - das ist eine Kommunikationskatastrophe, wie sie typisch ist für die gesamte 2013 begonnene Gebührenreform.

Die Finanzumstellung auf die Haushaltsabgabe für alle ist der Grund für die Beitragssenkung. Sie brachte mehr Geld als die alte Regelung. Dieses Geld dürfen die Sender nicht behalten. Den Öffentlich-Rechtlichen, deren Etats nicht steigen, wird trotzdem von vielen Menschen unterstellt, sich zu bereichern.

Darum sollen die 73 Cent auch beweisen, dass die Kontrolleure von ARD, ZDF und Deutschlandradio es ernst meinen mit der Finanzdisziplin. So versemmelt die Politik jetzt nicht nur 73 Imagecent, sondern Glaubwürdigkeit.

Wenn gespart wird, dann fast immer am Programm

Allgemein verständlich ist die komplizierte deutsche Rundfunkordnung sowieso nicht - und das ist ein wesentlicher Teil des Problems. Zum Beispiel verhindert diese Rundfunkordnung auch eine glänzende Idee: Warum nicht den Sendern die Semmelcents lassen - mit der Auflage, sie nur für neue und richtig gute Programme einzusetzen? Für Serien, von denen man spricht. Für Fernsehspiele, in denen die Welt so waschmittelfrei gezeigt werden darf, wie sie ist. Für politische Debattenkultur. Für Unterhaltung, die wirklich einmal an den Ruhm von Kulenkampff und Juhnke heranreicht?

In Wirklichkeit gilt im Fernsehen und im Hörfunk: Wenn gespart wird, dann fast immer am Programm. Da lässt sich das Geld am schnellsten lockermachen.

Glaubwürdigkeit ist ein Wort, von dem in diesen Tagen auch aus den Staatskanzleien die Rede ist. Gemeint ist dann: als politischer Apparat in den Augen der Öffentlichkeit. Da soll Glaubwürdigkeit merkwürdiger Weise auf einmal gegen eine Beitragssenkung von 73 Cent sprechen.

Wenn man versucht, das zu verstehen, dann sagen Beteiligte, dass aus politischer Sicht zwei Dinge nicht gut wären: Eine Entlastung beim Beitrag, auf die gleich wieder eine Erhöhung folgt. Dann würde die Sache mit den Imagecents peinlich aussehen. Und zweitens eine Entlastung, die kein Geld übrig ließe, um Ungerechtigkeiten der Gebührenreform nachzubessern - das soll 2014 geprüft werden. Vor allem Filialunternehmen und Kommunen klagen über Mehrbelastungen. Mit 73 Cent würde es da schnell kritisch, heißt es. Für Spielräume, auch für politische Wünsche.

Die Rechnung geht etwa so: Die Haushaltsabgabe bringt voraussichtlich 1,1 Milliarden Euro mehr als bisher - im Zeitraum von vier Jahren, für den die Abgabe jeweils festgelegt wird. Das entspricht einer Steigerung von 3,7 Prozent. Etwa die Hälfte davon will die Gebührenkommission KEF durch ihre Empfehlung für die Absenkung nutzen. An zuständigen politischen Stellen hält man eine Inflationsrate von zwei Prozent für die kommenden Jahre für realistisch. Dann wäre der Geldsegen schnell weg. Die Abgabe müsste wieder steigen.

In dieser Lage wird auch deutlich, dass mit der beinhart staatsfernen KEF, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs im Rundfunk, wenig Politik zu machen ist. Die Finanzkontrolleure müssen in ihrem laufenden Vierjahreszeitraum bis 2016 saubere Verhältnisse schaffen. Die 73 Cent sind rechnerisch saubere Verhältnisse. Eine Qualitätsoffensive kann die KEF den Sendern auch nicht verordnen. Das System der Unabhängigkeit funktioniert genau, wie es soll. Es gibt die Milliarde in kleiner Münze zurück. Was ARD und ZDF brauchen, ist die ganz große Erneuerung. Auch die ist im System nicht vorgesehen.

TV-Zombie beim ZDF

Am 13. März wollen die Ministerpräsidenten festlegen, um wie viel der Beitrag 2015 tatsächlich sinken wird. Ins Spiel kommen könnte dabei noch die von Sachsen geleitete sogenannte AG Beitragsstabilität, die sich kommende Woche auf Schloss Wackerbarth in Radebeul trifft. Die AG hat die Aufgabenbeschreibung des Rundfunks kritisch im Blick, von der die Etats abhängen. Spielräume für dauerhafte Beitragssenkung und Gesetzesnachbesserungen können auch geschaffen werden, wenn die Öffentlich-Rechtlichen schrumpfen. Das ist politisch vorstellbar.

Hoffnung auf wirkliches Interesse am Rundfunk machen die Länder momentan nicht. Beim ZDF lebt der viel beachtete Jugendkanal ZDF kultur als TV-Zombie weiter, bestückt mit Wiederholungen, womöglich noch für viele, viele Jahre. Der Jugendkanal von ARD und ZDF, der ihn ersetzen soll, kommt nicht voran. Die Länder sind uneins, die Zeit vergeht. Und das ist noch die kleinste Reform, die im System nötig wäre. Statt Leidenschaft nur Semmelpfennige.

© SZ vom 18.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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