Rundfunkabgabe und Corona:Der Beitrags-Lockdown

Länderdebatte um neue Rundfunkbeitragshöhe startet

86 Cent mehr: Pro Haushalt sind von Januar an 18,36 Euro im Monat für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fällig.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Betriebe, die vom Lockdown betroffen sind, wollen die Rundfunkabgabe zeitweise stoppen - wie viele Privatpersonen. Das dürfte den öffentlich-rechtlichen Sendern noch Kopfzerbrechen bereiten.

Von Lisa Priller-Gebhardt

Einnahmen fallen weg, Fixkosten laufen weiter. Die Corona-Krise schlägt bei vielen Bürgern inzwischen wirtschaftlich durch. Einer der Posten, die regelmäßig vom Konto abfließen, ist der Rundfunkbeitrag. 52,50 Euro werden vierteljährlich bei Millionen Deutschen abgebucht - bei Privathaushalten und Betriebsstätten. Mit dem Geld - pro Jahr etwa acht Milliarden Euro - bestreiten ARD, ZDF und Deutschlandradio unter anderem die Produktion von Filmen, den Einkauf von Sportrechten sowie die Pensionszahlungen ehemaliger Sendermitarbeiter. Aber auch die Ausgaben für die gerade in diesen Zeiten so wichtigen Nachrichtensendungen und Politik-Talks.

Nun wird als Folge der Corona-Pandemie bundesweit mit einer hohen Zahl von Insolvenzen gerechnet. Etwa zehn Prozent der Einkünfte aus der Rundfunkabgabe kommen derzeit aus dem gewerblichen Bereich. Doch zahllose Betriebe waren oder sind seit Mitte März geschlossen. Die Abbuchungen der Rundfunkabgabe laufen in diesem Fall weiter. Unternehmen und Dienstleister wie Friseure, Autovermieter oder Fitnesscenter sind nämlich gesetzlich verpflichtet, für jede Betriebsstätte, ob Filiale oder Lieferfahrzeug, monatlich den Beitrag zu zahlen.

Der Beitragsservice prüft, wie man Corona-Betroffenen jetzt entgegenkommen kann

Mit dieser Lage muss sich nun auch der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio auseinandersetzen. Inwieweit die öffentlich-rechtlichen Anstalten den Gebührenzahlern entgegenkommen können, wird derzeit evaluiert. "Nach wie vor prüfen Rundfunkanstalten und Beitragsservice, wie sie Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen des Gemeinwohls, die infolge der Corona-Pandemie in finanzielle Nöte geraten, über die bestehenden Möglichkeiten hinaus behilflich sein können", heißt es beim Beitragsservice auf Nachfrage. Schon jetzt können Betriebe und Privatpersonen, die von Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise betroffen sind, einen Antrag auf Stundung stellen - und zwar abseits der Voraussetzungen für eine normale Beitragsbefreiung (siehe Kasten).

Aktuell rufen einzelne Verbände und Berufsinnungen ihre Mitglieder dazu auf, einen solchen Antrag einzureichen. Auf die Möglichkeit, sich befristet von der Rundfunkbeitragspflicht befreien zu lassen, weist beispielsweise der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, Dehoga, in Bayern hin. Er empfiehlt, um die Kostenbelastung weiter zu reduzieren, einen solchen Antrag für die Betriebsstätte zu stellen. Auch der Zentralverband des Bäckerhandwerks hat seine Mitglieder über eine solche Möglichkeit informiert.

Das Beitragsaufkommen für 2020 wird sich wohl anders entwickeln, als noch zu Jahresbeginn gedacht

Ebenso informieren sich Privatpersonen derzeit, ob sie die Abbuchungen stoppen können. "Wir haben viele Anfragen zum Thema Rundfunkbeitrag. Es wird uns sicherlich noch lange beschäftigen", sagt Kathrin Körber von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. "Anders als bei Miet-, Strom- oder Handyrechnungen handelt sich hierbei aber nicht um ein Dauerschuld-Verhältnis", gibt Körber zu bedenken. Ob die Zahlungen gestundet werden, wird von Fall zu Fall entschieden. Anspruch besteht keiner. "Es geht vielmehr darum, beim Beitragsservice um eine Mahnsperre zu bitten", sagt die Verbraucherschutzexpertin. Folglich wird sich das Beitragsaufkommen für 2020 wohl anders entwickeln als noch zu Jahresbeginn gedacht. Nicht nur den Verbraucherzentralen, sondern auch den öffentlich-rechtlichen Sendern sowie der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) wird das noch Kopfzerbrechen bereiten.

Für die kommende und regulär vier Jahre dauernde Gebührenperiode ab 1. Januar 2021 hat die KEF eine leichte Erhöhung der Rundfunkgebühr empfohlen. Der aktuelle Monatsbeitrag in Höhe von 17,50 Euro soll um 86 Cent erhöht werden. Die Ministerpräsidenten der Länder haben Zustimmung signalisiert, doch auch die Landtage müssen gehört werden.

Es könnte allerdings unter den außergewöhnlichen Umständen auch sein, dass dieser neue Beitrag keine vier Jahre hält, sondern schon nach zwei Jahren nachgebessert werden muss, falls Einnahmen wegen Corona im großen Stil wegbrechen. So zumindest ist es aus dem Umfeld der öffentlich-rechtlichen Sender zu hören. Offiziell äußern mag sich zu diesem hochpolitischen Thema niemand. Generell gilt: Die KEF arbeitet bei der Berechnung der Abgabe mit Prognosen über die Einkünfte aus dem Rundfunkbeitrag. Wenn die Zahlen sich massiv anders entwickeln als kalkuliert, wird der Beitrag nicht erst nach vier Jahren neu berechnet, sondern früher. So geschehen, als die Umstellung auf die Haushaltsabgabe ein nicht einkalkuliertes Milliardenplus brachte - damals senkte die KEF den Beitrag außerturnusmäßig.

Doch im Moment ist noch unklar, ob sich die Einnahmen und die Ausgaben nicht vielleicht sogar die Waage halten werden. Auf der einen Seite könnte die Gesamtsumme der gezahlten Beiträge sinken, genauso wie die Werbeeinnahmen. Auf der anderen Seite wiederum werden Filmproduktionen abgesagt und Rechtekosten für Sportevents, die ersatzlos ausfallen, eingespart. Unter Umständen schont die Krise auf lange Sicht vielleicht sogar die Senderkassen. Einen solchen Spareffekt sieht man bei der ARD im Moment noch nicht. "Die Corona-Krise bedeutet in vielen Bereichen Mehrausgaben", so die Anstalt auf Anfrage. Beispielsweise müssten viele Drehbücher umgeschrieben werden. Es werde nun "intensiv geprüft, ob durch die Verschiebung von sportlichen Großereignissen Mehrkosten entstehen oder vielleicht gespart werden kann".

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