Süddeutsche Zeitung

Rundfunkabgabe:"Wir möchten der Sachverwalter der Beitragszahler sein"

Die Bundesländer wollen, dass der Rundfunkbeitrag auf 18,36 Euro steigt. Nur Sachsen-Anhalt hat sich enthalten. Rainer Robra, Chef der dortigen Staatskanzlei, erklärt warum.

Interview von Stefan Fischer

Die Ministerpräsidenten haben im März eingewilligt, den Rundfunkbeitrag von 2021 an auf 18,36 Euro im Monat zu erhöhen. Sie folgen damit der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF). Im Juni wollen die Regierungschefs das Gesetz dafür unterzeichnen, zustimmen müssen auch alle Landtage - ein einzelnes Nein kann alles blockieren. Ein Land hat sich vorerst enthalten: Sachsen-Anhalt. Rainer Robra (CDU), Chef der dortigen Staatskanzlei, über die Gründe.

SZ: Herr Robra, weshalb die Enthaltung?

Rainer Robra: Für Sachsen-Anhalt und einige andere Länder war schon die letzte Erhöhung 2009 auf 17,98 Euro ein Kraftakt. Unser Landtag hat seitdem wiederholt bekräftigt, dass alles unternommen werden muss, damit der Beitrag nicht weiter steigt. Der Wechsel von der Gebühr auf den Beitrag hat geholfen, das große Potenzial der bisherigen Schwarzseher auszuschöpfen. Deshalb war es 2015 möglich, den Beitrag auf 17,50 Euro zu senken und den Rundfunkanstalten trotzdem die Bildung von Rücklagen zu ermöglichen. Dadurch schien sich der Beitrag zu stabilisieren. 2016 kriegten wir von der KEF aber die Vorwarnung, dass sich für 2021 eine Beitragsanpassung in dramatischer Höhe abzeichne, die Rede war von rund zwei Euro. Darauf haben die Ministerpräsidenten noch einmal eine sehr deutliche Warnung an die Anstalten gerichtet, alles dafür zu tun, dass der Beitrag stabil bleibt. Von solchen Anstrengungen sehen wir bisher nicht genug.

Welche Forderungen haben Sie an die Öffentlich-Rechtlichen?

Die Empfehlung der KEF liegt bei 18,36 Euro. Das ist gegenüber den 17,98 Euro, auf die sich die Debatte um Beitragsstabilisierung ursprünglich bezog, natürlich ein vertretbarer Rahmen. Aber wenn die Anstalten so wirtschaften wie bisher, steht uns Mitte der 2020er-Jahre abermals eine Beitragserhöhung erheblichen Ausmaßes ins Haus. Deshalb brauchen wir jetzt von den Anstalten verbindliche Zusagen, dass sie allen Hinweisen der KEF auf Einsparpotenziale und Wirtschaftlichkeitsreserven nachgehen und die Empfehlungen umsetzen. Bisher liegen noch keine zufriedenstellenden Erklärungen vor. Speziell für die ostdeutschen Länder fordern wir bei den Tochterunternehmen der Anstalten eine angemessene Berücksichtigung, und auch das seit Jahren ohne große Resonanz.

Droht ein Blockadeszenario?

Nein. Es geht darum, dass sich die Anstalten verpflichten, die Forderungen der KEF eins zu eins zu erfüllen. Das fängt damit an, dass angesichts hoher Vergütungen der weitere Anstieg verlangsamt und das Niveau in Extremfällen auch korrigiert wird. Der öffentliche Sektor ist der Vergleichsmaßstab. Es geht um eine effektive Personalplanung, um Kooperation und Verschlankung der Strukturen, auch der Beteiligungsstrukturen. Wichtig sind auch eine externe Evaluation der Wirtschaftlichkeit und mehr Transparenz bei den Kosten vergleichbarer Programme der Rundfunkanstalten, etwa beim Tatort oder bei Talkshows. Die Anstalten argumentieren, das würde in ihre Programmhoheit eingreifen. Das sehe ich nicht so. Nur wenn alles transparent ist, hat man auch eine Gewähr, dass man die Ausreißer identifizieren kann.

Welche Rolle hat Sachsen-Anhalt damit gerade: Außenseiter oder Klassensprecher?

Wir möchten der Sachverwalter der Beitragszahler sein, die natürlich nur so viel zahlen wollen, wie zwingend erforderlich ist. Ich versuche zu vermitteln zwischen den Anstalten und den Parlamenten in den Ländern, die am Ende nur zustimmen werden, wenn das, was die KEF fordert und anregt, tatsächlich umgesetzt wird.

Kommt der neue Staatsvertrag zustande?

Ich bin zuversichtlich, dass unter den genannten Bedingungen eine Mehrheit zu finden sein wird - aber eben nur dann. Die Enthaltung Sachsen-Anhalts ist eine Warnung: Liebe Intendantinnen, liebe Intendanten, es reicht noch nicht.

Inwieweit grenzen Sie sich damit ab von der Haltung der AfD?

Wir diskutieren das Thema lange schon bevor es die AfD gab mit Fokus auf wirtschaftliche Sparsamkeit. Wir planen nicht wie die AfD einen Rundumschlag gegen das öffentlich-rechtliche System.

Sie haben mit den 18,36 Euro kein Problem - sofern der Beitrag dann so bleibt?

Doch, ich habe ein Problem mit 18,36 Euro. Aber ich kann die Bedenken zurückstellen, wenn eine Grundlage geschaffen wird, auf der dieser Beitrag langfristig stabil bleibt - so wie letztlich die 17,98 Euro, wenn auch unter anderen Umständen.

In der aktuellen Krise zeigt sich, wie wichtig guter Journalismus ist. Relativiert das die Debatte, wie viel Cent mehr Rundfunkbeitrag zuzumuten sind?

Ich will die öffentlich-rechtlichen Anstalten dafür loben, wie sie jetzt informieren und sensibilisieren. Das bestätigt in der Tat ihren Stellenwert, auch wenn die privaten Sender ebenfalls gute Arbeit leisten. Auf der anderen Seite können deshalb kritische Fragen zur Sparsamkeit nicht ad acta gelegt werden. Dazu sind die Vorbehalte gegen die Beitragshöhe in der Öffentlichkeit zu stark.

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Quelle:
SZ vom 02.04.2020/luch
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