Rundfunkbeitrag:ARD und ZDF ziehen vors Bundesverfassungsgericht

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ARD und ZDF: „Keine andere Möglichkeit.“ (Foto: Soeren Stache/dpa)

Weil die Politik die Erhöhung des Rundfunkbeitrags immer weiter vertagt, klagen die Öffentlich-Rechtlichen in Karlsruhe. Der Beitrag müsste eigentlich im Januar um 58 Cent monatlich steigen.

Von Aurelie von Blazekovic, Claudia Tieschky

Was sich seit Anfang der Woche angedeutet hatte, bestätigen jetzt ARD und ZDF: Die öffentlich-rechtlichen Sender ziehen vor das Bundesverfassungsgericht. Die Klage wurde am Dienstag eingereicht. Damit gehen die Sender juristisch dagegen vor, dass die anstehende Erhöhung des Rundfunkbeitrags bislang nicht beschlossen wurde. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz Ende Oktober in Leipzig wurde eine Entscheidung in diesem Punkt vertagt. Am Dienstag teilte der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke mit: „Dieser Schritt fällt uns schwer, aber wir können eine Verletzung des Verfahrens nicht hinnehmen.“ Der ARD sei bewusst, „dass dieser Weg die Ultima Ratio darstellt“.

58 Cent mehr Beitrag steht den Sendern von Januar an eigentlich zu – das hat die dafür zuständige unabhängige Sachverständigen-Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) berechnet. Auch ZDF-Intendant Norbert Himmler erklärte, weil die Länder die Beitragsempfehlung der KEF bislang nicht umsetzen, bleibe „keine andere Möglichkeit“ als die Beschwerde in Karlsruhe. „Die Unabhängigkeit der ZDF-Berichterstattung steht und fällt mit der Unabhängigkeit unserer Finanzierung.“ Er betonte, wie wertvoll der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Garant verlässlicher Informationen für die Gesellschaft sei. Die Verfassung gebe vor, dass die Öffentlich-Rechtlichen dafür angemessen finanziert sein müssen. Gemessen an der Kaufkraft sei der Rundfunkbeitrag in den vergangenen 20 Jahren gesunken. Die empfohlene Anhebung um 58 Cent pro Monat von 18,36 auf 18,94 Euro entspreche einer Steigerung von lediglich 0,8 Prozent pro Jahr und liegt damit deutlich unter der Inflationsrate.

Ein neuer Beitrag kommt frühestens im Sommer – wenn überhaupt

Doch dieser Empfehlungen müssen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten einstimmig zustimmen, im Anschluss müssen auch die 16 Landtage darüber abstimmen. Dieses Verfahren zur Erhöhung des Beitrags wurde schon mehrfach vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Zuletzt 2021, als Sachsen-Anhalt Ende 2020 die Erhöhung blockierte. Nach dem Urteil wurde der Beitrag mit einigen Monaten Verspätung schließlich erhöht.

Um die Beitragsempfehlung der KEF vom Februar fristgerecht in Kraft zu setzen, hätten die Länderchefs eigentlich bereits im Sommer darüber entscheiden müssen. Doch auch zuletzt bei ihrem Treffen in Leipzig im Oktober beschlossen sie die Beitragserhöhung nicht – stattdessen einigten sie sich auf eine Reform der Sender. Zugleich machten sie deutlich, dass sie eine Änderung des Verfahrens zur Erhöhung des Beitrags planen. Weil es Zeit brauche, um diese rechtssicher zu gestalten, könne man zum Rundfunkbeitrag erst bei der kommenden Ministerpräsidentenkonferenz am 12. Dezember entscheiden. Für die Sender ist damit klar: Zur verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Umsetzung der KEF-Empfehlung zum Jahresanfang wird es nicht kommen. „In den verbleibenden sechs Wochen des Jahres“ ist das nicht mehr möglich, heißt es in der ARD-Mitteilung.

Selbst die Landesregierungen, die für eine schnellstmögliche Anhebung des Beitrags sind, gehen nicht davon aus, dass dies vor Inkrafttreten des neuen Rundfunkfinanzierungsvertrags bestenfalls im Frühsommer passieren wird. Andere Länder, vor allem Sachsen-Anhalt, möchten weiter überhaupt keiner Anhebung zustimmen und erwarten, dass die Reformen im neuen Staatsvertrag die Kosten der Sender senken. Das jedoch wird nach Einschätzung der KEF nicht vor Ende 2028 passieren.

Die Sender gehen jetzt in die Offensive, das erhöht den Druck auf die Verhandlungen

Somit kollidiert der von Karlsruhe immer wieder bestätigte Anspruch auf eine staatsferne, auftragsgemäße Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio und das medienpolitische Tempo der Länder bei der Reform, an der seit vielen Jahren gearbeitet wird. An diesem Mittwoch tagt die Rundfunkländerkommission, sie muss den Gesetzesentwurf zum neuen Finanzierungsverfahren vorbereiten, über den die Ministerpräsidenten dann im Dezember abstimmen. Zuletzt sah es aber nicht so aus, als gäbe es bereits eine gesetzte Strategie. 

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Dass die Sender jetzt in die Offensive gehen, erhöht den Druck auf die Verhandlungen und signalisiert, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihre Rechte geltend machen wollen. Besonders eines hat das Bundesverfassungsgericht in seinen bisherigen Urteilen immer wieder klargestellt: Die Länder können über Gesetze Einfluss auf den Rundfunkbeitrag nehmen, sie dürfen aber nicht die Finanzierung zum Mittel der Medienpolitik machen.

Die Regierungschefs, die eine Beitragserhöhung generell ablehnen, könnten die Klage nun als Affront auffassen. Allerdings haben sie seit der letzten höchstrichterlichen Klärung 2021 vor Augen, dass eine weitere Beitragsblockade auf denselben Konflikt hinauslaufen wird. Dennoch kam es weder zu einer rechtzeitigen Gesetzesänderung, die den Rundfunk verkleinert und den Beitrag gesenkt hätte – noch achteten sie groß auf ein Vorgehen, das in Einklang mit dem geltenden gesetzlichen Verfahren und der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts steht.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende der Rundfunkländerkommission Alexander Schweitzer, SPD, und Sachsens Ministerpärsident und Kommissions-Co-Vorsitzender Michael Kretschmer, CDU, bedauerten in einer Stellungnahme am Dienstagabend die Enscheidung von ARD und ZDF. Der Schritt nach Karlsruhe sei für die Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen „wenig zuträglich“, erklärte Schweitzer. Die Mehrheit der Länder habe sich „immer dafür eingesetzt, der verfassungsrechlichen Verpflichtung nachzukommen und die KEF-Empfehlung umzusetzen“. Kretschmer fügte hinzu, das Reformpaket der Länder weise „einen klaren Weg“. Auch Nordrhein-Westfalens Medienminister Nathanael Liminski, CDU, kritisiert die Sender deutlich: „Akzeptanz erreicht man nicht durch Urteile“. Die Klage sei ein legitimes Mittel der Rundfunkanstalten – Liminski spricht jedoch von einer „falschen Entscheidung zur falschen Zeit“. Die Klage sei „Wasser auf die Mühlen der Gegner“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

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