Süddeutsche Zeitung

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:Emotionale 86 Cent

Um diese Summe soll der Rundfunkbeitrag steigen, empfiehlt die zuständige Kommission - auf 18,36 Euro. Warum das so ist und was man dafür bekommt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Elisa Britzelmeier, Hans Hoff und Claudia Tieschky

Die Rundfunkabgabe wird alle vier Jahre neu festgelegt. Für 2021 bis Ende 2024 gibt es nun eine Zahl: 86 Cent mehr.

Was bedeutet das?

Am 1. Januar 2021 beginnt eine neue vierjährige Beitragsperiode. Jetzt geht es um die neue Höhe der Rundfunkabgabe. Die Ministerpräsidenten müssen das in einem Staatsvertrag festschreiben, der auch den Landtagen zur Zustimmung vorgelegt wird.

Wer legt die Summe fest?

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Sie besteht aus 16 unabhängigen Sachverständigen, die von den Regierungschefs der Länder für jeweils fünf Jahre berufen werden. Alle vier Jahre macht die Kommission einen neuen Vorschlag für den Beitrag, sie kann ihn aber auch zwischendurch anpassen. Die Sender schlüsseln der KEF alle zwei Jahre ihren Finanzbedarf auf. Die Kef prüft ihn nach den Kriterien von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und legt einen anerkannten Bedarf fest. Auf der anderen Seite stehen die erwarteten Einnahmen der Sender, neben der Abgabe sind das etwa Werbeeinnahmen und Kapitalerträge. Wenn die Einnahmen den Bedarf nicht decken, wird eine neue Beitragshöhe festgelegt. Nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von 2007 dürfen die Landtage davon nur in extremen Ausnahmefällen abweichen. Da einige Länder keine Erhöhung mehr mittragen wollen, könnte das im kommenden Jahr zum Konflikt führen. Auf eine grundlegende - und kostensparende - Reform des Auftrags für die Sender konnten sich die Länder aber auch nicht einigen.

Warum ist das Thema so emotional?

Kaum jemand zahlt gerne Steuern, bei der Rundfunkabgabe ist es ähnlich. Man muss sie leisten - ob einem das Programm gefällt oder nicht oder ob man es überhaupt schaut. In den neuen Bundesländern ist die Zahlpflicht besonders schwer zu vermitteln. Immer wieder wird - auch von den Sendergremien - der Vorwurf laut, in bundesweiten Programmen komme Ostdeutschland zu wenig vor. Und: Das Budget für die öffentlich-rechtlichen liegt bei mehr als acht Milliarden Euro pro Jahr. Das ist eine Summe, bei der Wünsche nach mehr schnell maßlos wirken und den Eindruck mangelnder Kostenkontrolle hinterlassen. Dazu kommt wenig Transparenz für den Gebührenzahler, obwohl die Sender bei Gehältern und Programmkosten neuerdings etwas offener sind. Generell ist das komplizierte Verfahren zur Ermittlung der Rundfunkabgabe für die Bürger, die sie zahlen, nicht leicht zu verstehen.

Warum ist es so kompliziert?

Mit dem Verfahren will man sicher gehen, dass die Sender nicht zu wenig und nicht zu viel Geld bekommen. "Funktionsgerechten Bedarf" sichert das Bundesverfassungsgericht den Anstalten zu, Überkompensierung würde gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen. Zur Rundfunkfreiheit gehört außerdem auch, dass die Finanzierung kein Mittel sein darf, mit dem der Staat Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausüben kann. In den vergangenen Monaten bemühten sich die Länder darum, ein einfacheres Verfahren einzuführen, bei dem der Beitrag mehrere Jahre lang automatisch nach einem Index steigt, beschlossen wurde aber nichts.

Seit 2013 müssen alle Haushalte zahlen. Das hat den Sendern viel mehr Geld gebracht. Warum steigt der Betrag trotzdem nun voraussichtlich wieder?

Galt für die alte GEZ-Gebühr bis Ende 2012 die Regel, dass nur der zahlt, der auch ein Empfangsgerät hat, so wird der Beitrag nun pro Wohnung erhoben. Das ergab beträchtliche Mehreinnahmen. Sie führten dazu, dass der bei 17,98 Euro liegende Beitrag am 1. April 2015 um 48 Cent auf 17,50 Euro abgesenkt werden konnte. Die KEF hatte im Dezember 2013 sogar eine Senkung um 73 Cent vorgeschlagen, war damit aber bei den Ländern nicht durchgedrungen, die mit dem Geld lieber ein Finanzpolster für später bilden wollten. Auch die KEF-Forderung vom April 2016, den Beitrag auf 17,20 Euro abzusenken, fand bei der Politik kein Gehör. Das überschüssige Geld wanderte stattdessen in die so genannte Beitragsrücklage, die in der aktuellen Beitragsperiode sukzessive aufgebraucht wird. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm rechnete vor, dass ohne diese Rücklagen der Beitrag schon jetzt bei 18,35 Euro liegen würde. Er wies darauf hin, dass die Rücklagen Ende 2020 aufgebraucht seien, weshalb allein schon die Teuerungsrate eine Anhebung des Beitrags erfordere.

Warum müssen alle den Beitrag zahlen?

Einfach und plausibel sollte die Neuregelung 2013 sein. Dass alle Haushalte unabhängig von der Anzahl der Geräte zahlen, ist auch der Versuch, dem veränderten Mediennutzungsverhalten gerecht zu werden: Durch die Digitalisierung sind Inhalte auf verschiedensten Kanälen verfügbar. "Rundfunk funkt überall herum", sagte der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, auf den die Reform zurückgeht, zur Einführung. Unerheblich ist dabei, ob und wie man das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen überhaupt nutzt. Für Kirchhof ist der Rundfunkbeitrag vergleichbar mit einer Kurtaxe, die man als Urlauber auch bezahlt, wenn man nicht in den Kurpark geht. Man zahle für das Recht auf Empfang. Auf der Homepage des Beitragsservices von ARD, ZDF und Dradio heißt es: "Ein Ziel ist dabei, möglichst große Gerechtigkeit bei der Finanzierung zu gewährleisten". Ausnahmen gibt es für Empfänger bestimmter Sozialleistungen und Menschen mit Behinderungen. Anträge auf Befreiung oder Ermäßigung müssen eigens gestellt werden.

Was bekommt man für sein Geld?

Alle Inhalte von ARD, ZDF und Deutschlandradio, im Haupt- und im Regionalprogramm, egal ob auf Webseiten oder im Radio, im Fernsehen oder in Social Media, als Podcast, im Videotext oder in den Mediatheken. Finanziert wird über den Rundfunkbeitrag das Programm von Arte, 3sat und Phoenix, der Kika, Funk und die neun Landesrundfunkanstalten. Mehr also, als Streamingdienste zu bieten haben. Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ergeben sich aus dem Grundgesetz und dem Rundfunkstaatsvertrag. Das Programm soll zur Meinungsbildung und damit zu einer funktionierenden Demokratie beitragen. Auch Unterhaltung nennt der Rundfunkstaatsvertrag explizit. Immer wieder wird allerdings kritisiert, dass Kochshows, Krankenhausserien, Krimis und Telenovelas zu viel Platz haben - und besonders teure Sportveranstaltungen.

Dieser Text ist eine aktualisierte Fassung eines Frage-Antwort-Stückes zum Rundfunkbeitrag vom 19. November 2019.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4804384
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.11.2019/tmh
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.