Süddeutsche Zeitung

Rundfunkbeitrag:Ein mühsamer Kompromiss

Lesezeit: 4 min

Die Empfehlung für die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist vorgestellt worden: Von 2021 an soll jeder Haushalt 86 Cent mehr im Monat zahlen. Jetzt müssen alle Bundesländer zustimmen.

Von Claudia Tieschky, Berlin

Der Rundfunkbeitrag soll am 1. Januar 2021 um 86 Cent steigen und dann für die nächsten vier Jahre 18,36 Euro pro Monat kosten. So lautet die Empfehlung der KEF, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, die an diesem Donnerstag vorgestellt wurde. Die Steigerung entspricht 1,2 Prozent pro Jahr. Nominell erhöht sich der Rundfunkbeitrag damit zum ersten Mal seit 2009.

Man habe die Finanzwünsche der Sender "sehr kritisch geprüft", sagte der KEF-Vorsitzende Heinz Fischer-Heidelberger, der den Bericht zusammen mit federführenden Kommissionsmitgliedern und dem Geschäftsführer Tim Schönborn vorstellte - sieben Männern, sechs davon mit Krawatte. Das Besondere an dem aktuellen Verfahren sei für ihn, "dass es überhaupt stattgefunden hat", meinte Fischer-Heidelberger. Eine Anspielung auf die zeitweilig sehr realen Planspiele, den Beitrag in Zukunft nicht mehr durch die turnusmäßige KEF-Prüfung nach Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit anzupassen, sondern nach einem Index automatisch zu steigern. Die jetzige Erhöhung, diesen Hinweis auf die wirksame Kostenkontrolle der KEF erlaubte sich der Vorsitzende noch, bleibe "weit hinter dem zurück, was jede Indexierung gebracht hätte".

Die unabhängige KEF mit ihren sechzehn von den Ländern berufenen Sachverständigen prüft alle zwei Jahre die Finanzen der Sender und legt alle vier Jahre die Höhe der Rundfunkabgabe fest.

Jetzt hat die KEF-Prüfung diesmal für die Jahre 2021 bis 2024 bei den Sendern einen ungedeckten Finanzbedarf von 1,5 Milliarden Euro festgestellt. Nach den Wünschen von ARD, ZDF und Deutschlandradio wäre es fast doppelt so viel gewesen. In ihrer Anmeldung, also den von den Sendern selbst bei der KEF eingereichten Planungen, stand ein Finanzbedarf von drei Milliarden Euro. Das hätte, wie die KEF ausrechnet, eine Beitragssteigerung von 1,74 Euro auf 19,24 monatlich bedeutet.

Ein so hoher Zuschlag wäre politisch kaum durchsetzbar. Einen Rundfunkstaatsvertrag, der die Beitragshöhe festsetzt, müssen alle Länder unterzeichnen. Vor allem Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen müssen überzeugt werden, das nicht zu blockieren.

Der Vorschlag ist moderat, der Protest verhalten, man denkt pragmatisch

Entsprechend verhalten war der Protest bei den Sendern, als im November erstmals aus einem noch nicht öffentlichen KEF-Entwurf die 86 Cent kursierten. Zumal die Prüfung der Kommission, wie nun aus dem Bericht hervorgeht, sozusagen auf Geben und Nehmen beruht: Von den 1,5 Milliarden KEF-Abschlag am von den Sendern errechneten Finanzbedarf kommen lediglich 719,6 Millionen aus Kürzungen beim Aufwand. Insgesamt 790 Millionen erklärte die KEF dagegen für überflüssig, weil genug Eigenmittel der Sender vorhanden seien oder die Einnahmen aus dem Beitrag höher ausfallen dürften als gedacht: Die Zahl der beitragspflichtigen Haushalte steigt demnach.

So gesehen ist die moderate Beitragssteigerung von 86 Cent auch mit einer Wette auf die Zukunft verbunden. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Empfehlung kritisierte der Vorsitzende der ARD-Aufsichtsgremien, Andreas Meyer-Lauber vom WDR-Rundfunkrat, ihm fehle die Risikovorsorge, "falls sich in den vier Jahren von 2021 bis 2024 irgendetwas ändert. So sorglos kann heute kein Medienunternehmen mehr planen". Allerdings kann die KEF, sollten sich die Prognosen nicht erfüllen, den Beitrag auch nach zwei Jahren wieder anpassen: Zum Beispiel senkte ihn die Kommission 2015 zwischen den üblichen Vier-Jahres-Zyklen von 17,98 auf 17,50 Euro als sich zeigte, dass die Haushaltsabgabe für viel mehr Geld sorgte als gedacht.

Aufschlussreich sind einige Erläuterungen, die die KEF ihrem Bericht beifügt. So tritt sie der von den Sendern oft vertretenen Darstellung entgegen, die 18,36 sei quasi eine Nullrunde oder sogar eine Schrumpfung. Hintergrund ist, dass die angesparten Mehreinnahmen aus dem Haushaltsbeitrag in den vergangenen Jahren nach und nach in die Senderbudgets eingingen. Rechne man diese Mittel dazu, dann liege der Beitrag inzwischen schon jetzt bei 18,35 Euro und die Sender bekämen 2021 also gar nicht mehr Geld, so diese Lesart. Dem widerspricht die KEF. Die Höhe des Beitrags erlaube "nur sehr eingeschränkte Aussagen zur Finanzausstattung der Sender". Mit einbezogen werden müssten höhere Erträge aus dem Beitrag oder Erlöse aus Werbung und Sponsoring. Dem bewilligten Aufwand der Sender in der vorigen Vierjahresperiode von 36,9 Milliarden Euro stünden von 2021 bis 2024 nun 38,7 Milliarden gegenüber. Dabei seien Kostensteigerungen wie die rundfunkspezifische Teuerungsrate berücksichtigt.

Ohnehin scheint zumindest die ARD mehr Geld zu haben, als sie nutzt: Die KEF-Prüfung hat ergeben, dass die ARD in der laufenden Beitragsperiode 740 Millionen Euro weniger ausgegeben hat, als ihr bewilligt wurde, davon mehr als die Hälfte, 413 Millionen , im Programmaufwand - dazu zählen Auftrags-und Koproduktionen.

Für Unmut in der ARD sorgte bereits im Vorfeld, dass einige Sender, vor allem SWR und WDR, hohe Rücklagen von einer Milliarde Euro in die Rechnung einbrachten, das Fachblatt Medienkorrespondenz hatte das zuerst berichtet. Zum Teil handelt es sich nach SZ-Informationen um Geld für noch nicht realisierte Bauprojekte.

Doch die Summe fließt nun in die Berechnung der Abgabe ein, so erhalten auch finanzschwache Sender ohne Rücklagen wegen der Vermögen der Großen weniger Geld. Intern wurde deshalb bereits der Finanzausgleich der ARD zugunsten von Radio Bremen und Saarländischem Rundfunk geändert. Die Länder hatten das zur Bedingung dafür gemacht, dass sie einer Beitragserhöhung zustimmen.

Bereits am 12. März könnten die Ministerpräsidenten der Länder bei ihrem Treffen einen neuen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag für die neue Beitragshöhe in Auftrag geben. Anschließend würden die Länderparlamente unterrichtet. Entscheidend wird die Frage, ob dann voraussichtlich im Juni alle Länder das Gesetz unterschreiben und ob die Landesparlamente, die zustimmen müssen, das auch tun. Auf Drängen der mitteldeutschen Länder könnte zudem eine Erklärung weitere Reformbemühungen von den Sendern verlangen.

Von der Empfehlung der KEF können die Länder nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in extremen Ausnahmefällen abweichen. Sollte die Ratifizierung des neuen Beitrags scheitern, würden die Sender die Länder in Karlsruhe verklagen. Die Folge wäre aber zunächst ein längerer Stillstand bei der Beitragshöhe. Eher ist damit zu rechnen, dass ARD, ZDF und DRadio auf Werbetour für sich gehen, um namentlich die mitteldeutschen Länder für einen 86-Cent-Konsens zu gewinnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4806346
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.