Rundfunkbeitrag:"Das Gericht weiß wohl selbst noch nicht, wie es entscheiden wird"

Fernsehturm Dresden

Der Dresdner Fernsehturm ragt aus dem Morgennebel. Auch die Zukunft des Rundfunkbeitrags ist derzeit noch alles andere als klar.

(Foto: dpa; Bearbeitung SZ)

Von heute an verhandelt das Bundesverfassungsgericht über den Rundfunkbeitrag. Der Medienrechtler Bernd Holznagel erklärt die Argumente auf beiden Seiten - und warum der Ausgang noch offen ist.

Interview von Luise Checchin

Seit fünf Jahren gibt es den Rundfunkbeitrag als eine einheitliche Gebühr, die pro Wohnung erhoben wird. Von diesem Mittwoch an prüft das Bundesverfassungsgericht die Rechtmäßigkeit des Beitrags von derzeit 17,50 Euro monatlich. Insgesamt verhandelt der Erste Senat über vier Verfassungsbeschwerden. Drei davon richten sich gegen den Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, der also von individuellen Personen bezahlt werden muss. Die vierte Beschwerde betrifft den gewerblichen Bereich und kommt vom Unternehmen Sixt, das als Autovermieter ebenfalls Rundfunkbeiträge zu zahlen hat. Bernd Holznagel ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Direktor der öffentlich-rechtlichen Abteilung des dortigen Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht. Im Gespräch erklärt er, worum gestritten wird und warum er sich zurzeit noch keine Prognose über den Ausgang des Verfahrens erlaubt.

SZ: Der Rundfunkbeitrag wurde bereits 2013 eingeführt. Warum kommt er erst jetzt vors Bundesverfassungsgericht?

Bernd Holznagel: Es gibt sehr hohe Hürden, überhaupt dorthin zu gelangen. 95 Prozent der Klagen werden überhaupt nicht verhandelt in Karlsruhe. Es ist also eher ungewöhnlich, dass man mit seinem Anliegen dort durchkommt. Außerdem mussten die Kläger auch erst die unteren Instanzen durchlaufen - in diesem Fall bis zum Bundesverwaltungsgericht.

Und was genau passiert ab heute vor dem Bundesverfassungsgericht?

Zu allererst werden alle, die am Verfahren beteiligt sind - also etwa die Landesregierungen, die Landesparlamente und die Rundfunkanstalten -, den Richtern eine Reihe von Fragen beantworten. Das Gericht hat in seinem recht umfangreichen Fragenkatalog zum Beispiel statistische Daten über die Endgeräteausstattung in den Wohnungen verlangt. Auf Basis dieser Antworten bilden sich die Richter dann eine Meinung. Das Gericht weiß wohl im Moment selbst noch nicht, wie es entscheiden wird.

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Ein wichtiger Streitpunkt ist, ob es sich beim Rundfunkbeitrag nicht eigentlich um eine Steuer handelt. Warum wäre das problematisch?

Eine Steuer wird gezahlt, um generelle staatliche Leistungen zu finanzieren. Ein Beitrag dagegen ist immer eine Art Gegenleistung für irgendeine Tätigkeit eines öffentlich-rechtlichen Trägers. Wenn es sich bei dem Rundfunkbeitrag eigentlich um eine Steuer handeln würde, wäre aber der Bund zuständig und nicht wie derzeit die Länder. Es dreht sich hier also im Kern um die Frage, ob die richtige staatliche Körperschaft zuständig ist.

Ein weiterer Vorwurf der Kläger: Der Beitrag sei verfassungswidrig, weil er unabhängig von der Existenz von Empfangsgeräten in einer Wohnung erhoben wird. Wie begründet der Gesetzgeber dieses geräteunabhängige Modell?

Die Seh- und Hörgewohnheiten haben sich in den letzten Jahren geändert. Meine Studenten, wenn sie überhaupt Fernsehen schauen, tun das über das Smartphone. Insofern musste der Gesetzgeber nach Alternativen Ausschau halten. Und er entschied sich dann dafür, den Beitrag nicht mehr an ein Gerät, sondern lieber an sogenannte "Raumeinheiten" anzuknüpfen. Also an eine Wohnung, einen Betrieb, oder ein betrieblich benutztes Kraftfahrzeug.

Für den Einzelnen scheint es aber schwer nachvollziehbar zu sein, warum er für etwas bezahlen soll, das er vielleicht gar nicht nutzt.

Das stimmt, viele Menschen haben da Verständnisschwierigkeiten. Die Frage ist aber, wie man die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ansonsten sicherstellen sollte. Man will ja auf gar keinen Fall, dass daraus ein abhängiger Staatsrundfunk wird. Deshalb scheidet eine Finanzierung aus Steuern von vorneherein aus. Sonst hätten staatliche Stellen einen viel zu großen Einfluss. Und da liegt es eben nahe, zu sagen: Wir knüpfen an eine Wohnung oder ein Auto an, weil in solchen Räumen eben typischerweise Fernsehen geguckt oder Radio gehört wird.

Wie hoch sehen Sie die Erfolgschancen der Kläger?

Das kann man jetzt noch nicht prognostizieren. Ich bin schon mehrfach involviert gewesen in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und ich muss sagen, dass ich regelmäßig total platt war über den Ausgang - es ist immer anders ausgegangen als ich gedacht hatte. Bis jetzt hat das Bundesverfassungsgericht sich dazu ja auch noch überhaupt nicht geäußert. Nach der mündlichen Verhandlung wird man es etwas besser einschätzen können. Je nachdem, wie die Richter ihre Fragen stellen oder ob etwa alle acht Richter in die gleiche Richtung fragen. In jedem Fall wird es Gründe geben, warum sich das Gericht dieses Thema näher anguckt. Sonst hätten sie dieses Verfahren für unzulässig erklärt. Das heißt, das Gericht sagt, die Kläger haben ein berechtigtes Interesse, dass Karlsruhe sich damit auseinandersetzt.

Jeder Steuerzahler muss zig Abgaben bezahlen, da gibt es kaum Proteste. Warum wird der Streit um diese 17,50 pro Monat so emotional geführt?

Gerade im Bereich der Medien ist man mittlerweile eigentlich gewohnt, alles umsonst zu bekommen. Und wenn man zahlt, zahlt man für etwas ganz Bestimmtes, das man besonders gerne haben möchte, etwa für ein Bundesligaspiel. Die Vorstellung, dass man dafür zahlt, dass alle - also auch Arme oder Minderheiten - ausreichend informiert sind, die ist vor allem in der jüngeren Generation gar nicht mehr zu finden. Die Gesellschaft braucht aber Informationsangebote, die von hoher Qualität und für alle da sind. Nur so kann der Bestand unserer Demokratie sichergestellt werden.

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