Süddeutsche Zeitung

Rundfunkabgabe in Sachsen:Zahl der Wahl

Bei der Reform der Rundfunkgebühren will der Freistaat Sachsen vorpreschen und eine Haushaltsabgabe von 17,98 Euro ins Gesetz schreiben. So einfach geht das allerdings nicht.

Claudia Tieschky

Anfang Juni beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder den Systemwechsel bei der Rundfunkgebühr und hatten selbst viel Lob für ihren Plan. Die Erleichterung ist begreiflich, denn das alte Modell hat nicht nur rechtliche Schwachstellen (PC-Gebühr), sondern durch die Schnüffeleien der GEZ auch einen miserablen Ruf. Der Neustart mit einer allgemeinen Haushaltsabgabe war insofern vor allem eine Aktion für mehr Akzeptanz bei den Leuten. Wahrscheinlich ist das Werben um Zustimmung derzeit überhaupt die wichtigste Aufgabe für ARD, ZDF und Deutschlandradio. Die Öffentlich-Rechtlichen können auf Qualitäten bei Kultur und Information verweisen. Aber die Höhe der Rundfunkgebühr spielt keine geringe Rolle, wenn die Bürger vor den Fernsehern sparen müssen und Privatsender kostenlos sind.

In diesen Tagen entstehen die Entwürfe für das neue Gebühren-Gesetz. Zwei Maximen der Politik begrenzen die Spielräume: Ein Haushalt soll nicht mehr zahlen als 17,98 Euro, die jetzige GEZ-Gebühr pro Gerät. Zudem sollen die Sender nicht weniger Einkünfte als bisher erhalten; 2009 lagen die Gebührenerträge bei 7,6 Milliarden Euro. Die finanziellen Auswirkungen seien mit Hilfe der Daten bei der GEZ abgeschätzt, heißt es aus Verhandlungskreisen, man gehe davon aus, dass die Einnahmen der Sender stabil bleiben.

Die Sätze über sagenhaften Mehreinnahmen für die Anstalten, von denen der FDP-Politiker Burkhardt Müller-Sönksen in der Bild-Zeitung wusste ("1,2 bis 1,6 Milliarden pro Jahr"), bewiesen hauptsächlich: die Medienwirksamkeit aller Wortmeldungen zur Rundfunkabgabe - und die allgemeine Erregbarkeit beim Verdacht, die Sender könnten von der Umstellung profitieren.

Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich nicht ohne Grund früh darauf festgelegt, dass die neue Abgabe nicht teurer wird als 17,98 Euro. Allerdings gilt das Versprechen nur für den Vorgang der Umstellung selbst, der nicht ganz zufällig mitten in einer laufenden Gebührenperiode vollzogen wird - also mit genug zeitlichem Abstand zur Entscheidung der unabhängigen Gebührenkommission KEF für die Abgabe ab dem Jahr 2013. Die KEF prüft den von den Sendern angemeldeten Finanzbedarf und legt eine Gebührenhöhe fest, die dann von den Landtagen bestätigt werden muss. Selbst wenn die Systemumstellung in diesem Herbst kostenneutral gelingt, ist nicht gesagt, dass ab 2013 nicht doch mehr fällig wird als 17,98 Euro - etwa durch einen Teuerungs-Zuschlag oder höheren Bedarf der Anstalten.

Die Länderchefs wissen, dass es nicht gut ankommt bei Wählern, wenn etwas plötzlich anders gemeint war, als es allgemein verstanden wurde. Verstanden wurde: Es wird nicht teurer. Auch deshalb macht sich die Politik jetzt vorsichtshalber mal Gedanken, wo die Sender sparen können.

Seit kurzem gibt es dafür eine Arbeitsgruppe unter der Führung Sachsens - mit einem Namen, der klar macht, worum es wirklich geht: "AG Beitragsstabilität". Treibende Kraft ist der Chef der Dresdener Staatskanzlei, Johannes Beermann, CDU, der 2014 eine Landtagswahl gewinnen will. Der Sächsische Landtag hat 2005 schon einmal heftig über eine von der KEF festgelegte Gebührenerhöhung gestritten und sie am Ende blockiert. Das trug dazu bei, dass ARD/ ZDF vor das Bundesverfassungsgericht zogen - und im Gebührenurteil von 2007 auf ganzer Linie siegten. Jetzt will man in der Spar-AG schon vor der nächsten Gebührenrunde eine Debatte führen, bei der es auch um Rundfunkorchester gehen wird, um den Kulturkanal 3sat und um die Zahl der digitalen Sender. Alles, was denkbar ist, soll auf den Tisch.

Vor allem will der Sachse Beermann offenbar eine Klausel in den neuen Staatsvertrag einbauen, die festlegt, dass die Gebühr auch 2013 nicht über 17,98 Euro steigen darf. Das ist ein Plan, wie er Wählern gefällt. Politisch findet er selbst im Unionslager nicht ungeteilte Zustimmung. Kritiker sehen einen drohenden Eingriff in die Befugnisse der KEF und in die vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Entwicklungsgarantie der Öffentlich-Rechtlichen, kurz: einen Konflikt mit der Staatsferne des Rundfunks. Beermann, 49, schickt sich gerade an, zum neuen bösen Buben im Kreis der Unionsländer zu werden, die Rolle füllte bislang der Hesse Roland Koch.

Dass der Gebühren-Populist aus Dresden nun jedenfalls Druck auf die Sender aufbaut, dürfte im Länderkreis aber nicht unwillkommen sein. Denn möglicherweise könnten die Anstalten ganz plötzlich Vorteile darin sehen, selbst für Beitragsstabilität zu sorgen - indem sie für 2013 von sich aus weniger Bedarf anmelden.

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SZ vom 01.09.2010/leja
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