Rundfunkabgabe:Einer wird gewinnen

Ermano Geuer

Massenweise Fanpost: Ermano Geuer hat Jura studiert, weil er aktiv mit den erworbenen Kenntnissen arbeiten will.

(Foto: Ritchie Herbert)

Am 25. März nimmt sich Ermano Geuer frei. Dann will er vor Gericht die Rundfunkabgabe kippen, die seit Anfang 2013 für jede Wohnung erhoben wird. Ein Treffen mit einem Juristen, der sich gerade sehr bekannt macht.

Von Claudia Tieschky

Wer kennt schon Ermano Geuer? Inzwischen fast jeder. Der Name hat eine gewisse Berühmtheit erlangt. Immer, wenn in den vergangenen Monaten von dem weitläufigen Streit um die Haushaltsabgabe die Rede war, kam der junge Jurist vor: Im Übrigen betreibe Ermano Geuer aus Passau eine Popularklage gegen das Gesetz, stand dann da, oft am Ende der Berichte - fast formelhaft, wie das ceterum censeo des römischen Cato.

Der Redner Cato vergaß nie, die Zerstörung Karthagos zu fordern und kam am Ende jeder Rede darauf zurück. Geuers Karthago ist der Staatsvertrag zur pauschalen Rundfunkabgabe für alle. Er hält ihn für verfassungswidrig, er will ihn zu Fall bringen und er hat einen Weg gefunden, genau das zu versuchen.

Klassische Rhetorik und Juristerei haben ein gemeinsames Arbeitsprinzip: den Wettstreit mit Argumenten. Im Mai 2012 hat Ermano Geuer Popularklage eingereicht, ein besonderes Rechtsmittel, das es nur in Bayern gibt und das es erlaubt, ein Gesetz direkt und ohne persönliche Betroffenheit anzugreifen, ohne den Weg durch die Instanzen. Der junge Mann gegen das System, einer gegen alle.

Geuer gegen 16 Bundesländer

Seit ein paar Tagen steht das Datum fest, an dem der 29-Jährige, der bis vor Kurzem völlig unbekannt war, gegen das Gesetz argumentieren wird - und antritt gegen 16 Bundesländer sowie einen Gutachter von Rang: Es war der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof, der früh bescheinigte, die neue Finanzordnung des Rundfunks sei verfassungskonform, aber auch das muss einen, der nach Karthago will, nicht beeindrucken. Am 25. März hat sich Geuer frei genommen. Es ist der Tag der Verhandlung vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München.

Am Dienstagabend voriger Woche sitzt Geuer in seiner Küche und antwortet auf die Frage, was ihn da treibt. Er kommt von der Arbeit als Syndikus-Anwalt bei einem Handelsunternehmen in Ingolstadt, wo er jetzt wochentags allein in einem ruhigen Mehrfamilienhaus wohnt. Seine Küche ist ordentlich, Öl und Gewürze stehen in einem Plastikkörbchen, an der Wand hängen Fotos von einem sommerlichen Bergsee in Italien, in der Ecke stehen Skier. Geuer sitzt auf der Eckbank, er trägt noch den Anzug und die schwarzen Schuhen vom Tagesgeschäft, und passt eigentlich nicht in die rustikale Einrichtung. Die Klageschrift liegt vor ihm in einem großen Ordner.

Fanpost im Büro

Er nennt es Neuland. Das erst macht seine Aktion möglich. Das Gesetz, das seit 2013 gilt, ist so neu, dass es noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen dazu gibt, eine Meinung ist noch so gut wie die andere. Er sagt also, er habe ja nicht Jura studiert, "um damit nichts zu machen, sondern ich will ja aktiv damit arbeiten". Was Kirchhof betrifft, mit dem er sich misst, da meint er, wenn man sich mit Jura beschäftige, sei es nun "nichts Besonderes, dass man die Meinung eines Professors anzweifelt und sagt, ich sehe das anders und ich kann es auch entsprechend begründen."

Als seine Initiative 2012 bekannt wird, bekommt er massenweise Fanpost in sein Büro an der Uni Passau, wo er studiert hat und zu dieser Zeit an einem interdisziplinären Datenschutzprojekt arbeitet. Leute, die sich von der neuen Finanzordnung für ARD und ZDF ungerecht behandelt fühlen, bitten ihn um Hilfe. Oder sie wollen ihm helfen. Wenn man Ermano Geuer in dieser Zeit gesprochen hat, bekam man den Eindruck, dass ihm die Sache logistisch über den Kopf wuchs. "Dass viele Leute betroffen sind, war mir klar - Gewerbetreibende, wo die Ungerechtigkeit noch größer ist, oder Leute mit kleinerem Geldbeutel, das war mir auch klar", sagt er heute, "nur in der Masse hat es mich dann etwas überrascht." Auf all die Briefe zurückzuschreiben? Unmöglich, weder finanziell noch zeitlich - "ich meine, ich musste ja auch arbeiten."

Kompliziertes Rundfunkrecht

Ermano Geuer vertritt kurz gesagt die Ansicht, die neue Abgabe schaffe Ungleichheit und sei in Wahrheit keine Abgabe, sondern eine Steuer. Der Punkt daran: Die für den Rundfunk zuständigen Länder dürfen gar keine Steuern beschließen. Aber Geuer gesteht auch Ehrgeiz: "Das ist eine super Gelegenheit, sich als junger Jurist auszuprobieren, zumal wenn man auch selber davon überzeugt ist, dass die Sache nicht so ganz fair und ausgewogen ist, dann kann man sagen, okay, vielleicht kommt ja noch was Positives dabei rum."

Der Großdrogist Rossmann, der von der Neuregelung belastet wird, ist mit einer eigenen Popularklage am 25. März beteiligt. Daneben beschreiten auch viele Betroffene den Weg durch die Instanzen mit dem Ziel einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht. Geuers Weg ist der schnellste, auch wenn es am 25. März noch kein Urteil geben wird. Rundfunkrecht ist kompliziert. Sogar dann, wenn das Gericht ihm Recht geben sollte.

Was dann geschieht? Ermano Geuer langt von der Eckbank auf einen Sessel und sucht im Rundfunkstaatsvertrag nach einem Datum. Am 31. Dezember 2014 darf der Vertrag erstmals gekündigt werden. Das Gericht kann nur für Bayern entscheiden, aber es kann den Freistaat dazu anhalten, mit den anderen Ländern eine Neuregelung zu finden. Das wäre spektakulär.

Finanzieller Spielraum nicht groß

Geuer schließt gelegentlich beim Sprechen kurz die Augen, als ob er ein völlig verinnerlichtes System aus Argumenten und Beispielen abgehe. Es ist eine Geste, die bei ihm nicht aufgesetzt wirkt, aber ungewöhnlich für einen jungen Mann. Er fragt nach der Abgabepflicht für Autos, wo doch der Gerätebesitz, etwa ein Autoradio, in der neuen Ordnung eben kein Argument mehr sein darf für die Zahlpflicht. Er fragt nach der Beitragslast für Gewerbe, die doch im Gesetz nach Mitarbeitern gestaffelt ist, aber höchst unterschiedlich ausfällt je nachdem, ob 200 000 Mitarbeiter an einem Standort arbeiten oder auf viele verteilt. Er fragt stellvertretend für viele.

Derweil verteilen die Ministerpräsidenten, die das Gesetz schufen, längst die Früchte der Äcker im Neuland. In dieser Woche wollen sie entscheiden, um wie viel die Rundfunkabgabe sinkt, weil die Reform 1,1 Milliarden Euro mehr bringt, auf vier Jahre gerechnet. Eine Evaluierung, also Überprüfung der Gerechtigkeit des Gesetzes steht zwar auf dem Papier, aber der finanzielle Spielraum dafür ist nicht groß. Vieles, was Geuer und andere Kritiker in Zweifel ziehen, ist längst in die Rechnung zur Beitragssenkung eingepreist. Nicht zuletzt entscheiden die Münchner Richter über die unheimliche Seelenruhe, mit der Rundfunkpolitik durchgezogen wird.

Man könnte auch sagen, Ermano Geuer stellt Fragen, die sich das System gar nicht mehr stellt. Und Rom ist nicht unfehlbar.

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