Rundfunk: Neues Gebührenmodell:Alle zahlen - und die GEZ-Schnüffler bleiben daheim

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Die alte GEZ-Gebühr ist am Ende. In drei Jahren gilt eine Haushaltsabgabe - jeder zahlt dann knapp 18 Euro. Dafür schickt die GEZ keine Schnüffel-Brigaden mehr zur Jagd auf Schwarzseher.

Claudia Tieschky

Jahre lang, ja fast Jahrzehnte lang, stritt die Politik über die Rundfunkgebühr. Wer immer in Deutschland ein Radio- oder Fernsehgerät besaß, musste zahlen. Und nun stellten sich an diesem Mitwochabend in Berlin zwei Ministerpräsidenten hin und erklärten, dass künftig alles anders sei.

Das neue Modell für die Rundfunkfinanzierung steht: Künftig soll jeder Haushalt zahlen. (Foto: dpa)

Von 2013 an muss jeder Haushalt in Deutschland - egal, ob er fernsieht oder nicht - monatlich knapp 18 Euro zahlen. Ein "einfacheres und gerechteres Modell", erklären Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und Stefan Mappus (Baden-Württemberg). Ziel der Länder sei es, die Finanzierung für ARD und ZDF "auf eine zeitgemäße Grundlage zu stellen, die Kontrollbedürftigkeit...deutlich zu reduzieren und vor allem auch die Privatsphäre der Rundfunkteilnehmer zu schonen."

Was die beiden Politiker damit meinen? Vor allem, dass die GEZ-Schnüffler nun nicht mehr ihr Unwesen treiben - jene Mitarbeiter der Gebüheneinzugszentrale, die an Wohnungstüren erforschten, wie es denn mit dem Bezahlen für Rundfunk sei? Ob man ein Radio habe, vielelicht im Auto? Und was mit den Kindern sei?

Der Trupp machte den Bürgern Angst. Nun zahlen eben alle - bis auf jene, die "befreit" sind - für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Die alte GEZ-Gebühr verschwindet, am Donnerstag wollen die Ministerpräsidenten abschließend entscheiden. Es geht auch um die Akzeptanz von ARD, ZDF und Deutschlandradio in der Gesellschaft.

Ein Werbeverbot für die Öffentlich-Rechtlichen, das die neue Abgabe verteuern würde, wurde von den Länderchefs nicht beschlossen. Dagegen kommt wie erwartet ein Sponsoringverbot ab 20 Uhr mit Ausnahme großer Sportereignisse (diese bringen allerdings die Haupterlöse aus Sponsoring).

Ministerpräsident Beck (SPD), der den Vorsitz in der Länderkommission führt, erklärt, er sei ,"hochzufrieden mit der erzielten Lösung", nur hätte er sich gewünscht, "dass wir bei der Werbefreiheit nun gleich zu einem Ergebnis gekommen wären". Mit der Systemumstellung sei man aber einen so entscheidenden Schritt gegangen, "dass nun Zeit bleibt, die Werbefreiheit bis 2013 noch einmal zu prüfen".

Was ändert sich konkret mit der neuen Ordnung? Das sind die Fragen, das sind die Antworten.

Was ist ein Haushalt und was ändert sich im Vergleich zur jetzigen Gebühr?

In Zukunft wird die Rundfunkgebühr (heute 17,98 Euro) nicht mehr von jeder Person und für jedes Empfangsgerät erhoben. Sie besteht auch nicht mehr aus der Kombination von Grundgebühr ( 5,76 Euro, zum Beispiel nur für Radio oder internetfähigen PC) und Fernsehgebühr (12,22 Euro). Stattdessen entrichtet künftig jede Wohnung oder Firma eine Pauschale, die vorerst nicht teurer sein soll als eben 17,98 Euro. Sie ist unabhängig davon, wie viele Personen dort wie viele Rundfunkgeräte nutzen. Eingefordert wird die Abgabe vom Hauptmieter, bei selbstgenutztem Wohneigentum vom grundbuchamtlichen Besitzer. Zum Beispiel müssen Kinder, die eigenes Einkommen haben und in der Wohnung der Eltern leben, künftig nicht mehr zusätzlich zu den Leistungen der Eltern zahlen. Auch zwischen privater und beruflicher Rundfunknutzung (bislang ein Problem bei Selbstständigen) wird innerhalb einer Wohnung nicht mehr unterschieden. Für Zweitwohnungen soll nach letztem Beratungsstand ein Drittel der Pauschale erhoben werden.

Was ändert sich für Firmen, Hoteliers und Vermieter von Ferienwohnungen?

Vorgesehen ist eine "Betriebsstättenabgabe", deren Höhe nach der Mitarbeiterzahl gestaffelt ist. Die Rede ist von Beträgen zwischen sechs Euro und 150 Euro pro Monat. Hotels und Vermieter von Ferienwohnungen werden dadurch stark entlastet. Teuer werden Miet- und Dienstwagen: Für jedes Auto soll ein Drittel der Abgabe erhoben werden. Von Gewerbetreibenden und der öffentlichen Hand stammen derzeit etwa neun Prozent der Rundfunkfinanzierung.

Wann kommt die neue Gebühr?

Im Januar 2013. Dann beginnt die nächste Gebührenperiode. Das ist der jeweils vier Jahre umfassende Zeitraum, für den die unabhängige Kommission KEF den Plan für die Rundfunkfinanzierung festlegt. Das Gesetz, das die Haushaltsabgabe regelt, soll noch in diesem Herbst verabschiedet werden.

Was wird aus der GEZ?

Die 1973 gegründete Gebühreneinzugszentrale GEZ in Köln bleibt erhalten. Stark abgebaut wird wohl bei den auf Provisionsbasis arbeitenden Außendienstmitarbeitern. Die Haushaltsabgabe soll Schluss machen mit den berüchtigten GEZ-Schnüffeleien. Aus Verhandlungskreisen heißt es, diese hätten enormen Schaden fürs Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunk angerichtet. Für die GEZ spricht nach Ansicht der Länder, dass die Behörde mit einem Verwaltungsaufwand von 2,26 Prozent des Gebührenaufkommens (2008) relativ kosteneffizient arbeite. Die GEZ wird zum Start der Reform einen kompletten Datenabgleich von den Einwohnermeldeämtern erhalten und soll dann fortlaufend ermitteln, ob für jede Wohnung gezahlt wird.

Muss ich auch zahlen, wenn ich gar keinen Fernseher habe?

Ja. Die Argumentation für eine allgemeine Zahlpflicht in einem wichtigen Gutachten des früheren Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhof lautet sinngemäß: Jeder profitiert vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, unabhängig davon, ob er ihn tatsächlich nutzt.

Muss der Steuerzahler jetzt auch noch für die Rundfunkabgabe der Hartz-IV-Empfänger aufkommen?

Wahrscheinlich nicht. Kirchhof hatte zwar angeregt, dass es für gebührenbefreite, arme Haushalte eine Ausgleichszahlung aus Steuermitteln an die Rundfunkanstalten geben sollte. Es geht angeblich um Summen zwischen 300 und 500 Millionen Euro pro Jahr. Die Pauschale vom Staat könnte laut Kirchhof an das Wohngeld angedockt werden, für das Bund und Kommunen aufkommen. Dafür müssten Bundesgesetze geändert werden, und außerdem fehlt das Geld dafür. Das Thema ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

Wird die Gebühr teurer?

Durch die Reform allein nicht. Die Ausnahme sind Radiohörer und möglicherweise Behinderte. Die Ministerpräsidenten wollen grundsätzlich, dass durch die Umstellung pro Haushalt nicht mehr als 17,98 Euro fällig werden, so viel wie derzeit die volle GEZ-Gebühr. Haushalte, die heute nur Grundgebühr leisten (zum Beispiel nur für Radiogeräte), zahlen demnächst viel mehr. Zudem überlegen die Länderchefs, von vermögenden behinderten Menschen (bislang gebührenbefreit) ein Drittel der Pauschale zu verlangen, um "barrierefreie Angebote" im Rundfunk zu finanzieren. Dies war aber bis zuletzt strittig.

Unabhängig von der Systemumstellung legt die KEF im kommenden Jahr turnusgemäß neu fest, wie viel Geld die Anstalten von 2013 bis 2016 benötigen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es eine "Entwicklungsgarantie", die das Bundesverfassungsgericht bekräftigt hat. Sollte sein Finanzbedarf steigen (zum Beispiel durch Inflation oder neue Projekte im digitalen Hörfunk), dann steigt 2013 auch die Pauschale über 17,98 Euro.

© SZ vom 10.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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