Rückzug von Günther Jauch:Gesucht: Talkshow-Talent mit Strahlkraft

Stromausfall in Berlin - Jauch startet später

Läuft zum Ende des Jahres aus: Die Talksendung "Günther Jauch".

(Foto: dpa)
  • Nach dem Rückzug von Moderator Günther Jauch muss die ARD bis spätestens Ende August einen Nachfolger finden.
  • Jauch ist häufig vorgeworfen worden, zu lasch zu fragen - dabei bietet der Sendeplatz am Sonntag kaum Raum für wirkliche Analyse.
  • Sicher gilt, dass die Jauch-Nachfolge maßgeblich vom NDR gelenkt wird. Zu erwarten ist eine konventionelle, interne Lösung.

Von Hans Hoff

Mit seiner Entscheidung, nur noch bis Ende des Jahres in der ARD zu talken, dürfte Günther Jauch wohl einigen Menschen im Anstaltenverbund den Sommerurlaub vermiest haben.

Denn sieben Monate sind für ARD-Verhältnisse kurz, verdammt kurz. Man erinnere sich nur an die jüngst bekanntgeworden Schwierigkeiten, Thomas Gottschalk nach seiner im Juni 2012 gescheiterten Vorabendshow im Ersten eine Anschlussverwendung bis zum Jahresende zu verschaffen. Nichts klappte da.

Jauch galt als Erlöser

Es ist kaum anzunehmen, dass die ARD noch einmal einen Bewerber mit jener Strahlkraft aufbieten kann, wie sie Jauch vor dem Start seines Sonntagabendengagements hatte. Als der seine Show am 11. September 2011 startete, galt er manchen in der ARD als eine Art Erlöser. Von Jauch versprach man sich nicht nur eine Entkrustung der zähen Talkshow-Rituale, sondern auch etwas Glanz im Stuhlkreis.

Vorher hatte auf dem Sendeplatz nach dem "Tatort" Anne Will geplauscht und einen ordentlichen Job gemacht. Sie war aber nach Einschätzung vieler ARD-Granden eher glanzlos geblieben. Jauch sollte das ändern.

Doch diese Hoffnung beruhte auf einem großen Irrtum. Das zeigte sich in den Folgejahren, als der auf Jauch projizierte Lack langsam abblätterte. Es erwies sich, dass Jauch sehr schön Fragen von Kärtchen ablesen kann, dass er durchaus auch politisches Interesse an den Tag legt, dass er diese beiden Talente aber nicht zu einer anregenden Gesprächsführung zu vereinen weiß. Mehrfach wurde ihm daher vorgeworfen, zu lasch zu fragen, sich lediglich auf Oberfläche zu konzentrieren und das Bohren in die Tiefe zu vernachlässigen.

Kein Sendeplatz für tiefe Analyse

Natürlich verkennt solch eine Kritik, dass der Sendeplatz am Sonntag nicht den Platz für wirkliche Analyse bietet. Am Sonntag nach dem "Tatort" serviert die ARD vielmehr ein Ritual, das die Woche beschließen soll, ohne den von der Debatte der vorangegangenen Tage schon leicht ermüdeten Zuschauer allzu sehr zu verwirren. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf Show, weniger auf Talk.

Jauch ist diesem tiefer gelegten Anspruch durchaus gerecht geworden. Er hat im Seichten geangelt, und er hätte seine Rute auch noch länger auswerfen können, wenn er denn bereit gewesen wäre. Ihm lag ein Angebot vor, seinen Vertrag zu verlängern. Er lehnte das aber "aus beruflichen und privaten" Gründen ab.

Spekulationen über die wahren Rücktrittsgründe

Das ist natürlich eine PR-Floskel, hinter der sich alles und nichts verbergen kann. Da Jauch aus Angst, von der Regenbogenpresse ausgebeutet zu werden, keine substantiellen Interviews mehr gibt, wird über die wahren Gründe natürlich spekuliert.

Schon macht die Theorie die Runde, Jauch könnte sich von der Debatte über die jüngst bekanntgewordenen Gottschalk-Honorare abgestoßen gefühlt haben. Ihm sei nicht daran gelegen, dass auch seine Gagen in der Öffentlichkeit verhackstückt würden, heißt es. Und darauf, dass mit der ARD vereinbarte Honorare geheim bleiben, darf sich dieser Tage niemand mehr verlassen. Selbst wenn die ARD-Intendanten all ihre Transparenz-Gelöbnisse stets kurz vor den Verträgen mit programmprägenden Persönlichkeiten vergessen.

Sein und Schein klaffen in dem Geschäft auseinander - schön zu beobachten ist dies an den Worten des ARD-Vorsitzenden Lutz Marmor über Jauch: "Er hat mit seiner Sendung oft die politische Agenda geprägt und für das Erste neue Zuschauer gewonnen. Sein Talkformat ist pointiert, hintergründig, emotional und auch mal unterhaltsam aufbereitet - passend für den Sonntagabend." Die Wahrheit liegt eher in der Nähe des Gegenteils.

Selten hintergründig

Fast nie hat Jauchs Sendung die Agenda bestimmt, selten war sie hintergründig und kaum je pointiert. Wenn der Jauch-Talk Auswirkungen auf die Agenda hatte, dann lag das in der Regel an anderen. An Jan Böhmermann zum Beispiel, dem es gegen den Strich ging, dass Jauch im Frühjahr die Griechenlanddebatte auf den von Finanzminister Varoufakis vor Urzeiten gezeigten Stinkefinger verkürzte. Böhmermann behauptete dreist, seine Redaktion habe das als Grundlage dienende YouTube-Video gefälscht und Jauchs Redaktion sei drauf reingefallen.

Das war natürlich gelogen, aber es offenbarte mit satirischen Mitteln, mit welch billigen Tricks Jauch arbeitet. Die Theorie, dass Jauch auch wegen Böhmermanns Coup nicht weitermachen will, scheint indes sehr weit hergeholt. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass Jauch als kluger Geschäftsmann erkannt hat, dass sich sein Stern im steilen Sinkflug befindet. Als deutliches Indiz darf da gelten, dass kaum noch ein deutscher Kabarettist ohne die billige Pointe auskommt, dass man Jauch im Ersten tatsächlich für eine politischen Journalisten halte. Für ein paar billige Lacher ist das immer gut.

Eilfertig und tapfer lobt die ARD noch die tollen Quoten. Die sind in der Tat bestechend. Jauch hat die Zuschauerzahlen, die Anne Will vorzuweisen hatte, meist übertroffen. Vergessen wird bei den von der ARD gesungenen Lobeshymnen aber gerne, dass die Jauch-Quote nur "geliehen" ist. Er profitierte einzig und allein vom sagenhaften Aufschwung des "Tatort"-Formats. Der ARD-Krimi hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der letzten Lagerfeuer des Fernsehgeschäfts entwickelt. Nur noch Fußball holt bessere Quoten.

Steile These: Wer nach einem "Tatort" nicht wenigstens vier der zehn Millionen Zuschauer vor dem Bildschirm halten kann, muss schon ein ziemlicher Trottel sein. Jeder halbwegs begabte Jauch-Nachfolger dürfte das hinkriegen. Ob der Anspruch, am Sonntagabend auch ein wenig politischen Inhalt zu präsentieren, ein hoffnungsfroher sein darf, entscheidet sich, wenn die ARD-Granden über die Nachfolge entschieden haben.

Wer auf der Nachfolger-Liste steht

Natürlich steht Anne Will ganz oben auf der Liste. Ihr sei mit der Vertreibung vom Sonntag bitteres Unrecht geschehen und sie habe sich auf ihrem Sendeplatz am Mittwoch sehr schön weiter entwickelt, heißt es nun. Zudem könnte sich das Erste mit einer Verlegung von Anne Will auf den Sonntag neuen Spielraum für frische Programme am Mittwoch verschaffen. All das trifft ohne Zweifel zu, allerdings ticken die Uhren in der ARD nicht immer im Takt einer inneren Logik.

Sicher scheint, dass die Jauch-Nachfolge maßgeblich aus dem Norddeutschen gelenkt wird. Wer immer am Sonntag ankommt, reist mit einem NDR-Ticket. Und wer dann noch die "Tagesthemen" moderiert, ist keinesfalls chancenlos. Das erklärt, warum sowohl Caren Miosga als auch der für die Amtszeit von Thomas Roth in den USA geparkte Ingo Zamperoni auch im Debattentopf köcheln. Das erklärt, warum die auf WDR-Ticket reisenden Talker Frank Plasberg und Sandra Maischberger chancenlos sind.

Weit und breit niemand in Sicht

Dass noch einmal jemand mit der einst bei Jauch vermuteten Strahlkraft von außen kommen könnte, scheint indes ausgeschlossen. Weit und breit sind keine Talker von Format in Sicht, und auch in der zweiten Liga stechen keine großen Talente ins Auge. Jene, die trotzdem auffallen, haben einen Makel. So wirkt etwa Steffen Hallaschka, Jauchs Nachfolger bei "Stern TV", zu sehr wie die Kopie seines Vorgängers.

Trotzdem wird im NDR derzeit natürlich über alles und jeden geredet. Zu erwarten ist eine konventionelle interne Lösung. Es muss jemand sein, der nicht nur die Intendanten, sondern auch die zahlreichen Gremien des Anstaltenverbundes zufriedenstellt.

Und damit fallen unkonventionelle Lösungen weg. Stefan Raab zum Beispiel. Der ist zwar beim Kanzlerduell positiv aufgefallen, gilt als politisch interessiert und könnte möglicherweise ein paar junge Zuschauer gewinnen. Aber für das Hochamt des deutschen Plausch-Gewerbes wäre er dann doch eine zu gewagte Wahl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: