Süddeutsche Zeitung

RTL-Film:Adidas gegen Puma: Kampf zweier Brüder

Ein Familienbetrieb, zwei Konkurrenten. RTL erzählt die Geschichte von Adolf und Rudolf Dassler als Familiensaga um die Entstehung zweier Weltkonzerne.

TV-Kritik von Uwe Ritzer

Nicht nur das große Berlin, auch das kleine, fränkische Herzogenaurach hatte seine Mauer, eine Mauer in den Köpfen allerdings. Sie kostete keine Menschenleben, hatte aber deutlich länger Bestand als jene in der Hauptstadt. Sie trennte nicht Ost und West, sondern die Mitarbeiter und Anhänger der einen von jenen der anderen Firma. Adidas oder Puma. Drei Streifen oder das springende Raubtier. Automatisch ging der Blick der Herzogenauracher lange Zeit zuerst auf die Schuhe ihrer Gegenüber.

Wer für Adolf "Adi" Dassler arbeitete, trank sein Bier nur in Kneipen, in denen ausschließlich Adidas-Leute verkehrten. Die Beschäftigten in Rudolf "Rudi" Dasslers Firma Puma hielten es ebenso. Ganze Familienclans waren bei der einen oder der anderen Firma beschäftigt; sogar bei der Partnerwahl soll bisweilen auf die Marke geachtet worden sein. Man tanzte auf getrennten Faschingsbällen und bei den Derbys zwischen den Adidas-Fußballern vom ASV und jenen des Puma-Klubs FC ging es hoch her. Und alles nur, weil sich zwei Brüder heillos zerstritten und bis an ihr Lebensende nicht wieder angenähert, geschweige denn versöhnt haben.

Wettlauf der Verfilmungen des großen Bruderduells

Kein Lebender weiß zuverlässig, was zum Zerwürfnis von Adolf und Rudolf Dassler führte. Waren es Intrigen oder misstrauische Ehefrauen, ging es um Eitelkeiten oder um Macht, um Neid oder Sex? Um Verstrickungen in den Nationalsozialismus? Um Verrat? Womöglich sogar um alles zusammen? Oder verband und trennte die Brüder Dassler eine gewissermaßen genetisch bedingte, unauflösbare Hassliebe?

Ein großartiger Stoff für Dramaturgen. So gesehen ist es eigentlich erstaunlich, dass dieses spannende Bruderduell aus der jüngeren Wirtschaftsgeschichte jetzt erst verfilmt wurde. Das allerdings gleich doppelt. Gleichzeitig gaben RTL und ARD Spielfilme über die Dasslers in Auftrag. Reiner Zufall, versichern beide Sender.

Im Wettlauf um die Ausstrahlung geht RTL am Karfreitag als Erster durchs Ziel. Die ARD zieht voraussichtlich im Herbst mit einem Zweiteiler nach, ebenfalls an einem "prominenten Sendetermin", wie es heißt. Als Produzenten sind Michael Souvignier (Das Wunder von Lengede, Das Tagebuch der Anne Frank) bei RTL und bei der ARD das Duo Quirin Berg und Max Wiedemann (Das Leben der anderen, Die Spiegel-Affäre) am Start. Beide Filme werden mit Dokumentationen ergänzt.

Keiner der Spielfilme wird und kann die Frage seriös beantworten, was die Dasslers tatsächlich entzweite. Dass muss aber auch nicht sein, denn diese Geschichte von Leidenschaft und Hass, von Wettkampf und Erfolg lebt und fasziniert aus sich selbst heraus. Aus ihrer Rätselhaftigkeit und dem, was aus alledem entstand. Der RTL-Film hält sich ganz an die Emotion: Ein Bruderzwist, von Regisseur Oliver Dommenget in gefühligen Bildern inszeniert, als spannender Film, bei dem aus Brüdern misstrauische Rivalen und schließlich verbitterte, sich verachtende Gegner werden. Die famosen Schauspieler Ken Duken und Torben Liebrecht verkörpern Adi und Rudi Dassler so, wie sie zweifellos waren: Als Egomanen.

Vielleicht ging alles schief, weil sie so verschieden waren: Adolf, der detailversessene Tüftler, introvertiert, ja grüblerisch, getrieben vom Ehrgeiz, die besten Sportschuhe zu schustern. Und Rudolf, der Lebemann, eloquent, lässiger Dandy, Frauenheld und schlauer Verkäufer. Begnadeter Schuhmacher und begnadeter Vertriebler. Der eine ständig in der Werkstatt, der andere im Cabrio unterwegs, ein Paar Schuhe nach dem anderen verkaufend. Eigentlich eine Traumkombination. Vorausgesetzt, man kann miteinander. Adi und Rudi Dassler konnten es spätestens 1948 nicht mehr.

In diesem Jahr spalteten sie ihre 1924 gegründete Sportschuhfabrik, und die Mitarbeiter mussten sich für eine Seite entscheiden. Das entzweite nicht nur ihr Heimatstädtchen. Es war vor allem der Urknall, der die Weltkonzerne Adidas und Puma hervorbrachte. Sie rüsteten die Sportwelt aus, als vom heutigen Hersteller Nummer Eins Nike noch lange nichts zu sehen war.

Sind Frauen schuld? Oder die Nazis?

Adidas oder Puma - im Nachkriegsdeutschland war dies so wie später die Gretchenfrage Beatles oder Rolling Stones. Ein Statement, eine Frage der Einstellung. Adidas geriet zur Marke der Erfolgreichen, des ehrgeizigen Establishments, wenn man so will. Der Seelers, Beckenbauers und Müllers. Puma galt als Label exzentrischer, manchmal merkwürdiger Individualisten von Becker, über Cruyff bis zu Matthäus.

Adolf und Rudolf Dassler selbst sprachen angeblich irgendwann überhaupt nicht mehr miteinander, wobei es aber in Herzogenaurach auch Menschen gibt, die von gelegentlichen heimlichen Treffen erzählen. Der RTL-Film deutet neben einer kolportierten Affäre Rudolfs mit Adis Frau Käthe die NS- und die ersten Nachkriegsjahre als Nährboden für das Zerwürfnis an. Als Adi die Nazis und seinen Bruder verprellte, weil er den farbigen US-Sprinter Jesse Owens mit jenen Sieger-Spikes ausrüstete, in denen er zum Superstar der Olympischen Spiele 1936 in Berlin wurde.

Umgekehrt blieb es ein Rätsel, weshalb nur Rudolf zur Wehrmacht eingezogen wurde. Als Soldat schrieb er vorwurfsvolle Briefe an den Bruder zu Hause. Nach dem Krieg und vor ihrer Trennung verdächtigte einer den anderen, ihn bei den Amerikanern als Nazi denunziert zu haben, um die Firma für sich allein zu bekommen.

Die WM 1954 war Startschuss für Adidas - und der erste große Sieg des Geldes im Fußball

Während die ARD das Leben der Hauptprotagonisten bis zu deren Tod erfassen will, bildet im RTL-Film die Klammer und den Schlusspunkt das gerne zum Mythos stilisierte "Wunder von Bern" von 1954. Der überraschende 3:2-Sieg der deutschen Fußballer im WM-Endspiel gegen die hoch favorisierten Ungarn. Adi Dassler saß als Zeugwart neben Sepp Herberger auf der Trainerbank. Den deutschen Spielern hatte er Schraubstollen aus Kunststoff in die Sohlen ihrer Fußballschuhe gedreht, mit denen sie im vom Regen aufgeweichten Rasen besseren Halt fanden als die Ungarn.

Nach dem Sieg fühlten sich die geächteten Deutschen wenigstens sportlich zurück in der zivilisierten Welt. Und für Adidas markierte der Sieg den Durchbruch als Ausrüster von Sportgrößen und vieler, die es nur hobbymäßig mit der Leibesertüchtigung ernst nehmen.

Bern war aber auch ein erster großer Sieg des Geldes im Weltfußball. Sepp Herberger, die Geschichte ist verbrieft, verlangte vor der WM von Rudolf kostenlose Puma-Schuhe für die Nationalspieler und für sich tausend Mark monatlich. Rudolf ließ ihn abblitzen, rein ökonomisch der wohl größte Fehler der Puma-Geschichte. Herberger fuhr ein paar hundert Meter weiter zu Adi - und bekam was er wollte.

Rudolf Dassler starb 1974, Adi 1978. Ein paar Jahre später stürzten ihre Firmen in tiefe Krisen. Heute gehören Adidas und Puma als börsennotierte Konzerne internationalen Investoren. Adidas ist fünfmal so groß wie Puma. Und wenn schon nicht ihre Gründer, so versöhnten sich immerhin beide Firmen. Am Weltfriedenstag 2009 spielten die Mitarbeiter Fußball. In gemischten Teams, nicht gegeneinander, sondern miteinander.

Das Duell der Brüder, RTL, Karfreitag, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2016/roho
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