RTL-Dschungelcamp: Tag 12:Gebe Würde auf, nehme Mitleid an

Dschungelcamp, Dschungelprüfung, RTL, Peter Orloff

Kreischt nicht rum, sondern rührt an: Schlagersänger Peter Orloff in der Dschungelprüfung.

(Foto: TV Now/Stefan Menne)

Doreen wirft sich in den Selbstzerfleischungswolf. Peter hat Manieren, aber das Konzept Reality-TV nicht verstanden. Und Leila ist raus.

TV-Kritik von Johanna Bruckner

Angebot des Tages: Unverdautes vom Vortag, heute noch billiger. Wir erinnern uns: Currywurst-Verkäufer Chris Töpperwien und Hanswurst-Vermarkter Bastian Yotta hatten an Tag elf "den Schatz der Versöhnung gehoben" (O-Ton Bastian). Eine kam bei der Aussprache allerdings nicht zu Wort: Teamkollegin Evelyn Burdecki - der wurde kurzerhand der Mund verboten. Deshalb sucht sie nun ihrerseits ein klärendes Gespräch. Denn: "Mir ist die Wärme aus dem Herzen gegangen und die Happiness." Doch der Yotta hat oft genug "Sorry" gesagt für dieses Jahr. "Wir dulden ja eh relativ viel, was sie redet", findet er.

Die einzigen, denen dieser Satz nicht auf den Magen schlagen dürfte, sind die Redakteure von RTL. Es ist schwer genug, eine Sendung ohne Camp-Casanova (Domenico de Cicco), Sexbombe (Sibylle Rauch), Lustmolch (Tommi Piper) und Heulsuse (Gisele Oppermann) zu bestreiten. Wenn ihnen jetzt auch noch der bayerische Beelzebub abhandengekommen wäre - nicht auszudenken. Wo es gerade so diabolisch gut läuft, darf der Antichrist auf Eiweißpulver dann auch noch den Auszug von Gisele am Vortag kommentieren: "Meine offene Meinung ist: viel zu spät."

Im Räumungsverkauf: Chris Töpperwien. Der bereut seinen Pakt mit dem Teufel schon wieder. Also weniger den Bund mit Bastian, als vielmehr die Geschäftsbeziehung zum Sender. Er habe eigentlich keine Aussprache vor Kameras gewollt, klagt er Evelyn am Lagerfeuer, aber: "Die haben mich dazu gekriegt." Chris will raus aus der "Psychonummer" Dschungelcamp und ran an die RTL-Verantwortlichen: "Das Erste, was ich mache: Ich schnapp mir meinen Manager. Und dann wird direkt ein Termin mit der Geschäftsleitung vereinbart."

Wer ist tatsächlich raus? Leila Lowfire. Feuer war da keins, noch nicht mal ein Funke. Jetzt haben die Zuschauer sie ganz offiziell kaltgestellt.

Wichtigste Show-Requisite: der Selbstzerfleischungswolf. Er macht aus mehr oder weniger gefestigten Promis emotionales Hack. An Tag zwölf stürzt sich Doreen Dietel hinein. Die bekam am Vortag von den Moderatoren ein "Vielleicht" - das wirkt nach. "Ich hab' so Schiss, dass ich rauskomm', und alle hacken auf mir rum, weil ich 'nen Scheiß gemacht hab", schluchzt die einstige Dahoam is Dahoam-Darstellerin im Dschungeltelefon. "Das ist wieder das Thema Versagen. Aus der Serie biste auch rausgeschrieben worden. Und ich frag mich immer: Warum ich?" Auch für das Scheitern ihrer Beziehung sieht Doreen vor allem eine Person in der Verantwortung: sich selbst. "Ich bin schuld. Ich mit meinem Suchtpotenzial, ich mit meinem Sport. Ich hab' mir immer wieder was gesucht, um mich selbst nicht zu spüren."

Der Selbstzerfleischungswolf ist der letzte Ausweg für Camper auf der Kippe. Wer dem Zuschauer nichts anderes zu bieten hat - keine schlagzeilenwürdigen Sprüche, keine nackte Haut, keine tragische Vergangenheit -, der kann sich immer noch selbst opfern auf dem Altar der Unterhaltung. Gebe Würde auf, nehme Mitleid an. Das ist die Ökonomie des Realityfernsehens.

Satz für die TV-Annalen: "Wir machen kein Trash-TV hier, Punkt." (Sagt Bastian Yotta. Ausrufezeichen!)

Und die Dschungelprüfung? Trägt den Titel "Graus am See" und wird von Schlagersänger Peter Orloff bestritten. Während andere Prüflinge emotionale Ausbrüche simulieren, bevor ihnen die erste Kakerlake über den Fuß gelaufen ist, besticht der 74-Jährige durch eine anrührende Ernsthaftigkeit. "Mensch Peter, jetzt hast du tatsächlich zweimal 'Scheiße' gesagt!", neckt ihn Moderatorin Sonja Zietlow. Peter entschuldigt sich: "Sorry, sorry, wir sind im Fernsehen, tut mir leid!" Ein Satz, der wahrer nicht sein könnte - und zugleich von einem fundamentalen Missverständnis zeugt. Eine Sendung wie das Dschungelcamp verlangt keine Darsteller, die sich auch in Stresssituationen unter Kontrolle haben. Es lebt von jenen, die den permanenten Kontrollverlust zelebrieren. Reality-TV-Profi Bastian Yotta hat dann auch einen Rat an den Neuling im Selbstdarstellungsbusiness (der im Übrigen drei Sterne erkämpft): "Er ist für die Bühne geboren, aber er darf sie auch mal verlassen und einfach nur Peter sein."

Moral der Geschichte? Evelyn konkretisiert ihre Pläne, 2019 schlauer zu werden. "Wenn wir zurück­flie­gen, hab' ich schon ein Buch", erzählt sie ihren Mitcampern. "Von Jenny Elvers, über ihre Alkoholsucht. Da sind Worte drin, die schlau sind." Von ihren Zuhörern erntet sie dafür Spott. Das sollte Evelyn aber nicht abhalten. Lesen bildet. Und wer nicht liest, der bildet sich eben etwas ein.

Zur SZ-Startseite

"Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" TV-Kritiken zum Dschungelcamp

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: