Diese Frage führt, wie so viele große Fragen, zurück zum Gott der öffentlichen Aufmerksamkeit: Es gibt kaum ein Format, das mehr davon generiert als das Dschungelcamp. Und Aufmerksamkeit ist die Währung, in der sich Lohfink vermutlich am liebsten bezahlen lässt, sie ist ihr wertvoller als jedes Geld. Wobei auch die monetäre Bezahlung üppig ausfallen dürfte: Die Bild-Zeitung wusste vorab zu berichten, dass Gina-Lisa 150 000 Euro für ihren 16-tägigen Dauerauftritt bekomme - die dritthöchste jemals ausgelobte Dschungelcamp-Gage.
Gina-Lisa dürfte die Frage, ob sich das lohnt, für sich also sehr eindeutig beantworten (alle anderen - auch die Wohlmeinenden - sollten die Frage gar nicht erst stellen, es wäre eine Anmaßung). Und vielleicht hat sie, die nie aufbegehrende Medien-Malocherin, sogar das Gefühl, dass es diesmal anders ist. Endlich. Dass sie die Bedingungen stellt. Dass sie bestimmt, welche Geschichte über sie erzählt wird. Ob das stimmt, darf bezweifelt werden. Protagonist im Reality-Fernsehen zu sein, bedeutet permanente, selbstgewählte Ausbeutung der eigenen Persönlichkeit. Und, um das zu ertragen, vermutlich auch fortwährenden Selbstbetrug.
Wie lautet die Top-Antwort, wenn prominente Teilnehmer von Reality-TV-Formaten nach ihrer Motivation gefragt werden? "Ich will den Leuten da draußen endlich zeigen, wer ich wirklich bin!" Ausgerechnet jene, deren Jobbeschreibung Selbstinszenierung voraussetzt, haben ein kaum zu befriedigendes Bedürfnis nach Echtheit. (Oder tun zumindest so, als ob, weil das gut ankommt beim Publikum.) Auch dieses Paradox gehört zur Welt von Gina-Lisa. Für Menschen wie sie wird die Sehnsucht nach Authentizität zur zweiten Sucht (neben der nach Aufmerksamkeit). Gina-Lisa machte schon bei Die Alm - Promischweiß und Edelweiß mit, kochte beim Perfekten Promi-Dinner und bewarb sich um den Einzug ins Promi-Big-Brother-Haus. Jetzt also der TV-Dschungel. Auch das ist stimmig.
Allzu offensichtliche Anbiederung an die Schicksalsschreiber kann nach hinten losgehen
In der Kulisse des australischen Buschs lockt nämlich eine besondere Belohnung. Wer seine Lebenssünden ins Camp trägt, sie dort am Lagerfeuer beichtet, mit Tränen Reue beweist und Besserung gelobt, wer als Strafe maximale Erniedrigung in den Dschungelprüfungen akzeptiert - der kann, so geht zumindest die Legende, am Ende als neuer Mensch hervorgehen. Als Mensch mit einem frischen Image. Die Heldenwerdung ist das zentrale Narrativ des Dschungelcamps.
Wer dafür auserkoren wird, liegt allerdings im Ermessen der RTL-Redakteure und -Cutter. Man muss diesen Gestalten also huldigen. Allzu offensichtliche Anbiederung an die Schicksalsschreiber kann allerdings auch nach hinten losgehen, diese Erfahrung mussten unter anderem "Blender" Jay Khan (2011) und "Heulseuse" Ricky Harris (2016) machen.
Akzeptanz der höheren Mächte und Demut vor der eigenen Bedeutungslosigkeit in der großen Dschungelinszenierung - das sind die Grundvoraussetzungen für eine Erzählung, die einen am Ende nicht als Deppen der TV-Nation dastehen lässt. Im vergangenen Jahr wurde aus der DSDS-Witzfigur Menderes Bağcı ein Dschungelkönig, der sein Glück nicht fassen konnte. Er freute sich weniger über Blumenkrone und Holzzepter, als vielmehr darüber, dass ihm das Fernsehen seine Würde zurückgegeben hatte. Larissa Marolt, Gewinnerin einer österreichischen Modelcastingshow, wurde 2014 zwar nicht Dschungelkönigin, schaffte es dafür aber, sich ein intellektuelles Publikum zu erarbeiten. Der inzwischen verstorbene Roger Willemsen schrieb damals anerkennend über sie: "Larissa ist all das, was Marilyn Monroe auch wäre, vor allem, konfrontierte man sie mit Mola Adebisi oder Winfried Glatzeder."
Vermutlich würde es auch Lohfink gefallen, mit einer Hollywood-Ikone verglichen zu werden. Nicht mehr die Trash-Blondine sein, weg vom Schmuddelimage. Katharsis durch emotionale Entblößung und Kotzfrucht-Diät - das ist das Versprechen des Dschungelcamps. Kennt ihr mich? Bin ich also (noch) da? Und wenn ja: Wer bin ich damit wirklich?
Am Ende wird nicht Gina-Lisa die Antwort darauf geben. RTL und das Publikum werden es tun.