"RTL Direkt" mit Jan Hofer:Nah dran ist auch vorbei

RTL Direkt mit Jan Hofer

"RTL Direkt"-Moderator Jan Hofer mit der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.

(Foto: Markus Nass/dpa)

Wie der Start der "Tagesthemen"-Konkurrenz "RTL Direkt" mit Jan Hofer lief.

Von Aurelie von Blazekovic

Einmal von allem bitte - so konnte man die Pläne für RTL Direkt im Voraus verstehen. Nachrichten, Talks mit prominenten Gästen und zum Schluss noch etwas zum Lächeln, alles live aus Berlin. Ein wilder Mix für eine zwanzigminütige Nachrichtensendung, den Anchorman Jan Hofer da von nun an zu bewältigen hat - das bewahrheitete sich direkt am ersten Tag. Beim Start von RTL Direkt an diesem nachrichtenreichen Montag war Jan Hofer also, als er zur Begrüßung neben seinem ersten Gast Annalena Baerbock im neuen dunkelblauen Studio stand: merklich aufgeregt.

Gerechnet hatte man in Berlin womöglich mit einer entspannteren Nachrichtenlage bei der ersten Sendung mitten im August. Mit einer Gelegenheit, in Ruhe mit der Kanzlerkandidatin ins Gespräch zu kommen vielleicht. Doch die Bilder vom Flughafen in Kabul, von den Taliban in Afghanistans Präsidentenpalast waren seit dem Wochenende um die Welt gegangen. Mit ihnen startete RTL Direkt und der kurze Nachrichtenbeitrag dazu war denn auch der einzige Moment der Sendung, an dem man sie auch mit den Tagesthemen hätte verwechseln können. RTL Direkt läuft von Montag bis Donnerstag um 22.15 Uhr, tritt mit dieser Sendezeit also mit den Tagesthemen der ARD in Konkurrenz. Quotenmäßig ist das gelungen, 1,87 Millionen sahen bei RTL zu, annähernd so viele wie die zwei Millionen bei den Tagesthemen.

"Wir müssen erst über Afghanistan reden. Hat Sie die Situation auch überrollt?"

RTL Direkt ist das neue Prestigeformat des Senders, der seine Nachrichten in den vergangenen Monaten stark ausgebaut und aufpoliert hat, unter anderem, indem er Jan Hofer und Pinar Atalay von der ARD abgeworben hat. Das Sendeumfeld von RTL Direkt ist nun aber etwas anders als bei den Nachrichten im Ersten. Die Sendung lief zwischen Bauer sucht Frau International und dem Boulevardmagazin RTL Extra mit Nazan Eckes - aber natürlich ist sie überhaupt sehr anders als die Tagesthemen. Sie verdient eher den Namen "Nachrichtenshow" als "Nachrichtensendung".

Nah am Menschen und gerne nicht zu negativ soll RTL Direkt sein, das versteht man selbst in dieser ersten Sendung, die mit Kabul beginnen muss. Eine Mischung also, aus dem seriösen Hofer, und von Herbst an auch der seriösen Pinar Atalay, und im Verlauf der Sendung zunehmend unterhaltenden Elementen - eine etwas ungelenke Reise von der harten Nachricht bis zum Satirebeitrag. "Wir müssen erst über Afghanistan reden", leitet Hofer das Gespräch mit Annalena Baerbock ein. "Hat Sie die Situation auch überrollt?"

Mit seiner hanseatischen Höflichkeit, seiner gleichzeitig beinahe schon zutraulichen und nun auch krawattenlosen Art fragt Hofer Baerbock, wie sie sich als Kanzlerin zu Kabul verhalten würde? "Die Menschen sofort da rausholen", antwortet die. Enden wird die Sendung mit Baerbock, die über die bevorstehende Bundestagswahl zu Hofer sagt: "Wenn Sie sich trauen, zu Let's Dance zu gehen, dann glaube ich auch, dass wir diesem Land zutrauen können, sich zu erneuern." Aufgeregtes Lächeln auf beiden Seiten. Überhaupt wird RTL Direkt immer wieder regelrecht putzig, was man von Nachrichtenformaten bislang tatsächlich nicht kennt. Im Sender dürfte man sich über Baerbocks Cross-Promotion jedenfalls freuen.

Angesichts der Lage in Kabul und der einen oder anderen digitalen Spielerei der Sendung (Baerbock konnte Videos von Zuschauern auswählen, die ihr dann eine Frage stellten), ging der Themenschwerpunkt des Abends etwas unter. Der lautete eigentlich: "Wie grün wird Deutschland - und was kostet uns das?" Dazu lieferte ein Beitrag einen von RTL gewohnten Zugang: Eine fünfköpfige Familie wurde beim Einkauf in einen Bio- und einen Nicht-Bio-Supermarkt begleitet, und machte den Kostentest. Bio war wenig überraschend teurer, Baerbock durfte noch beisteuern, dass sie dem als Kanzlerin entgegenwirken würde.

Im "Heute-Journal" interviewte Marietta Slomka einen Bundeswehrsoldaten, der sich für afghanische Ortskräfte in Kabul engagiert

Wie vor einem digitalen Gemälde saß sie derweil. Hinter Baerbock zeigte ein den Bildausschnitt füllender Screen mal ein Rapsfeld, mal Gemüsekisten. Im Vergleich zu den Nachrichtenformaten der Öffentlich-Rechtlichen fällt hier die zuschauernahe, aber inhaltsarme Umsetzung des Themas "grüne Politik" deutlich ab. Ebenso die Idee, die Zuschauer unbedingt mit einem Lächeln entlassen zu wollen, in der ersten Sendung durch einen Satirebeitrag von Abdelkarim. Viel für zwanzig Minuten. Sehr viel.

Und auch wenn Hofers Charme durch die Sendung trägt, macht er nicht die Entscheidung wett, sich an diesem Tag nicht lieber auf die Menschen in Afghanistan zu konzentrieren.

Im ZDF-Heute-Journal interviewte Marietta Slomka zur etwa selben Zeit den Bundeswehrsoldaten Marcus Grotian, der sich für afghanische Ortskräfte in Kabul engagiert. Menschen, denen von der Bundesregierung keine Auswege bereitet wurden, bis es zu spät war. "Nun lassen wir 80 Prozent von ihnen in die Hände der Taliban fallen," sagt der Soldat in dem bemerkenswerten Gespräch. Jemand, der auch nah an den Menschen ist, aber an denen, um die es in dieser Stunde wirklich gegangen wäre.

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