Das klingt ganz so, als müsste die Geschichte umgeschrieben werden, ja als ob Stephen Hawking rasch ein neues Buch zur Schöpfung schreiben müsste. An Journalisten ging vorab bereits eine DVD zur Sendung heraus - der entscheidende Teil, die Kontaktaufnahme zu Barschel, fehlte jedoch. "Ich bin von der Frau begeistert", zitierten die Lübecker Nachrichten die Barschel-Witwe. "Sie ist hervorragend. Mein verstorbener Mann ist bereit gewesen, mit uns zu sprechen", sagte sie. Allerdings, schränkte die Witwe ein, habe das "Medium" so viel geredet, dass sie selbst leider nicht dazu gekommen sei, all das zu fragen, was ihr auf dem Herzen liege.
Nach RTL-Angaben habe Jannes von dem Fall zuvor keine Informationen erhalten, außer dem Vornamen des Toten. Konkrete Inhalte der Sendung dürfe sie vorab nicht verraten, dazu sei sie von RTL verpflichtet worden, ergänzte Freya Barschel. Dankenswerterweise fragte das Blatt auch einen Medienexperten: "Das ist pure Volksverdummung. Schade, dass Frau Barschel bei solch einem Blödsinn mitmacht", sagte der Hamburger TV-Kritiker und Grimme-Preisträger Holger Kreymeier über die RTL-Sendung.
Sein Fazit: "Das Fernsehen wird immer bekloppter." Hellseherin Jannes ist Wiederholungstäterin. Im Jahr 2003 strahlte RTL die Sendung Gespür für Mord - Hellseher ermitteln aus - darin nahmen Jannes und ein Kollege angeblich Kontakt mit einem Mordopfer auf. Und die Frau war bei TV-Pfarrer Jürgen Fliege zu Gast sowie bei Galileo Mystery (ProSieben). Ihre Fähigkeit habe sie von der Uroma mütterlicherseits geerbt, berichtete die zweifache Mutter in einem Interview mit RTL. Im Prinzip könne jeder ihren Job machen, sie unterscheide sich lediglich in der Intensität und Schnelligkeit in der Wahrnehmung.
"Ich habe auch schon erlebt, dass die Angehörigen lediglich wissen wollten, wie die Nummer des Schweizer Bankkontos lautet", erzählt Jannes weiter. "Es ist schon erschreckend, wenn dies das Einzige ist, was bleibt. Auf der anderen Seite hat der Verstorbene wahrscheinlich auch dazu beigetragen, dass es so ist. Es gehören schließlich immer zwei dazu."
Außer Freya Barschel gibt es noch zwei weitere Fälle in der geplanten Pilotsendung, unter anderem das Ehepaar Hartung, das um seine 19- jährige Tochter trauert. Sie sei wegen ihrer Fähigkeiten nie gehänselt worden, gibt die Hellseherin im Interview RTL zum Besten: "Ich war meistens in der Sporthalle und habe trainiert." Ihr Talent sei "sicherlich erblich", aber die Berufswahl sollten die beiden Töchter frei entscheiden.
Vielleicht sollte die Academy for Journalism einmal erforschen, was alles so möglich ist in der deutschen Medienlandschaft. "The medium is the message", erklärte einst der Medienwissenschafter Marshal MacLuhan. Die Botschaft von RTL ist angekommen.