Süddeutsche Zeitung

Streit um russischen Auslandssender:Lettland verbietet RT

Der baltische EU-Staat begründet das mit der Rolle von Dmitrij Kisseljow im Sender, der wegen der Krim-Annexion auf der Sanktionsliste der Europäischen Union steht.

Von Frank Nienhuysen

Das Verhältnis zwischen dem baltischen EU-Staat Lettland und Russland ist ohnehin traditionell sehr belastet, jetzt droht ein neuer Streit. Denn der lettische Rat für elektronische Massenmedien hat an diesem Dienstag den einflussreichen russischen Auslandssender RT im Land verboten. Betroffen sind sieben Kanäle des Senders, darunter sind neben RT und RT HD auch die spanisch- und arabischsprachigen Programme sowie zwei Doku-Kanäle. Der Medienrat rief alle anderen Staaten der Europäischen Union auf, den vom russischen Staat kontrollierten Sender RT ebenfalls zu verbieten. "Solche Programme haben keinen Platz in Lettland oder anderswo in der EU", zitierten baltische Medien den Chef des lettischen Medienrats, Ivars Abolins.

Lettland begründet das Verbot damit, dass RT von Dmitrij Kisseljow kontrolliert und gemanagt werde, der auf der Sanktionsliste der EU steht, weil er bei Russlands militärischem Vorgehen in der Ukraine "eine zentrale Rolle bei der Regierungspropaganda" spielte. "Der Bann wird so lange gelten, bis RT Kisseljow entlässt und durch einen anderen Chef ersetzt, der nicht auf der EU-Sanktionsliste steht", sagte Abolins der Nachrichtenagentur AFP. RT, das früher unter dem Namen Russia Today bekannt war, habe seit Jahren die Informationspolitik und Propaganda des Kremls ausgeweitet, sagte der Leiter des lettischen Medienrats. Abolins warf dem russischen Sender dabei auch vor, dass er versucht habe, Lettland als einen gescheiterten Staat darzustellen.

Die Antwort kam prompt, und der Beschuldigte gab sich amüsiert. Der Grund: Nicht er sei der Chef von RT und stehe auf dessen Gehaltsliste, vielmehr ist die Leiterin des Senders Margarita Simonjan. Kisseljow, ein Moskau-loyaler Fernsehjournalist und bekannt für seine scharfe antiwestliche Rhetorik, sagte, die Entscheidung zeige die Ahnungslosigkeit der lettischen Behörden. Er warf ihnen "Dummheit" und "Russophobie" vor und verlangte, dass Lettland den Sender wieder zulasse. Der wird nach eigenen Angaben wöchentlich von 100 Millionen Zuschauern in 47 Ländern gesehen. Kisseljow ist Direktor der vom Kreml geschaffenen Medienholding Rossija Sewodnja, deutsch: Russland heute. Zu ihr gehören unter anderem Sputnik und Ria Nowosti, während RT sich offiziell als "autonome" Organisation bezeichnet, die allerdings gleichwohl aus dem russischen Staatshaushalt finanziert wird. Die EU hat dem Sender vor wenigen Wochen in der Corona-Krise gezielte Desinformationen vorgeworfen, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, Europa müsse sich vor Propaganda aus China und Russland schützen und seine Werte verteidigen.

Lettland hat eine große russischsprachige Minderheit. Russland wirft dem Baltenstaat immer wieder vor, diese Minderheit zu diskriminieren, Riga wiederum sieht sich von massiver russischer Propaganda bedroht. Lettland hat deshalb schon mehrmals russische Programme verboten. Für Riga ist es also eine neue Runde in einem langen Kampf.

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