Süddeutsche Zeitung

Rosamunde Pilcher:Ins Lebenswerk eher reingestolpert

Wenig Sex, keine Gewalt, dafür Herzschmerz und unbedingt ein Happy End: Ein Treffen mit den Erfindern der Rosamunde-Pilcher-Filme.

Porträt von David Denk

Einen guten ersten Eindruck von der Beziehung zwischen Heidi Ulmke und Michael Smeaton bekommt man, bevor man beide überhaupt getroffen hat. Ob es wirklich dieses eine Münchner Innenstadtcafé sein müsse? Dort sei es sehr laut und Smeaton nicht so gut bei Stimme, gibt Ulmke zu bedenken und schlägt eine Alternative vor. Als man sie dann zu Beginn des Interviews auf ihre Intervention anspricht, sagt Ulmke: "Wenn man lange miteinander gearbeitet hat, muss man füreinander sorgen und auch ein bisschen mitdenken."

35 Jahre haben die Fernsehproduzenten eng zusammengearbeitet, bis Ulmke Ende 2018 in den Ruhestand ging. Sie spiele jetzt ein bisschen mehr Golf, sagt Smeaton. Mit der gleichen Süffisanz nennt er sie manchmal "Frau Ulmke", sie nennt ihn "Mike". Die längste Zeit ihrer Zusammenarbeit waren die beiden mehr als Kollegen, sie waren ein Paar, 18 Jahre, vielleicht auch länger, kommt drauf an, wen man fragt, lange genug jedenfalls, um zwei Kinder gemeinsam großzuziehen.

Kennengelernt haben sich Ulmke und Smeaton - so viel ist unstrittig - 1973 in der Frankfurter Hausbesetzerszene. Daniel Cohn-Bendit gehört zu ihrem Freundeskreis, ebenso Alexander Kluge, mit dem Ulmke immer mal ein Filmprojekt angehen wollte, das einen Zusammenhang herstellt zwischen ihrem Häuserkampf und der heutigen Wohnungsnot. Dazu ist es nie gekommen. Ulmke war viel zu beschäftigt damit, im Auftrag vom Smeatons Kölner Firma FFP New Media Rosamunde-Pilcher-Filme fürs ZDF zu produzieren, fünf bis sechs pro Jahr - ein gutes Geschäft, aber "nicht unbedingt der Stoff, aus dem die Träume von 68ern sind", räumt Smeaton ein. Zwei Studentenbewegte und die Queen of Cornwall-Kitsch? Die Geschichte von Ulmke und Smeaton ist ein schönes Beispiel dafür, wie man einen Traum leben kann, von dem man lange gar nicht ahnte, das man ihn hat. Die beiden sind in ihr Lebenswerk eher reingestolpert.

Den Produzenten ist es ein Bedürfnis, das Pilcher-Bild der Deutschen geradezurücken

An diesem Sonntag läuft mit Schwiegertöchter der 150. Pilcher-Film. Dass eine Reihe daraus werden würde und die härteste Konkurrenz für den Tatort am Sonntagabend, war nicht absehbar, als Ulmke auf der Suche nach erfolgversprechenden Stoffen Die Muschelsucher in die Hände fiel. In Großbritannien und den USA war der Pilcher-Roman schon ein Bestseller und die Autorin ein Star, in Deutschland noch eher ein Geheimtipp, was Ulmke und Smeaton mit Claus Beling vom ZDF zu ändern gedachten. Zweimal besuchten sie Pilcher um den Jahreswechsel 1992/93 herum in deren schottischer Wahlheimat und waren "bass erstaunt", erinnert sich Ulmke, "als sie uns mit den Worten 'Hi, I'm Rose' begrüßte. Und dann haben wir Tee getrunken und Scones gegessen und uns gefühlt wie in ihren Geschichten." Sie seien empfangen worden "wie alte Freunde", sagt Smeaton, der es eher gewöhnt war, Autoren hofieren zu müssen, um ins Geschäft zu kommen. Ungewöhnlich schnell, schon im Oktober 1993, lief dann die erste ZDF-Adaption, Stürmische Begegnung, und rührte fast neun Millionen Zuschauer.

Bei einer verspäteten Trauerfeier für die im Februar verstorbene Schriftstellerin wird Smeaton seiner Freundin kommende Woche die letzte Ehre erweisen, wobei er sie auch dadurch ehrt, dass er das Bild geraderückt, das viele Deutsche von Rosamunde Pilcher haben - nicht zuletzt durch seine Filme. Um ihr "anarchisches Wesen" zu illustrieren, erzählt Smeaton, wie die so aristokratisch wirkende alte Dame sich vor dem Berliner Promilokal Borchardt ohne Berührungsängste eine Zigarette geschnorrt hat und von einem Telefonat kurz vor ihrem Tod, in dem die hochbetagte Pilcher spontan ein Treffen in Monte Carlo vorgeschlagen habe. "Es war klar, dass sie dafür nicht mehr gut genug auf den Beinen war", sagt Smeaton, "drei Jahre früher hätte so etwas aber gut passieren können." Und Ulmke ergänzt, dass "Rose wenig mit den Frauenfiguren in ihren Büchern gemein" hatte, "weitaus pragmatischer, politischer, moderner" gewesen sei.

Von Weggefährten sind Ulmke und Smeaton, die zierliche blonde Schnellrednerin und der graumelierte Gentleman-Ironiker, zu Nachlassverwaltern geworden. Nach den Romanen und Erzählungen sind nun die mehr als 100 Mini-Kurzgeschichten dran, sie nennen das "verpilchern", wenn sie ihre Autoren um jede kleine Geschichte eine größere spinnen lassen - immer im Sinne der Verstorbenen: wenig Sex, keine Gewalt, dafür umso mehr Schicksalsschläge, Herzschmerz und unbedingt ein Happy End. Die Welt der Rosamunde Pilcher ist nicht heil, aber heilbar.

Das Produzentenduo nimmt seinen Job so ernst, dass es sich wehren muss, wenn das Ergebnis als trivial abgetan wird. Smeaton spricht lieber von "romantischen Geschichten, Märchen, die sich aus dem Leben speisen, aber nicht mit dem Leben zu verwechseln sind". Und Ulmke legt Wert drauf, dass unter den 150 Filmen "nicht mehr als zehn banale" gewesen seien. "Das ist mein persönlicher Anspruch." Sie habe immer versucht, die Filme mit gesellschaftlichen Konflikten aufzuladen, ließ einen schwulen Fußballer auftreten oder einen muslimischen Arzt mit zwei Ehefrauen. "Wenn ich Pilchers britischen Humor im deutschen Fernsehen schon nicht rüberbringen kann, muss ich wenigstens ein relevantes Thema haben."

Sie wissen, was sie Rosamunde Pilcher verdanken - aber auch, was der Erfolg ihnen verbaut

Damit spricht Ulmke die Achillesferse des Erfolgs an, mit der sie und Smeaton erstaunlich offen umgehen. Sie vermitteln das Gefühl, Rosamunde Pilcher, ihrer Freundin Rose, mit den Filmen nicht wirklich gerecht zu werden, ihrem Esprit und Witz. "Der Zuschauer will abends abhängen und das heißt Friede, Freude, Eierkuchen", sagt Ulmke, "und der Sender möchte keine Experimente eingehen, sondern Quote machen." Sie vermisst das Herumspinnen mit den Autoren; was ihr nicht fehlt, ist der emotionale Stress. "Häufig war es so, dass meine Lieblingsfilme gar nicht so gut gelaufen sind. Wenn ich es nicht geschafft habe, Geschichten zu kreieren, die auch beim Zuschauer ankommen, waren das schmerzvolle Momente."

Wenn sich Ulmke und Smeaton als "Opfer unseres eigenen Erfolgs" bezeichnen, ist das weniger larmoyant, als es vielleicht wirkt. Sie wissen, was sie Rosamunde Pilcher verdanken - aber auch, was der Erfolg ihnen verbaut. "Die Sender stecken Produktionsfirmen schon in bestimmte Schubladen", sagt Smeaton, der froh wäre, neben Einzelstücken wieder eine High-End-Reihe im Portfolio zu haben wie früher Kommissar Beck. Die ganze Ambivalenz ermessen lässt sich, wenn man weiß, dass Ulmke und Smeaton wegen ihrer Verdienste um die Region schon von Prinz Charles, dem Duke of Cornwall, empfangen wurden, sich andererseits aber immer schwerer tun, Locations zu finden, weil Pilcher-Führungen für die Eigentümer lukrativer sind als Dreharbeiten.

Das Gespräch geht zu Ende. "Machen Sie was draus", sagt Michael Smeaton keck. Und Heidi Ulmke überreicht fotokopierte Nachrufe aus englischen Zeitungen, als wollte sie dem Interviewer die Chance geben nachzulesen, wie es klingt, wenn jemand Rosamunde Pilcher, ihrer Freundin Rose, wirklich gerecht wird.

Rosamunde Pilcher: Schwiegertöchter, ZDF, Sonntag, 20.15 Uhr.

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SZ vom 25.05.2019/tmh
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