Nachruf auf Ron Galella:Brutal nah dran

Nachruf auf Ron Galella: Hinter Jackie Kennedy war Ron Galella sehr ausdauernd her, hier ist er selbst mit auf dem Bild im Jahr 1971.

Hinter Jackie Kennedy war Ron Galella sehr ausdauernd her, hier ist er selbst mit auf dem Bild im Jahr 1971.

(Foto: Ron Galella Collection via Getty Images)

Für Jackie Kennedy war er ein Stalker, für andere ein Künstler, der den Stars in die Seele schaute: zum Tod des Fotografen Ron Galella.

Von Julia Werner

In der Dokumentation "Smash his Camera" aus dem Jahre 2010 über den Paparazzo-Fotografen Ron Galella wird die Frage gestellt, ob seine Bilder, die bis heute von Sammlern gekauft werden, auch als Kunst gelten würden, wenn seine Subjekte nicht berühmt wären. Wenn also auf seinem bekanntesten Foto "Windblown Jackie" nicht der ehemaligen First Lady die Haare ins Gesicht wehten, sondern irgendeiner Frau. Die einen verneinen das, die anderen vergleichen die Arbeit Galellas mit der von Diane Arbus. Und es stimmt ja, auf den Paparazzi-Schüssen von einst sehen wir prominenten Menschen wie Sophia Loren, Robert Redford oder Marlon Brando direkt in die verletzliche Seele. "Was willst Du denn noch, was Du nicht schon hast?", fragte Letzterer den Paparazzo einmal, woraufhin der antwortete: "Ein Foto ohne Sonnenbrille. Das ist es, was die Chefredakteure wollen." Woraufhin Brando die Contenance verlor und dem Fotografen den Kiefer brach.

Paparazzi sind out, Celebrities bestimmen heute selbst, wie sie gesehen werden wollen

Der 1931 als Sohn italienischer Einwanderer geborene und in der Bronx aufgewachsene Galella machte nie einen Hehl daraus, dass es bei seiner Arbeit ums Geldverdienen ging. Dafür ging er zu weit. Für Jackie Kennedy war er ein Stalker, den sie mehrfach vor Gericht brachte, um Unterlassung zu erwirken. Die Prozesse waren die Blaupause für das ewige Tauziehen zwischen Prominenten und den Medien, die auf ihr Recht bestehen, Personen der Öffentlichkeit ablichten zu dürfen. Es ist und bleibt eine Hassliebe, denn die windverwehte, in ihrer Privatsphäre gestörte Jackie lächelte ihn ja quasi an! Berühmte Menschen möchten nicht nicht berühmt sein.

Nachruf auf Ron Galella: Der in der Bronx aufgewachsene Ron Galella machte nie einen Hehl daraus, dass es bei seiner Arbeit ums Geldverdienen ging.

Der in der Bronx aufgewachsene Ron Galella machte nie einen Hehl daraus, dass es bei seiner Arbeit ums Geldverdienen ging.

(Foto: Mondelo/picture alliance / dpa)

Ron Galella bestach in den 60er Jahren Sicherheitsleute und Assistenten, um immer da zu sein, wo ihn niemand erwartete. "Der Ausdruck eines Gesichts grenzenlos, wenn sie einen nicht erwarten", sagte er einmal, und für diese Unverfrorenheit wurde er von so manchem Starlet bespuckt. Dass er mit seiner Kaltschnäuzigkeit den Weg ebnete für die Horden von Paparazzi, die später Lady Diana in den Tod und Britney Spears barfuß in die Tankstellentoilette jagten, ist Fakt. Trotzdem: fünf seiner Werke hängen im New Yorker Museum of Modern Art. Seine Fotos waren nah dran. Und manchmal brutal, fast wie im Krieg. Was daran liegen mag, dass er seine Karriere als Fotograf der Air Force während des Korea-Kriegs begann. Erst danach studierte er Fotografie am Art Center College of Design in Pasadena, außerdem Schauspiel und Bühnenregie. Diesem Studium verdankten seine besten Bilder, sagte er, die Dramatik.

Werden seine Bilder also immer mehr verblassen, je weniger Menschen die Leute erkennen, die früher seine Beute waren? Das Paparazzitum ist in der Fahrradhelm-Ära kein Bestandteil der Popkultur mehr. Celebrities bestimmen selbst, wie sie gesehen werden wollen. Auf Social Media ist noch nicht mal mehr eine menschliche Pore zu erkennen, und selbst die vulnerablen Momente werden sorgfältig inszeniert. Insofern sind Galellas Bilder mindestens wichtige Dokumente aus einer Zeit, in der Kontrollverlust noch keine Todsünde war. Edward Ronald Galella starb am Samstag im Alter von 91 Jahren zu Hause in New Jersey, kurz vor der Met Gala in seinem Jagdterritorium New York. Nirgends wirken Posen und Gesichter künstlicher. Diese Freak-Show hätte ihn sowieso nicht interessiert.

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