Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit:Frauenaufstand im Vatikan

  • Die vatikanische Frauenzeitschrift Donne Chiesa Mondo hat sexuelle Gewalt gegen Nonnen angeprangert.
  • Papst Franziskus hat daraufhin eingeräumt, dass dieses Problem existiert.
  • Nun ist die Redaktion zurückgetreten. Die Redakteurinnen werfen der Kirche vor, das Blatt auf Linie bringen zu wollen.

Von Matthias Drobinski

Im Februarheft haben sie extra Papst Franziskus zitiert; der habe im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal jenen Journalisten ausdrücklich gedankt, "die versucht haben, die Wölfe zu entlarven und den Opfern eine Stimme zu verleihen". Man wolle die Anregung des Papstes aufgreifen, heißt es im Leitwort der Zeitschrift Donne Chiesa Mondo (Frauen, Kirche, Welt), die einmal im Monat der offiziellen Tageszeitung des Vatikansaates, dem Osservatore Romano , beiliegt.

Im Blatt folgt dann ein flammender Text der Chefredakteurin Lucetta Scaraffia, der die sexuelle Gewalt durch Priester und Ordensmänner gegen Nonnen thematisiert. "Ihre Anklagen wurden totgeschwiegen", heißt es da, "und es ist wohlbekannt, dass das Schweigen de facto dazu beiträgt, den Vergewaltigern Sicherheit zu schenken." Journalisten sprechen bei einer Pressekonferenz den Papst auf den Artikel an - und Franziskus räumt ein, dass es weltweit sexuelle Gewalt gegen Ordensfrauen gibt.

Nur gibt es nun statt des päpstlichen Dankes jede Menge Ärger und einen Frauenaufstand, wie ihn der Vatikan so noch nicht erlebt hat: Scaraffia und allen zehn Redakteurinnen von Donne Chiesa Mundo sind zurückgetreten. Sie sehen sich unter Druck gesetzt. "Wir werfen das Handtuch, weil wir uns von einem Klima des Misstrauens und einer fortschreitenden Delegitimierung umgeben sehen", schreibt die 70-jährige Historikerin Scaraffia in einem Brief an Papst Franziskus, und: "Jetzt scheint es uns, dass eine lebensnotwendige Initiative zum Schweigen gebracht wird und dass man zu den veralteten, vertrockneten Sitten zurückkehrt, unter der direkten Kontrolle von Männern Frauen auszuwählen, die als vertrauenswürdig gelten." Ein offener und ehrlicher Umgang mit schwierigen Themen werde erneut einer "klerikalen Selbstbezüglichkeit" geopfert.

Das ist auch deshalb ein harter Vorwurf, weil die Beilage, die 2012 auf Initiative von Papst Benedikt XVI. gegründet wurde und seit 2016 als eigenständiges Produkt erscheint, bewusst Frauenthemen und Frauenperspektiven in die katholische Kirche bringen sollte.

Allerdings klagen gerade viele Vatikan-Journalisten, dass ausgerechnet unter Papst Franziskus die Freiräume für sie enger geworden seien: Im Zuge der Kurienreform wurde der Medienbereich gestrafft und enger an die Kirchenbehörde angebunden; zum Jahreswechsel waren Vatikansprecher Greg Burke und seine Stellvertreterin zurückgetreten. Auch der Osservatore Romano hat mit Andrea Monda einen neuen Chef; Scaraffina wirft ihm vor, er wolle selber die Herausgeberschaft übernehmen und das Frauenheft auf Linie bringen.

Monda sagt dagegen, er habe der Redaktion "totale Autonomie und totale Freiheit" gewährt. Die Geschichte des Magazins werde "ohne Klerikalismen jeder Art" weitergehen.

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SZ vom 27.03.2019/phbo
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