Rollenwechsel:Gegen den Strich

Der Schauspieler Peter Weck war jahrzehntelang der Fernsehvater der Nation. Nach dem Tod seiner Frau hat er Lust auf dunklere Rollen. Eine Begegnung in Wien.

Von David Denk

Peter Weck sitzt draußen, auf der Terrasse vor dem Grand Hotel am Ring, mitten in Wien, mitten im Frühlingstrubel. Ein Logenplatz für "Herrn Professor Peter Weck", wie der General Manager des Fünf-Sterne-Hauses ihn nennt. Der deutsche Besucher hatte schnöde nach "Peter Weck" gefragt und wurde sofort aufs Freundlichste verbessert. Ehre, wem Ehre gebührt. Willkommen in Wien.

Natürlich sitzt er draußen. Verkrochen hat sich Weck - wie er im Folgenden der Einfachheit halber heißen soll - lange genug. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau im April 2012 zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück. Seine Kinder hätten sich sehr um ihn gesorgt, sagt Weck, befürchteten ein "Peter-Alexander-Syndrom". Aber anders als Alexander, der als Witwer völlig von der Bildfläche verschwand, schöpfte Weck neuen Lebensmut - dabei hatte er sich mit seinen Memoiren War's das? 2010 eigentlich schon vom Publikum verabschiedet. "Nach zwei Jahren habe ich mir gedacht: So geht es auch nicht weiter", sagt Weck, Jahrgang 1930. "Mich hinzusetzen und zu warten, bis ich abgeholt werde, kam nicht infrage." Weck zog aus dem großen Haus in eine "wie im Hotel" eingerichtete Stadtwohnung, weg von den Erinnerungen, zurück ins Leben. Sogar arbeiten wollte er wieder.

Einen Tag vor dem Geburtstag seiner verstorbenen Frau hatte Weck dann im vergangenen Jahr den ersten Drehtag für den Wiener Tatort "Paradies", in dem er einen skrupellosen, geldgierigen Altenheimbewohner spielte und damit das ziemlich genaue Gegenteil des öffentlichen Bildes von Peter Weck, der vom Vater der Nation(en) zu ihrem Opa alterte. "Ich schwöre Ihnen", sagt Weck, "ich bin nicht Schauspieler geworden, um immer den Lieben, Sympathischen, Netten zu spielen." Am Burgtheater, früher, da habe er auch ganz andere Rollen gespielt, Fieslinge, Schurken, aber einmal auf einer Schiene erfolgreich, sei es schwierig, von ihr wegzukommen.

Es ist also nicht nur die Trauer um seine Frau, gegen die Weck beständig anzukämpfen hat, sondern auch dieses vermaledeite Image - Weck spricht von einem "gewaltigen Stempel" -, das spätestens seit der auch von ihm inszenierten ZDF-Serie Ich heirate eine Familie in den Achtzigern an ihm haftet und sich auch von Auftritten als mordender Patriarch (Donna Leon - Nobiltà) oder Pädophiler (Die Mutprobe) nicht abschütteln ließ. Weck muss sich zwingen, freundlich zu bleiben, wenn er auf der Straße mit seinen Rollen verwechselt wird. Seine Frau wurde manchmal sogar für Thekla Carola Wied gehalten, seine Fernsehgattin aus Ich heirate eine Familie. "'Papa, bitte sei nicht so bös', die Leute mögen dich doch'", habe seine Tochter ihm bisweilen in Erinnerung rufen müssen, sagt Weck, der durch den Verlust seiner kontaktfreudigen Frau gezwungen war, die eigene Reserviertheit abzulegen: "Ich bin heute selbständiger denn je - was bleibt mir auch anderes übrig?"

Weck selbst ist schon gelungen, was seine Figur in "Geld oder Leben", der kommenden Donnerstag laufenden neuesten Episode aus der ZDF-Anwaltsschnulzenreihe Engel der Gerechtigkeit noch vor sich hat: loszulassen. Nur deswegen konnte er ihn überhaupt spielen, diesen Stefan Binder, einen betulichen Pullunder-Rentner, der die Existenz einer Patientenverfügung seiner klinisch toten Frau leugnet, weil er die Einsamkeit so fürchtet.

Neben Robert Atzorn und Katja Weitzenböck, die ihre gravitätischen Gutmenschentexte wie eine Monstranz vor sich hertragen (Regie: Sigi Rothemund; Buch: Jürgen Werner), gelingt Weck in wenigen Szenen das Porträt eines stumm Verzweifelten. Es ist rührend und beklemmend zugleich, wie er seine Frau umsorgt, der doch eigentlich nicht mehr zu helfen ist. Als er ihre reglosen Füße bewegt, lobt er sie dafür: "Gut machst du das, mein Schatz!" Dabei macht sein Schatz gar nichts mehr. "Diese Rolle ist mir schon wahnsinnig nahegegangen", sagt Weck. Aber er hat sich ihr gestellt. In einem Alter, in dem sich andere längst zur Ruhe gesetzt haben, sucht "das alte Zirkuspferd", wie Weck sich selbstironisch nennt, weiter nach schauspielerischen Herausforderungen. Die letzten Rollen sollen bloß nicht die egalsten sein. "Ich will nicht Pfeife rauchend bei Rosamunde Pilcher herumsitzen", sagt Weck. Als man ihn auf Auftritte im Traumhotel und auf dem Traumschiff anspricht, sagt er: "Ich gebe zu, das sind sicher am Lorbeerkranz keine blühenden Blätter."

"Vom Ausland her", erzählt Weck nun, sei ihm gerade eine Rolle angeboten worden - bei einem Casting war er seit den Sechzigern nicht mehr, damals mit Romy Schneider -, die ihn elektrisiert. "Das ist ein richtig mieser Schurke." Auch wenn er sich über die Details ausschweigt, "nicht über ungelegte Eier reden" will, kann er seine Freude darüber doch nicht verbergen, bietet so ein Projekt doch die Chance, ein paar Wochen Urlaub zu nehmen vom "lausbübischen Wiener mit dem notorischen Gute-Laune-Gesicht und den guten Genen", wie er aus Anlass seines 75. Geburtstags beschrieben wurde, dem "eine spezielle Verbindung von keckem Charme mit einem leicht komischen Einschlag" zum "Markenzeichen" geworden sei. Das stimmt natürlich irgendwie alles, doch Weck möchte eben "noch andere Farben auf meiner Palette zeigen", seinen Beruf ernst nehmen.

Zur heutigen deutschen Fernsehlandschaft hat Weck ein distanziertes Verhältnis. "Als junger Mensch habe ich mir geschworen, später nie zu sagen, dass früher alles besser war", sagt Weck, "aber ich kann nur sagen, dass ich sehr froh bin, dieses Früher erlebt zu haben." Das aktuelle Niveau des Programms sei "teilweise erschütternd": Manche Regisseure seien "nicht mehr als Platzanweiser", "viele Produzenten mögen es vor allem billig" und er habe schon mit Kollegen zusammenarbeiten müssen, "die eine Schauspielschule noch nicht mal von außen gesehen hatten." Einen solchen Rundumschlag kann man angemessen, aber auch unkollegial finden. In jedem Fall aber steckt eine gewisse Tragik darin: Es ist nicht mehr seine Welt - von der Weck jedoch nicht ganz lassen will und wohl auch gar nicht könnte.

Es ist aber nicht nur diese Entfremdung, die ihn heute manches Angebot ablehnen lässt. Schweren Herzens hat er sich gerade dagegen entschieden, von Weihnachten an mit Helmuth Lohner ein halbes Jahr in Anatol von Arthur Schnitzler in Wien auf der Bühne zu stehen. Ein halbes Jahr ist in Wecks Alter eine lange Zeit: "Ich bin gewarnt, wie schnell alles zu Ende sein kann."

Angst vor dem Älterwerden? Keine Spur: "Man muss jede Falte ausleben, die man hat."

Weck scheut sich, sein Leben "erfüllt" zu nennen. Dafür ist er wohl zu sehr Grübler. Aber "ausgefüllt", das schon. Was von der Übermacht der Schauspielerei marginalisiert wird, sind etwa Wecks Verdienste um das Musical. Als Generalintendant der Vereinigten Bühnen Wien verschaffte er Andrew Lloyd Webbers Cats die deutschsprachige Erstaufführung, die er auch inszenierte. Es folgten Les Misérables und Das Phantom der Oper. Weck war also auch Vater des hiesigen Musical-Booms in den Achtzigern und Neunzigern. Eine Kariere wie seine, so vielseitig und schon über sechzig Jahre lang, die gibt es nur ganz selten.

Peter Weck

"Ich bin nicht Schauspieler geworden, um immer den Lieben, Sympathischen, Netten zu spielen."

Im August wird Peter Weck 85 Jahre alt. Promikoch Alfons Schuhbeck will es sich nicht nehmen lassen, die Feier auszurichten, wie auch bei den letzten runden Geburtstagen. "Das wird dann nett", sagt Weck. Ihm ist es ganz recht, damit nichts weiter zu tun zu haben. "Ich leide nicht darunter, 85 zu werden, aber man muss doch nicht ununterbrochen darauf gestoßen werden", sagt er. "Heute bin ich genau einen Tag älter als gestern. 85 - das ist doch nur eine Zahl." Mit dem Älterwerden an sich hat Weck aber keine Probleme - na gut, die Beine sind schwächer geworden, an Skifahren ist nicht mehr zu denken, aber grundsätzlich gilt sein Credo: "Man muss jede Falte ausleben, die man hat."

Peter Weck muss allmählich los. Letzte Besorgungen machen für seine Reise nach Namibia in zwei Tagen. Auch Istanbul steht auf seiner Liste. Seine Frau habe ihm von der Stadt vorgeschwärmt, er konnte damals nicht mit. "Wir haben gesagt, wir fahren da noch mal zusammen hin", sagt Weck. "Jetzt mach ich's halt allein." Auch nach Kuba möchte er möglichst bald, "bevor die Amerikaner kommen". Sagt's und lächelt sein schönstes Weck-Lächeln.

Sind Sie lieber zu Hause oder unterwegs, Herr Weck? "Unterwegs."

Nach dem Handschlag zum Abschied überquert Weck schleppenden Schrittes die Ringstraße. Erst jetzt fällt auf, dass er fast komplett in Beige gekleidet ist. Von hinten sieht er aus wie ein Rentner.

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