Rocker-Affäre:Falsche Frequenz

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Gab es Peilsender, wurde auf Mails zugegriffen? Die Kieler Nachrichten wollen das aufklären.

(Foto: imago/Westend61)

Hat die Polizei den Chef der "Kieler Nachrichten" überwacht? Die Staatsanwaltschaft glaubt nicht daran - und hat das Ermittlungsverfahren in der Sache nun eingestellt.

Von Thomas Hahn

Ein Verdacht löst sich nicht sofort in Luft auf, bloß weil eine Staatsanwaltschaft ihn verwirft. Christian Longardt, Chefredakteur der Kieler Nachrichten (KN), steht jedenfalls weiterhin zur Berichterstattung seines Blattes im Juli 2017, wonach die Führung der schleswig-holsteinischen Landespolizei bei der Überwachung von Whistleblowern auch KN-Journalisten ins Visier genommen haben könnte. Neun Monate hat sich die Staatsanwaltschaft Lübeck mit der Frage beschäftigt, ob etwas dran ist am Verdacht der KN, die Polizei habe einen Peilsender an Longardts Auto angebracht und damit rechtswidrig Daten erhoben. Ihr Ergebnis: Besagter Verdacht sei die "Schlussfolgerung aufgrund sachlich nicht belastbarer Recherchen". Das Verfahren ist eingestellt. Longardt ist nicht überrascht: "Uns war klar, dass ein solcher Vorgang schwer zu beweisen sein würde."

Der Überwachungsverdacht der KN hat im vergangenen Sommer viel Aufmerksamkeit erregt. So viel sogar, dass Nicht-Schleswig-Holsteiner den Eindruck bekommen konnten, er sei größer als die Geschichte, aus der er sich ergeben hatte. Für Longardt und seinen Reporter-Kollegen Bastian Modrow hingegen ist die Ahnung, dass sich die Polizei etwas zu sehr für ihre Arbeit interessieren könnte, immer nur der Randaspekt jener viel größeren Recherche gewesen, die unter dem Schlagwort "Rocker-Affäre" seit Mai 2017 die Landespolitik in Kiel aufrührt. Der Fall geht auf eine Messerstecherei zwischen zwei Rocker-Gruppen im Januar 2010 zurück, bei der eine Person lebensgefährlich verletzt wurde. Danach soll die Polizeiführung Aussagen unterdrückt und so einen Informanten gesetzeswidrig geschützt haben.

Der Bürgerrechtler Patrick Breyer von der Piratenpartei hat die Affäre aufgedeckt. Die KN berichteten und schrieben über ein "Netzwerk der Polizeiführer", das nicht nur interne Kritiker mobbe und wegbefördere, sondern auch jenen Beamten nachstelle, die Insiderwissen nach außen tragen. Bei der Überwachung von diesen sogenannten Whistleblowern sollen dann auch KN-Journalisten, also die Abnehmer der Informationen, auf den Radar geraten sein. Medien im ganzen Land merkten auf, als die KN von einer eigenen Untersuchung berichteten, bei der ein Funkwellendetektor an Longardts Auto ausgeschlagen habe. Insider bestätigten den KN, dass die Ausschläge auf einen raffinierten Minipeilsender im Radkasten hinweisen könnten. "Die Information, wir müssten damit rechnen, dass man uns überwache, dass man uns folge und unsere Gespräche mithöre, kam immer wieder von sehr gut informierten Quellen aus dem Polizeiapparat selbst - diesen Quellen vertrauen wir weiterhin", sagt Longardt.

Die Staatsanwaltschaft allerdings nennt die Aussagen besagter Insider "unzutreffend". In einer ausführlichen Pressemitteilung erklärt sie außerdem, dass die Messung unprofessionell gewesen sei und dass die Ausschläge im genannten Frequenzbereich nicht auf Polizei-Aufgaben hinwiesen, sondern auf die Flugnavigation. Wer sich mit Hochfrequenzsignalen nicht auskennt, kann den Erläuterungen schwer folgen. Klar wird nur: Die Staatsanwaltschaft hält den Verdacht der KN für Unsinn.

Dass es sich bei der KN-Berichterstattung über die Verwerfungen in der Landespolizei um Unsinn handelte, kann man aber wohl ausschließen. Die Enthüllungen haben zu Wechseln an der Polizeispitze geführt. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss hat die Arbeit aufgenommen. Und was den Überwachungsverdacht angeht, so ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Longardt sagt: "Wir warten jetzt ab, zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft Lübeck in Bezug auf einen möglichen Zugriff auf das E-Mail-Konto des Kollegen Modrow kommt."

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