Serie "Roadkill":Ausweitung der Kampfzone

Serie "Roadkill": Ist schon Minister, möchte aber ganz nach oben: Peter Laurence (Hugh Laurie) mit seiner Affäre Madeline Hall (Sidse Babett Knudsen).

Ist schon Minister, möchte aber ganz nach oben: Peter Laurence (Hugh Laurie) mit seiner Affäre Madeline Hall (Sidse Babett Knudsen).

(Foto: Robert Viglasky/BBC/The Forge)

Die Serie "Roadkill" ist souveräne politische Satire und die Studie eines populistischen Konservativen, gespielt von Hugh Laurie.

Von Nicolas Freund

Es ist leicht, wenn man so eine Art Hofnarr spielt: Alles ist erlaubt, und trotzdem wird man von den meisten gemocht. Kein Wunder, dass sich mancher Politiker in diese Rolle flüchtet. Zugeben würde das natürlich keiner. Auch nicht der fiktive Politiker Peter Laurence, der in der Serie Roadkill ebendiese Strategie fährt und gleich zu Beginn sagt, er sehe sich selbst eher als "Persönlichkeit". Er spielt ganz oben mit, verkehrt bei der Premierministerin und verantwortet ein Ministerium, macht aber eigentlich, was er will. Und ist gerade deshalb bei den Wählern beliebt.

Hugh Laurie (der grummelige altkluge Arzt aus Dr. House) spielt den konservativen britischen Populisten ziemlich nah an den Politikern, die in Großbritannien in den vergangenen Jahren Dinge wie den Brexit durchsetzten, also nach außen immer witzig, frech, nahbar und schlagfertig, hinter den Kulissen aber skrupellos und selbstgerecht agierten. Nicht nur Hughes Mimik erinnert an Nigel Farage, Gründungsmitglied und Vorsitzender der Ukip-Partei, die maßgeblich den Brexit vorantrieb. Wobei man da den Seriencharakter etwas in Schutz nehmen muss. Der hat immerhin verstanden, dass Politik aus mehr besteht, als sich mit einem vollen Pint im Pub ablichten zu lassen. Und das ist gerade der Unterschied, den die Serie zu den Populisten macht. Denn Laurence hat die Rolle des charmanten Regelbrechers perfektioniert.

Politiker, bei denen man sich fragt, ob sie die gleiche Show zu Hause am Küchentisch abziehen

Das Problem, von dem diese kurze Serie in vier Episoden handelt: Der Auftritt als liebenswerter Narr, als überzeichneter Charakter, funktioniert nur auf der Bühne, in diesem Fall der politischen. Familie und Freunde sind aber keine Bühnen.

Serie "Roadkill": Hugh Laurie in der Rolle eines selbstgerechten Politikers erinnert an Nigel Farage. Nur dass sein Seriencharakter mehr verstanden hat.

Hugh Laurie in der Rolle eines selbstgerechten Politikers erinnert an Nigel Farage. Nur dass sein Seriencharakter mehr verstanden hat.

(Foto: Steffan Hill/BBC/The Forge)

David Hare, Autor der Serie, schreibt seit mehr als fünfzig Jahren für Film und Theater. Er weiß, wann und wo Auftritte funktionieren. Aber seiner Hauptfigur hat er dieses Wissen nicht mitgegeben. Für Laurence ist einfach alles eine Bühne, und damit steht er für all die übergeschnappten, populistischen und oft auch konservativen Politiker, die in den letzten Jahren auf die politischen Bühnen stürmten und bei denen man sich immer fragt, ob sie die gleiche Show zu Hause am Küchentisch abziehen. Ob sie so, wie sie über Frauen sprechen, mit ihren Partnerinnen umgehen. Roadkill basiert auf dieser Idee, diesem Typus des skrupellosen Politikers, dreht ihn aber weiter. Denn Laurence ist kein Idiot, und er ist auch nicht ganz gewissenlos. Er hat es geschafft, die bei Wählern so beliebte Chuzpe der Populisten mit dem Schein des seriösen Konservativen zu verbinden.

Hare setzt diesen Laurence in ein kompliziertes Netz aus politischen Intrigen und Familienproblemen. Die Politikszene ist so karikaturenhaft gezeichnet wie Laurence und könnte das Personal einer ganzen Sitcom stellen: eine dauergrinsende Premierministerin, eine überambitionierte Journalistin, ein immer etwas verzweifelt schauender Chefredakteur. Und Berater, die miteinander schlafen, um anschließend die ahnungslosen Politiker gegeneinander auszuspielen. Weniger kurios ist Laurences Privatleben. Da sind eine betrogene Ehefrau, eine frustrierte Geliebte, eine drogensüchtige Tochter und eine, die sich hinter einer Maske aus Zynismus versteckt, wenn sie nicht gerade in Grönland den Planeten rettet. Vielleicht gibt es auch ein drittes Kind, und vielleicht sitzt es gerade im Gefängnis, das muss aber noch geklärt werden.

Überraschend ist: Eigentlich läuft es trotz dieses Netzwerks des Wahnsinns nicht so schlecht für Laurence. Gerade hat er einen Prozess gewonnen gegen eine Journalistin, die ihm nachweisen wollte, dass er über eine Steueroase und Verbindungen in die USA sehr viel Geld in die eigene Tasche geleitet hat. Hat er auch, aber darum geht es in seiner Welt nicht. Laurence sagt selbst, die Leute mögen ihn, weil er die Regeln bricht. Es müssen halt nur die richtigen sein.

Elegant faltet die Serie dieses komplizierte Geflecht auf und inszeniert die Figuren in immer perfekt ausgeleuchteten Räumen. Klar, es kommt vor allem auf den richtigen Schein an. Roadkill gelingt es, in der Vereinfachung und Überzeichnung etwas Wahres zu zeigen und gleichzeitig zu kritisieren. Es ist die Charakterstudie eines Populisten und der Zyniker, die ihn ermöglichen. Laurence scheint immer kurz vor dem Scheitern zu sein und kriegt es dann doch noch irgendwie hin. Auch das kommt bei den Wählern gut an, und vielleicht schafft es die Serie hier ganz souverän, einen neuen Politikertypus zu charakterisieren: den Populisten, der so tut, als wäre er keiner.

Roadkill, vier Episoden, bei Magenta TV.

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