Süddeutsche Zeitung

Dänische Serie "Sex":Zwischen Gefühl und Verstand

In der dänischen Serie "Sex" geht es um den Wunsch, alles zu haben: Sicherheit und Abenteuer.

Von Marija Barišić

SEX. In großen Lettern bewirbt die ARD-Mediathek die dänische Serie "Sex", die seit Anfang November auf ARD One läuft. Dazu sieht man nackte Frauenkörper unter roten Samttüchern. Strahlt das öffentlich-rechtliche Fernsehen jetzt einen feministischen Softporno aus? Nach der ersten Folge ist klar: Nein, tut es nicht, aber, gute Nachricht: Die Serie ist trotzdem richtig gut.

In sechs flotten Episoden à 15 Minuten wird die Geschichte der Protagonistin Cathrine erzählt. Sie ist Anfang 20, lebt mit ihrem Freund Simon zusammen und arbeitet bei der Sex-Hotline einer Jugendberatungsstelle. Dort nimmt sie die Anrufe von unsicheren Teenagern entgegen, die vergessen haben, die Pille zu nehmen, oder wissen wollen, worauf sie beim ersten Mal achten müssen. In ihrem eigenen Leben bräuchte Cathrine wohl selbst so eine Help-Hotline. Mit ihrem Freund Simon läuft es zwar ganz gut, sie liebt ihn, er liebt sie, aber im Bett will es nicht so ganz klappen zwischen den beiden. Simon hat schon länger keine Lust mehr auf Sex, und jeder Versuch ihn dazu zu bringen, endet für Cathrine in einer weiteren, schmerzhaften Ablehnung.

Simon ist nett, er hört zu, er ist vertrauenswürdig, nach einer durchzechten Nacht versorgt er seine verkaterte Freundin mit Pizza und auch sonst scheint er ein anständiger Kerl mit guten Intentionen zu sein. Klar, er hat keine Lust auf Sex, und das ist ziemlich scheiße, aber ist das allein Grund genug, eine sonst sehr schöne Beziehung zu beenden? Als Cathrine sich dann auch noch in ihre Arbeitskollegin Selma verliebt und eine Affäre zwischen den beiden beginnt, wird die Sache noch komplizierter.

Die selbstbewusste Selma mit den kurzen roten Haaren lässt Cathrine ihre eigene Sexualität neu entdecken. Mit ihr fühlt sich Sex endlich wieder wie ein Naturgesetz und nicht wie zermürbende Überzeugungsarbeit an. Sie bringt Leben in Cathrines sonst so routinierten Alltag und erinnert sie daran, wie er eigentlich sein könnte, nämlich aufregend.

"Sex" handelt ganz und gar nicht bloß von Sex

Alle Folgen werden aus der Perspektive der Protagonistin erzählt. Es gibt keine Szene, in der sie nicht vorkommt, und so hat man als Zuschauer schnell das Gefühl, selbst in Cathrines Haut zu stecken und nicht zu wissen, was das überhaupt sein soll, "das Richtige", das es zu tun gilt: bleiben und an der Beziehung arbeiten, die sich sicher anfühlt, aber nicht mehr richtig? Oder einfach mal dem sexuellen Abenteuer hinterher, das sich richtig anfühlt, aber nicht so sicher? Und so ist "Sex" ganz und gar keine Serie über Sex, also nicht nur.

Vielmehr erzählt sie vom uralten menschlichen Wunsch, alles haben zu wollen. In Erfüllung geht der freilich nur in schlechten Filmen und Serien. Und das ist "Sex" eben nicht. So verhält Cathrine sich, wie jeder andere feige Mensch sich in ihrer Situation verhalten würde. Sie schläft weiterhin heimlich mit Selma, während sie ihrem Freund weiterhin versichert, dass sie ihn liebt - und tut letztlich allen damit weh, inklusive und am meisten wohl sich selbst. Das macht die Serie besonders frustrierend, aber eben auch realistisch und besonders gut.

Gut ist auch, wie die Liebesgeschichte zwischen Cathrine und Selma erzählt wird. Dass es eine Frau ist, in die die Protagonistin sich verliebt, wird nämlich die ganze Serie über gar nicht thematisiert. Nur einmal, als Cathrine ihrem Freund die Affäre gesteht, kommt das Thema kurz hoch ("Du stehst also jetzt auf Frauen"). Genauso schnell wird das Thema von der Protagonistin aber wieder vom Tisch gewischt ("Darum geht's hier nicht.")

Etwas Ähnliches muss sich auch die Autorin Clara Mendes beim Schreiben des Drehbuchs gedacht haben - zum Glück. Denn gerade, weil die gleichgeschlechtliche Beziehung von Cathrine und Selma nie thematisiert wird, kommt sie so angenehm normal daher. Was selbstverständlich ist, ist eben kein Thema. Und so freut man sich richtig darüber, dass "Sex" im Rahmen einer Aufklärungswoche im dänischen Fernsehen laufen durfte. Die Regisseurin der Serie, Amalie Næsby Fick, selbst lesbisch, sagt jedenfalls, dass ihr die Serie bei ihrem eigenen Coming-out in einer kleinen dänischen Provinzstadt geholfen hätte.

Sex, sechs Folgen, in der ARD-Mediathek.

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