Süddeutsche Zeitung

Regisseur Christian Schwochow:Und dann sah er Beate Zschäpe lächeln

In diesem Moment vor Gericht war Christian Schwochow klar, wie er das NSU-Trio in seiner Verfilmung anlegen will. Nun wurde der Regisseur mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.

Von Cornelius Pollmer

Das Jahr 2016 spielte sich für den Regisseur Christian Schwochow ab zwischen Ken Follett, Beate Zschäpe und Paula Modersohn-Becker, es wäre ihm also allein dafür ein Preis zu verleihen, dass er bei so unterschiedlichen Temperaturen am Ende nicht weich geworden ist im Kopf. Zugesprochen wurde Schwochow der Grimme-Preis an diesem Mittwoch für seinen Teil der ARD-Trilogie zum Entstehen und Wirken des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Die Jury begründet dies explizit mit der "riskanten Erzählanordnung" in diesem "Gewaltakt von Film".

Was genau sie damit meint, ließ sich im Grunde schon beobachten, als der Dreh noch gar nicht begonnen hatte. Christian Schwochow hatte sich nach tiefer Recherche entschlossen, das innere Erkalten des heranwachsenden NSU-Trios als "sanfte Radikalisierung" zu erzählen. Doch blieben zunächst Zweifel, ob er drei jugendliche Menschen zeigen könne, die das Land nur als erwachsene Mörder kennengelernt hatte. Schwochow ging zum Prozess, er sah Beate Zschäpe einer Protokollantin zulächeln, und "das war so warm, da hatte ich keine Fragen mehr, da war klar: Die muss auch mal ein fröhliches Mädchen gewesen sein." Schwochow erlaubte sich also diesen Impuls, und es gelang ihm ein großer Film auch deswegen, weil er sich davon nicht zu falscher Nachsicht verleiten ließ.

Christian Schwochow, 1978 geboren in Bergen auf der Insel Rügen und aufgewachsen im Osten Berlins, spielte schon als Kind in Hörspielen mit. Die Eltern arbeiteten für den Rundfunk der DDR, der Onkel inszenierte Kinderfilme. Weil die Eltern gegen den Staat opponierten, prägte das Leben ihren Sohn in frühen Jahren nicht nur kreativ, sondern auch politisch. Dieses Rüstzeug nahm Schwochow mit in die Welt und wurde mit Akribie und großem Fleiß zu einem so genauen Erzähler, wie es sie im deutschen Film der Gegenwart nur selten gibt. Preise erhielt er unter anderem für die Verfilmung von Uwe Tellkamps "Der Turm", sein Drama "Paula" schwebt gerade viel beklatscht durch die Festivals der Welt.

Äußerlich bleibt Schwochow bei seiner Arbeit oft unauffällig und leise, seine Gesten sind sparsam. Wie intensiv er sich seinen Projekten wie dem Film zum NSU aber verschreibt, lässt sich dennoch erleben. Schwochow ließ sich tagelang in Casting-Sitzungen von hitlernden Schauspielern anschreien, bis er seine Wunschbesetzung für das Trio gefunden hatte. Er stapfte bei der Suche nach geeigneten Drehorten durch WBS 70-Linoleum-Höllen in Jena, telefonierte gegen juristische Bedenken an, und selbst wenn es mit der Filmcrew abends im "Schwarzen Bären" mal länger geworden war im Sinne von viel zu spät, grüßte Schwochow mit Fliegersonnenbrille am nächsten Morgen nur leicht verspätet und mit erstaunlich knitterfreiem Gesicht in die sonst welke Runde und bat, die Verspätung zu entschuldigen - er komme gerade von einem längeren Gespräch mit einem Zeitzeugen.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2017/cag
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