Vielfalt in den Medien:"Diversität ist kein Nice-to-Have mehr"

Vielfalt in den Medien: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Reem Alabali-Radovan nach ihrer Berufung zur Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Reem Alabali-Radovan nach ihrer Berufung zur Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Die Antirassismus-Beauftragte der Bundesregierung Reem Alabali-Radovan spricht im Podcast "quoted" darüber, wie man ein "gelungener Teil" der Gesellschaft wird und was Medien damit zu tun haben.

Von Joshua Beer

Die Staatsministerin für Migration lobt die deutschen Medien für ihr Bild von den Menschen im Land. "Vielfalt in der Einwanderungsgesellschaft wird immer besser repräsentiert", sagte sie in der aktuellen Folge des Podcasts "quoted", den die CIVIS Medienstiftung zusammen mit der SZ herausgibt. "Da tut sich gerade in den letzten zwei, drei Jahren viel". Redaktionen und Sender geben sich nach ihrem Eindruck Mühe, Diversität unter Schreibenden und Sprechenden zu erhöhen. Aber: "Wir sind noch lange nicht an dem Punkt, an dem sie wirklich die Lebensrealität vieler Menschen darstellt."

Während ein holländischer Akzent bei Moderatorinnen und Moderatoren positiv ankomme - "ein witziges Gimmick" -, seien osteuropäische Akzente kaum zu hören. Dabei sind in der deutschen Lebensrealität viele nicht-europäische Sprachen wie Arabisch und Türkisch alltäglich.

Als Reem Alabali-Radovan mit sechs Jahren nach Deutschland kam, schaute sie den Kinderkanal. "Ich bin ein Kika-Kind", sagt sie im Podcast. Alabali-Radovan ist in Moskau geboren, ihre Eltern waren aus dem Irak geflohen. Heute ist sie mit 32 Jahren Staatsministerin für Migration (SPD) und seit Februar die erste Beauftragte für Antirassismus in der Bundesregierung. Ein gelungenes Beispiel einer Migrationsgeschichte?

"Es ist schwierig zu sagen, das ist gelungen, weil man jetzt Staatsministerin ist", sagt Alabali-Radovan. Es sei wichtig, dass Menschen mit Migrationsgeschichten in Politik und Medien vertreten sind. Für die Frage, ob man ein "gelungener" Teil der Gesellschaft ist, sollte es keine Rolle spielen, welchen Schul-, Berufs- oder Studienabschluss man hat. "Jede Person geht einen eigenen Weg", man gehöre dazu, "egal, was man macht".

Die SPD-Politikerin weiß um die hässlichen Seiten der deutschen Medienlandschaft. 1992, ein paar Jahre, bevor sie nach Deutschland kam, warf ein rechtsextremer Mob erst Steine und dann Brandsätze auf Menschen in einer Asylunterkunft in Rostock-Lichtenhagen. Medien titelten in dieser Zeit mit "Asylantenflut" und "Das Boot ist voll", die lokale Ostsee-Zeitung schreibt kurz vor dem Gewaltausbruch: "Anonymer Anrufer kündigt 'heiße Nacht' an."

Alabali-Radovan, die zuvor Integrationsbeauftragte in Mecklenburg-Vorpommern war, glaubt, dass Zeitungen die Fehler von damals nicht mehr wiederholen würden. Dennoch verwendeten sie bis heute "Begrifflichkeiten, die mit Ängsten spielen": Seit 2015 lese man von "Flüchtlingswellen" und "-strömen", womit bedrohliche Bilder erzeugt werden. Worte wie "fremdenfeindlich" und "ausländerfeindlich" findet Alabali-Radovan unsensibel. In Krisen schwinge da stets mit, "dass das gerechtfertigt sei", weil die Wut sich nun mal entladen müsse.

Diversität, das "ist kein Nice-to-Have mehr", sagt die Integrationsbeauftragte. Am Ende gehe es in Politik und Medien darum, "wirklich unsere Gesellschaft widerzuspiegeln".

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