Reaktionen auf Mega-Zusammenschluss:"Wie Feuer und Wasser"

An diesem Freitag ist der spektakuläre Kauf von Gruner + Jahr durch RTL verkündet worden. Wie ist dieser Deal zu bewerten? Fünf Medienprofis sagen, was sie davon halten.

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RTL übernimmt Magazingeschäft von Gruner + Jahr

Quelle: Christian Charisius/dpa

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An diesem Freitag ist der spektakuläre Kauf von Gruner + Jahr durch RTL verkündet worden. Wie ist der Deal zu bewerten? Fünf Medienprofis sagen, was sie davon halten.

Helmut Thoma

Quelle: Uwe Anspach/dpa

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Helmut Thoma, langjähriger Geschäftsführer von RTL: "Was gerade passiert, ist eine Wiederholung der Vergangenheit. Die Idee einer engen Zusammenarbeit zwischen der Magazinsparte von Gruner + Jahr und dem TV-Sender RTL haben wir in den 80ern und 90ern schon mal erlebt - und wir sind gescheitert. Damals gab es zum Beispiel Sendungen von Brigitte, aber wir mussten einsehen: Man kann diese zwei Welten, Print und TV, nicht vereinen. Kreativität lässt sich nicht so einfach hin- und herschieben und aus einem Magazinjournalisten wird nicht von heute auf morgen ein Fernsehreporter. Natürlich, es gab auch Erfolge, zum Beispiel Stern-TV mit Günther Jauch. Aber die Sendung hatte, bis auf den Namen, nichts mit dem gedruckten Stern zu tun. Dass die Fusion zwischen Gruner + Jahr und RTL die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft ist, bezweifle ich."

Manfred Bissinger wird 75

Quelle: Axel Heimken/picture alliance / dpa

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Manfred Bissinger, Publizist und ehemaliger stellvertretender Chefredakteur des Stern: "Gruner + Jahr war einmal der publizistische Marktführer in Europa. Dass dieser Verlag nun in den Untiefen von RTL verschwindet, ist eine Riesenschande und ein herber Rückschlag für die freie Publizistik in Deutschland. Bewegtbilder und Magazine sind wie Feuer und Wasser - das passt nicht zusammen."

Internationales Kommunikationsforum 2008, 'Medien und PR in einer globalisierten Welt'

Quelle: Frank May / news aktuell GmbH/news aktuell GmbH

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Annette Milz, Medienjournalistin und Herausgeberin des Medium Magazins: "Eine Fusion in dieser Größenordnung ist in Deutschland zwar neu, kommt aber nicht überraschend. Die beiden Marken haben sich in den vergangenen Jahren trotz ihrer redaktionellen Eigenständigkeit kulturell ja schon angenähert, der Unterschied zwischen RTL und dem Stern ist nicht mehr groß. Für den Spiegel, an dem Gruner + Jahr Anteile hält, die aber nicht in diese Fusion eingehen, wäre ein Zusammenschluss mit RTL viel schädlicher gewesen. Eine Gefahr sehe ich aber in der Notwendigkeit zu markenübergreifenden Kompromissen: Themen, die kanalübergreifend in der großen RTL-Familie funktionieren müssen, dulden keine Nischenaspekte, von denen Magazine doch leben. Die unterschiedlichen Identitäten der Marken werden, denke ich, nicht zu wahren sein.

Mich stört auch das Argument, dass nach der Fusion ein Gegenspieler zu Amazon oder Netflix entstehen werde. Der Unterschied ist doch: Amazon ist eine Marke, die mit einer Stimme spricht. Wie sollen Stern, Geo, Brigitte und RTL denn mit einer Stimme sprechen? Bedenklich finde ich auch, dass da eine große, crossmediale Promotion-Maschine entsteht. ntv garnierte seine Meldung über die Fusion in den Nachrichten gerade mit Sätzen wie: ,Die Zuschauer dürfen sich freuen.'"

HANS MAHR, RTL INFORMATIONSDIREKTOR

Quelle: OBS

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Hans Mahr, Medienberater und ehemaliger Chefredakteur von RTL: "Last Exit RTL. Die ungeliebte Magazinsparte von Bertelsmann ist nun endgültig beim großen Fernsehbruder gelandet. Geplant wurde eine möglichst enge Kooperation schon seit 20 Jahren, aber die Egos der stolzen Print-Marken hatten es nie zugelassen. Heute, wo Auflage und inhaltliche Potenz deutlich runtergegangen sind, bringen Stern & Co. nicht mehr allzu viel an den gemeinsamen Tisch. Vor allem, weil das Lead-Medium von Gruner nicht zu RTL kommt. Die Spiegel-Redakteure wollten partout nicht unters gemeinsame Dach RTL - dabei wäre diese Fusion diejenige gewesen, die am meisten Sinn macht: Die Spiegel-TV-Kanäle als seriöser Teil des RTL-Imperiums, also ntv mit wirtschaftlichem, Spiegel-TV mit politischem Fokus, der History-Kanal parallel zu Vox, der Doku-Kanal als Ergänzung zu RTL. Damit könnte der von Bertelsmann-CEO Thomas Rabe zu Recht herbeigesehnte "National Champion" tatsächlich entstehen. Wird wohl noch einige Zeit dauern, bis selbst das Ego von Spiegel-Redakteuren in der Neuzeit angekommen ist.

Denn auf sich alleingestellt ist im digitalen Zeitalter auf Dauer auch der Spiegel nicht überlebensfähig. Von den restlichen G+J-Magazinen ist fürs TV nicht viel zu erwarten. Was klappen kann, ist der gemeinsame Aufbau von digitalen Nischenplattformen rund um die Themen Frauen, Essen, Wohnen. Was kommen wird, sind deutliche Einsparungen bei Personal und Backup-Kosten. Was zu hoffen ist, sind Investitionen in die Cashcow RTL, die derzeit mit dem Hauptsender nahe dem einstelligen Quotenbereich herumdümpelt. Rentenrückholaktionen und öffentlich-rechtliche Sendungskopien werden da nicht helfen. Vielleicht müsste man ja trotz Print-Fusion auch wieder mehr richtige Fernsehprofis ans Programm lassen. Wär doch eine Idee ..."

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Quelle: Stefan Schwenke/imago/Stefan Schwenke

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Ingrid Kolb, ehemalige Stern-Autorin und langjährige Leiterin der Henri-Nannen-Schule: "Gerade für den Stern ist das eine Katastrophe, weil dieses einst sehr wichtige, stolze Blatt dadurch zu einer Zugmaschine für RTL-Projekte herabgewürdigt wird. Auch wenn sicherlich beim Stern längst sowas wie eine Erosion stattgefunden hat, das Blatt lebt immer noch ganz gut vom alten Glamour und von gutem Journalismus. Diese RTL-Projekte mögen für sich genommen gar nicht schlecht sein, aber das geschieht nun mal auf Kosten einer Medienlandschaft, die es nun, das ist jetzt meine Befürchtung, so nicht mehr geben wird. Auch Geo, Gala und Brigitte haben noch einen guten Ruf und ein Standing in der Medienwelt. Aber wenn jemand den ganzen Verlag Gruner + Jahr schluckt, dann schluckt er die alle mit. Dann ist halt gar nichts mehr. Warten wir, was an konkreten Entscheidungen noch bekannt wird."

© SZ
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