Süddeutsche Zeitung

RBB-Affäre:Rundfunkrat beruft Schlesinger als Intendantin ab

Die 61-Jährige hatte wegen Vorwürfe der Vetternwirtschaft bereits ihre Posten als Chefin des Rundfunk Berlin-Brandenburg und als ARD-Chefin verloren.

Der Rundfunkrat des öffentlich-rechtlichen RBB hat Patricia Schlesinger nach dpa-Informationen am Montag als Intendantin abberufen. Damit wird formal die Vertragsauflösung in die Wege geleitet. Die 61-Jährige war vor rund einer Woche als Chefin des ARD-Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) wegen zahlreicher Vorwürfe der Vetternwirtschaft zurückgetreten. Wenige Tage zuvor hatte sie bereits ihren Rückzug als ARD-Chefin angetreten.

Der Fall hat den Sender in eine beispiellose Krise gestürzt, die auch auf den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk abstrahlt. Patricia Schlesinger war seit 2016 Intendantin. Ihre zweite Amtszeit hätte eigentlich bis 2026 gedauert.

Die Managerin und Journalistin stand seit Wochen in der Kritik. Vorwürfe gibt es auch gegen den ebenfalls zurückgetretenen RBB-Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf. Sowohl Schlesinger als auch Wolf weisen die Vorwürfe zurück. Zudem geht es um fragwürdige Aufträge für Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl bei der Messe Berlin, wo Wolf ebenfalls bis zu seinem dortigen Rücktritt Aufsichtsratschef war. Das Online-Medium Business Insider hatte den ganzen Fall Ende Juni ins Rollen gebracht.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Schlesinger, gegen den Ex-Spiegel-Journalisten Spörl und gegen Wolf wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsannahme.

In dem Fall geht es um Details wie umstrittene Beraterverträge für ein inzwischen gestopptes RBB-Bauprojekt, einen teuren Dienstwagen für Schlesinger, die Verköstigung von Gästen in ihrer Privatwohnung auf RBB-Kosten mit angeblich falschen Rechnungen, eine kräftige Gehaltserhöhung für Schlesinger um 16 Prozent auf 303 000 Euro plus einem Bonus-System für Führungskräfte, das der Sender bislang unter Verschuss hält. Auch die Renovierung der Chefetage mit schicken Möbeln für 1,4 Millionen Euro sorgte für Unmut, zudem wird ein London-Trip Schlesingers hinterfragt.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Senderchefin und der Senderchefkontrolleur Wolf miteinander einen zu laxen Umgang bei der möglichen Kollision von beruflichen und privaten Interessen gepflegt haben könnten. Es läuft eine externe Untersuchung einer Anwaltskanzlei, Ergebnisse liegen noch nicht vor. Sie werden erst in Wochen erwartet.

Es gab bereits weitere personelle Konsequenzen, vor Tagen wurde die Leiterin der Intendanz, Verena Formen-Mohr, mit sofortiger Wirkung freigestellt. Sie gilt wie Wolf als Weggefährtin Schlesingers. Die Frage ist, ob es noch weitere personelle Veränderungen an der Senderspitze geben wird. Auch die Zusammensetzung der Gremien Rundfunkrat und Verwaltungsrat wurden in den vergangenen Wochen hinterfragt.

Der RBB-Redaktionsausschuss hatte vor der Rundfunkratssitzung in seiner Stellungnahme "Alles offen legen!", die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, das Gremium aufgefordert, alles ihm Mögliche zu veranlassen, dass sämtliche Verträge, Boni, leistungsabhängige Gehaltsanteile, Prämien, Geschäfts-, Wirtschafts- und Sonderberichte im Sender offengelegt werden.

Weiter hieß es, auch der Rundfunkrat müsse sich seiner Verantwortung stellen. Der Ausschuss fragte, wie es sein könne, dass offenbar sämtliche Kontrollmechanismen versagt hätten. Schlesingers Posten hat nach ihrem Rücktritt am Sonntag vor einer Woche der Verwaltungsdirektor Hagen Brandstäter übernommen.

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