Rangliste der Pressefreiheit:"Sicherheitsreflexe wie Diktaturen"

Pressefreiheit 2014, Reporter ohne Grenzen

In Karten wie dieser bildet die Organisation Reporter ohne Grenzen den Zustand der Pressefreiheit international ab.

(Foto: Reporter ohne Grenzen)

Wenn Staaten investigative Journalisten "in die Nähe des Terrorismus" rücken: Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen sind Medien auch in Demokratien wie den USA und Großbritannien immer stärkeren Behinderungen und Verdächtigungen ausgesetzt.

Journalisten in den USA sehen sich nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen immer stärkeren Behinderungen und Verdächtigungen ausgesetzt. In der am Mittwoch von der Organisation veröffentlichten weltweiten Rangliste der Pressefreiheit rutschten die USA um 13 Plätze auf Rang 46 ab. "Selbst Staaten wie die USA und Großbritannien rücken investigative Journalisten und ihre Hinweisgeber mittlerweile in die Nähe des Terrorismus", kritisierte der Vorstandssprecher der Organisation, Michael Rediske, in Berlin.

Die Liste vergleicht die Situation der Medien in 180 Staaten und Regionen in der Zeit von Dezember 2012 bis Mitte Oktober 2013. Deutschland konnte drei Plätze gutmachen und landete auf Platz 14. Weltweit führend beim Schutz der Pressefreiheit sind nach Angaben von Reporter ohne Grenzen Finnland, die Niederlande und Norwegen. Schlusslichter sind wie seit Jahren Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan.

Nie gekanntes Ausmaß

"Dass Länder mit einer langen Tradition freier Medien in ähnliche Sicherheitsreflexe verfallen wie Diktaturen, ist unerträglich", sagte Rediske. Gerade in den USA habe die staatliche Verfolgung investigativer Journalisten und ihrer Hinweisgeber aus den Sicherheitsbehörden ein nie gekanntes Ausmaß erreicht. Als Beispiel nannte die Organisation die Verhängung einer 35-jährigen Haftstrafe gegen die Wikileaks-Informantin Chelsea Manning, früher Bradley Manning. Auch die Jagd auf den ehemaligen Geheimdienst-Mitarbeiter Edward Snowden, der die NSA-Affäre ins Rollen brachte, solle Nachahmer offenkundig davon abschrecken, Journalisten brisante Informationen über das Fehlverhalten von Regierung und Behörden zuzuspielen.

Großbritannien rutschte drei Plätze auf Platz 33 ab. Reporter ohne Grenzen kritisierte die Regierung in London dafür, die Zeitung Guardian wegen ihrer Enthüllungen über die NSA-Affäre massiv unter Druck gesetzt und gezwungen zu haben, Festplatten mit Informationen Snowdens zu vernichten.

Auch in Deutschland, das sich im Ranking verbesserte, sei 2013 verstärkt deutlich geworden, wie sehr Journalisten im Visier in- und ausländischer Sicherheitsbehörden stünden, warnte Reporter ohne Grenzen. So seien Journalisten jahrelang durch den niedersächsischen Verfassungsschutz überwacht worden. Wiederholt hätten Ermittler Recherchematerial beschlagnahmt oder gezielt nach Medienkontakten geforscht. Durch Schließungen, Übernahmen und Zusammenlegungen von Medien sinke die Pressevielfalt weiter.

Lage in Syrien für Journalisten unverändert

Massiv verschlechtert habe sich die Situation der Medien in Griechenland, das 14 Plätze auf Rang 99 abrutschte. Binnen fünf Jahren sei das unter der Schuldenkrise leidende Land um 50 Plätze in der Rangliste abgesackt. Die Regierung hatte unter anderem den Staatssender ERT geschlossen. Am schlechtesten in der EU schnitt Bulgarien ab, das um zwölf Plätze auf Platz 100 fiel. Bei regierungskritischen Demonstrationen seien dort regelmäßig Journalisten das Ziel von Polizeigewalt, bemängelte die Organisation.

Düster sieht es für die Pressefreiheit laut ROG auch in Russland aus (Rang 148). Seit 2013 sei es den Medien verboten, Schimpfwörter zu benutzen, religiöse Werte zu beleidigen oder für "nichttraditionelle sexuelle Beziehungen" zu werben. Das Fernsehen sei fast flächendeckend staatlich kontrolliert. Unmittelbar vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi habe das unabhängige Nachrichtenportal Rosbalt seine Lizenz verloren. Vor allem in den nach Unabhängigkeit von Moskau strebenden Kaukasus-Republiken würden immer wieder Journalisten ermordet, die Täter blieben meist unbestraft.

In Syrien, das unverändert auf Platz 177 rangiert, verschlechterte sich die Sicherheitslage für Journalisten nach Angaben von Reporter ohne Grenzen weiter. Neben den staatlichen Sicherheitskräften bedrohten dort auch dschihadistische Gruppen wie die Al-Nusra-Front und der Islamische Staat im Irak und der Levante Reporter. Sie hätten zahlreiche Anschläge auf Redaktionen verübt und verbreiteten mit Entführungen ein Klima der Angst unter den Journalisten. China verschlechterte sich um einen Platz auf Rang 175. Dort würden auch unter dem neuen Staats- und Parteichef Xi Xinping besonders Blogger und Internet-Aktivisten verfolgt, kritisierte Reporter ohne Grenzen.

Linktipp: Die ausführlichen Informationen zur aktuellen Rangliste der Pressefreiheit finden sich hier bei Reporter ohne Grenzen, samt regionaler "Nahaufnahmen" und Angaben zur Methode der Studie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: