Süddeutsche Zeitung

Radioserie:Der Mann und das Museum

Ein Künstler, den niemand erkannte: Ein WDR-Fünfteiler widmet sich Erwin Hapke, der eine Flut von Figuren hinterließ.

Von Stefan Fischer

Erwin Hapke zog sich aus der Welt zurück, um eine eigene zu erschaffen. Was er in seinem Haus in einem Dorf bei Unna über Jahrzehnte hinweg eigentlich tat, wusste indessen niemand so genau. Es hat auch niemanden recht interessiert.

Vor zwei Jahren ist Hapke gestorben. Was seine Schwester und die übrige Familie daraufhin in Hapkes Haus entdeckten, ist gleichermaßen faszinierend wie verstörend. Erwin Hapke hat zumeist aus Papier, mitunter auch aus Metall Dinge und Lebewesen gefaltet. Wände, Decken und Böden des geräumigen Hauses, das einmal die Dorfschule war, sind bevölkert von tausenden zumeist kleinen Kunstwerken. Wobei das Haus nicht bloß der Aufbewahrungsort für dieses merkwürdige Lebenswerk ist: Erwin Hapke hat es als ein Museum gestaltet, das Gebäude steckt den Raum und damit die Dimensionen jener Welt ab, die der Mann erschaffen hat.

Die Journalisten Christian Möller und Thomas Köster sind auf dieses Leben und diesen Nachlass aufmerksam geworden. Was sie mit großer Neugier in ihrer fünfteiligen Radio- respektive Podcast-Serie Der Weltenfalter vollbringen, ist eine Art Archäologenarbeit. Obschon die Schwester, ein Neffe und diverse Bekannte das eine und das andere zu berichten wissen, gibt es kaum eine Gewissheit im Kosmos des Erwin Hapke. Die Faktenlage ist dünn, die vermeintlichen Gewährsleute erzählen Geschichten ohne Gewähr. Vieles muss Spekulation bleiben.

Entsprechend vorsichtig sind Möller und Köster mit Festlegungen. Immer wieder räumen sie eigene Theorien beiseite, weil sie erkennen müssen, dass nicht Tatsachen, sondern der Wunsch nach einer stimmigen, saftigen Geschichte sie droht leichtgläubig werden zu lassen.

Für ein abschließendes Bild gibt es nicht genügend Gewissheiten. Der Weltenfalter führt dennoch tief hinein in eine deutsche Familiengeschichte, die geprägt ist von Kriegskindheiten, von emotionaler Verschlossenheit und einem gesellschaftlichen Klima, das Abweichler schnell als Spinner abstempelt.

Wobei es Erwin Hapke, der mit Anfang 40 eine Karriere als promovierter Biologe aufgab, seiner Umwelt nicht leicht gemacht hat. Die steht nun recht hilflos vor einem Kunstwerk - als solches erkennen auch Fachleute die Figurenflut an -, von dem niemand weiß, ob und wie man es erhalten, geschweige denn präsentieren kann. Möller und Köster haben ihren Weg gefunden.

Der Weltenfalter, WDR 3, fünf Folgen, Montag bis Freitag, jeweils 19.04 Uhr. Als Podcast zum Download: weltenfalter.wdr.de

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Quelle:
SZ vom 07.10.2019
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