Radiosender EgoFM:Dem Hörer Arbeit abnehmen

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Seit fünf Jahren läuft bei EgoFM Musik über alle Genregrenzen hinweg. Das simple Rezept für den Erfolg des Radiosenders: eine Verbindung zwischen Hörer und Sender, die zeitgemäßer erscheint als die Idee eines allwissenden Radio-DJs.

Von Dirk von Gehlen

"Ah, da ist ja auch Sepalot", Philipp von Martius hebt die Hand und winkt beiläufig Richtung Eingang. Dort betritt gerade Sebastian Weiss die EgoFM-Lounge auf dem Münchner Königsplatz - und winkt kurz zurück. Es ist eine wirkliche Begrüßung, nicht nur der inszenierte Beweis, dass der 58-jährige Geschäftsführer der Nürnberger Studio Gong Gruppe den DJ der vermutlich populärsten Münchner Hip-Hop-Band Blumentopf erkennt. Philipp von Martius sitzt kurz vor Beginn des Open-Air-Kinos hier, um zu erklären, wie das war, als er im Sommer 2008 mit seiner Radio Next Generation GmbH die Frequenz für den bayerischen Jugendsender EgoFM erhielt.

Fünf Jahre später ist aus dem deutschlandweit nahezu einmaligen Projekt ein äußerst beliebter Sender geworden, der in diesem Sommer erstmals Medienpartner des Freiluftkinos auf dem Königsplatz ist. Bisher hing da, wo Martius sitzt, ein Plakat mit dem Logo der Energy Gruppe.

Dass es so kommen würde, war vor fünf Jahren keineswegs absehbar, als der Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) dem Projekt "Radioblut" Frequenzen in Augsburg, Regensburg, Würzburg, Nürnberg und München zusprach. Ein paar Wochen später startete unter dem Namen EgoFM das Programm, das "Radio-Dissidenten" wieder zum Hörfunk bringen sollte. So nennt der Radio-Mann von Martius einen Teil seiner Hörerschaft. "Menschen, die eigentlich fürs Radio verloren waren."

"Wir spielen, was gut ist"

Er sagt nicht: Menschen, die vom Gedudel der formatierten vermeintlich besten Hits genervt sind. Wer sein Programm kennt, weiß aber: Genau für diese Menschen spielt EgoFM Musik - in einer Mischung, die man so deutschlandweit kaum findet auf klassischen Radiofrequenzen. "Wir spielen, was gut ist" lautet der Slogan des Senders, der sich tatsächlich nur an diese eine Vorgabe hält - über alle Genregrenzen hinweg. Da kann es durchaus passieren, dass auf einen Reggaesong ein Elektrostück folgt, nach dem ein Rocklied gespielt wird. "Selbst wenn einem ein Stück nicht gefällt", sagt Martius, während Sepalot, der auch als DJ auf seinem Sender arbeitet, sich ein Bier holt, "weiß man, dass das nächste Lied wieder gut ist."

Für Radiohörer klingt das nach einem guten Konzept. Für Radiomacher klingt es nach dem größten anzunehmenden Unfall. Denn dass dem Hörer mal ein Stück nicht gefällt, versuchen sie um jeden Preis zu vermeiden - und lassen daher in ihrer sogenannten Heavy Rotation computergesteuert einen musikalischen Einheitsbrei laufen, der niemandem wehtut und der dazu führt, dass man die Sender kaum unterscheiden kann.

Dem stellt EgoFM eine Musikfarbe entgegen, die allein deshalb als jung verstanden werden muss, weil sie mit dem Diktat der Heavy Rotation bricht. Die Musik wird von Menschen in einem Bürogebäude in der Münchner Leopoldstraße ausgewählt. So entsteht ein abwechslungsreiches Programm, das den Mainstream nicht scheut und nie abgehoben wirkt. Es gibt kein Popstrebertum oder musikalische Besserwisserei. Stattdessen empfehlen gewöhnliche Hörer Musik, die sie zum Beispiel beim Studienaustausch in Barcelona entdeckt haben. Der Slogan "Die Musikentdecker im Radio" bezieht sich nicht nur auf Musikchef Mathias Straub und sein Team. Er bezieht sich auch auf die Hörer, die in der Rubrik "DeinFM" selber Playlists zusammenstellen und Songs spielen dürfen.

In Zeiten, in denen Menschen auf Facebook-Empfehlungen von Freunden vertrauen, ist EgoFM damit eine Verbindung zwischen Hörer und Sender geglückt, die zeitgemäßer erscheint als die Idee eines allwissenden Radio-DJs. Das sieht man auf der Facebook-Seite des Senders, das hört man im Programm. Und man kann es in den Zahlen lesen, die die Funkanalyse Bayern ermittelt. Deren Erhebungen zeigen ein stetiges Wachstum in der "urbanen Hörerschaft mit jugendlichem Lebensstil" wie es in den offiziellen Unterlagen heißt.

Die Frage ist allerdings, ob die Konkurrenz von EgoFM überhaupt andere Radioprogramme sind. Vielleicht liegt sie vielmehr in Streamingdiensten wie Spotify. Dort kann sich jeder seine Lieblingssongs zusammenstellen, aus einem Angebot von 20 Millionen Liedern. Das ist reizvoll und passt besser auf den eigenen Geschmack als jede Heavy Rotation. Es ist aber auch anstrengend und hier sieht Martius die Aufgabe von gutem Radio. "Deshalb haben wir die ,Musikentdecker im Radio' erfunden", sagt er. Das Versprechen: Der Sender will dem Hörer Arbeit abnehmen.

Auf dem Königsplatz ist es dunkel geworden. Die Reihen haben sich gefüllt, gleich wird Kir Royal gezeigt. Eine 27 Jahre alte Serie, die Menschen sich noch anschauen, weil sie gut ist - jenseits aller Zielgruppenerhebungen und Reichweitenmessungen. Bevor Baby Schimmerlos auf der Leinwand zu sehen ist, sieht man dort erstmals den EgoFM-Kinospot, der für den Sender eher ein Youtube-Spot werden könnte: Eine junge Frau bemerkt in der Parkgarage mit wachsender Sorge, dass in allen Autos, an denen sie vorbeigeht, Menschen sitzen. Sie fühlt sich beobachtet und rennt angsterfüllt los. Dann gehen gleichzeitig alle Autotüren auf und eine Männerstimme sagt über das Lächeln der Frau: "Einfach noch zwei Minuten im Auto sitzen bleiben, weil das Lied noch läuft." Menschen, die sich für Radio nicht mehr interessieren, tun das sicher nie.

EGoFM ist auf Ukw in Würzburg (95,8 MHz), Nürnberg (103,6 MHz), Regensburg (107,5 MHz), Augsburg (94,8 MHz) und München (100,8 MHz) zu empfangen sowie über Satellit, Kabel, Internet und per Smartphone-Apps. Infos: www.egofm.de

© SZ vom 30.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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