Süddeutsche Zeitung

Radio-Tatort:Kantinentratsch

Martin Mosebach ist der Autor dieses Krimis, der ein schöner PR-Erfolg für den Hessischen Rundfunk ist. Aber nicht nur das. Dieser "Radio-Tatort" erspart einem auch die sonst leider so oft üblichen öden Erklärdialoge.

Von Stefan Fischer

Polizeiarbeit als Kantinengespräch: Martin Mosebach hat für den Hessischen Rundfunk einen besonderen Radio-Tatort erdacht. Ohnehin ist es ein Coup des HR, den Schriftsteller als Autor gewonnen zu haben. Aber der Krimi Einen Moment nicht aufgepasst ist weit mehr als ein PR-Erfolg: Er ist klug gebaut, außerdem sehr radiofon erzählt. Und nicht zuletzt nimmt er den Faden der vergangenen HR-Fälle auf.

In denen hat Hauptkommissar Nebe ermittelt, gespielt von Sebastian Blomberg; und der vor zwei Jahren gestorbene Autor Friedemann Schulz hat sie als innere Monologe geschrieben. Dadurch ist man der faszinierend befremdlichen Figur des Kommissars sehr nahe gekommen, außerdem blieben einem Dialoge erspart im Stile von "Wo waren Sie zwischen 19 und 23 Uhr?"

Auch Martin Mosebach erzählt nun auf lohnenden Umwegen - so dass er sich in die Szenen der tatsächlichen Polizeiarbeit nur ein- und dann wieder ausblendet, wie es der Erzählung zuträglich ist. Den größeren Teil des Relevanten erfährt der Hörer über Interpretationen und Rückschlüsse. Und über Tratsch in der Kantine. Das ist unterhaltsamer, als den öden Erklärdialogen manch anderer Radio-Tatorte zuzuhören.

Kommissar Haas, gespielt von Felix von Manteuffel, arbeitet im Dezernat für Wirtschaftsdelikte, nun wechselt er zur Mordkommission. Seine neue trifft sich mit der alten Sekretärin, um zu erfahren, mit wem sie es zu tun haben wird. Haas taucht derweil nicht auf am neuen Arbeitsplatz, weil er noch ein letztes Rätsel lösen will an alter Stelle, über einen Koffer mit brisanten Unterlagen. Der verzweigte und doch ganz konzentrierte Fall weist über sich hinaus. Zu seinen Erhellungen gehört auch der Charakter eines akribischen und souveränen Kommissars.

Radio-Tatort: Einen Moment nicht aufgepasst, SWR 2, 22.03 Uhr. Außerdem unter anderem WDR 3, Freitag, 19.04 Uhr; NDR Info, Samstag, 21 Uhr. Sowie als Download in der ARD-Audiothek.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2018
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