Hörspiele:Verloren in der Fremde

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Zwei Hörspiele erzählen von Zugehörigkeit: Wie Theodor W. Adorno in Kalifornien von Amorbach träumte. Und was es bedeutet, plötzlich zu verstummen.

Von Stefan Fischer

Zurück in Deutschland nach langen Jahren im Exil: Theodor W. Adorno. (Foto: Peter Hillebrecht/AP)

Unerreichbar war der Odenwald für Theodor W. Adorno während des Zweiten Weltkriegs. Der Philosoph und Soziologe hatte sich in Sicherheit gebracht vor den Nationalsozialisten, er lebte von 1938 an in Kalifornien. Aber vergessen konnte er das Mittelgebirge und seinen Lieblingsort dort, Amorbach, während des Exils nicht.

Zwei Traumprotokolle aus den Jahren 1941 und 1945, in denen Adorno sich von Los Angeles in die süddeutsche Provinz versetzt, bilden das Text-Fundament für das Hörspiel Amorbach, California von Thomas Meinecke und David Moufang alias Move D. Aufgenommen haben sie es in Moufangs Studio in Heidelberg, nicht weit von Amorbach entfernt also.

Meinecke und Moufang, beide (unter anderem) Musiker, legen Adornos Text in Schleifen und schichten auf diese sprachlichen Loops weitere musikalische. Vor allem verwenden sie den Sound der regionalen Krautrockszene, den sie auf alten Synthesizern und teilweise auch analogen Instrumenten adaptieren. So entsteht eine deutsche Psychogeografie des Odenwalds, verspielt und phasenweise tranceartig.

Die Stimme ist weg - daraus wird ein kleines Horror-Hörspiel

Im Kern geht es um Fragen der Zugehörigkeit und Identität, speziell von Adorno, aber nicht nur von ihm. Weitaus radikaler packt Albrecht Kunze diese Problematik in seinem Hörspiel Die dunkle Seite des Mundes an. Darin verliert eine Frau ihre Stimme. Es geht aber nicht so sehr ums Verstummen, sondern um die eigene Wahrnehmung. Die Stimme eines Menschen dringt schließlich auch in dessen Inneres, nicht bloß nach außen. Beinahe ist es ein kleines Horror-Hörspiel, wie Kunze mithilfe der beiden Schauspielerinnen Marie Löcker und Karolina Seibold seiner Figur erst den eigenen Resonanzraum raubt und ihr dann eine neue Stimme verpasst, die die eigene ersetzen soll.

So verlieren sich die Protagonisten des einen wie des anderen Hörspiels in einer Fremde, die ihnen unheimlich ist und der sie sich dennoch stellen müssen. Und ringen um das Vertraute, wissend, dass es verloren ist.

Amorbach, California, Bayern 2, Freitag, 21.05 Uhr.

Die dunkle Seite des Mundes, HR 2, Samstag, 23 Uhr.

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