Radio:Hinter der Sonne

Der Bayerische Rundfunk hat ein Hörspiel aus Karl Mays Spätwerk "Ardistan und Dschinnistan" gemacht. Die Geschichte eines galaktischen Paradieses zeigt, dass der Sender es wagt, sich abseits vom Kanon zu bewegen.

Von Stefan Fischer

Nein, er sei nicht der Schriftsteller von Abenteuerromanen, als der er immer missverstanden werde, hatte Karl May 1909 bei einem Vortrag in Augsburg gesagt - und sich dann zum Märchenerzähler stilisiert. Als er aber das Märchen vom Stern Sitara beendet hatte in jener Rede, bilanzierte er selbst: Dies sei gar kein Märchen. Denn für jeden Zuhörer sei erkennbar, dass Sitara ein Abbild der Erde sei, eine galaktische Spiegelung: Mays mystisches Wunschbild der Erde. Eine potenzielle Realität also. Mit ihm, Karl May, dem gewichtigen Großschriftsteller, als Deuter dieser Heile-Welt-Utopie.

Diesen Vortrag hat der BR ebenfalls inszeniert, als Prolog des vierteiligen Hörspiels Sitara - Land der Sternenblumen, er ist im Hörspielpool auf der Website von Bayern 2 nachzuhören. Das Hörspiel basiert auf Mays Spätwerk Ardistan und Dschinnistan, das der ebenfalls wunderliche Schriftsteller Arno Schmidt zu den "merkwürdigsten Werken deutscher Zunge" gerechnet hat. Damit liegt er sicherlich richtig. Auf Sitara befinden sich unter anderem die ewigen Jagdgründe, in die Kara Ben Nemsi und sein Hadschi Halef Omar auf einer letzten großen Reise eingehen, nicht ehe sie noch rasch einen Krieg verhindern zwischen Ardistan und Dschinnistan. Das Hörspiel ist wie der zugrunde liegende Doppelroman jedoch nicht all zu handlungsgetrieben, vielmehr hat man es da mit einer theologisch und spirituell überhöhten Abhandlung zu tun.

Die Geschichte ist hanebüchen. Aber auch wahnwitzig

Warum derlei Obskures von Michael Farin überhaupt fürs Radio bearbeitet und inszeniert wird? Weil sich namentlich die Hörspielredaktion des BR nicht allein auf ohnehin schon kanonisierte Werke der Weltliteratur beschränken will und immer wieder auch Texte adaptiert, die gerade wegen ihrer Absonderlichkeit ideengeschichtlich bemerkenswert sind. Sitara ist durchaus eine Zumutung. Doch Gefälliges gibt es ohnehin genug, auch im Hörspiel. Da bietet ein überspannter Wahnwitz wie dieser allemal mehr, an dem man sich reiben, über das man sich wundern und über das man grübeln kann.

Sitara - Land der Sternenblumen, Bayern 2, sonntags, 15 Uhr.

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