Radio:Aus Dora wird Ida

Grafiken zum Hörspiel "Ida"

Sigmund Freud und Ida Bauer. Illustration von Isabel Seliger.

Eine Frau, die sich trotz Unsicherheiten nicht herumschubsen lässt: Ein Hörspiel über Sigmund Freuds berühmte Patientin.

Von Stefan Fischer

Namen sind eben nicht bloß Schall und Rauch: Indem Sigmund Freud Ida Bauer, die 1900 seine Patientin gewesen ist, umbenannt hatte in Dora, hat er nicht nur seiner Verschwiegenheitspflicht Genüge getan, sondern sie in eine literarische Figur verwandelt. Und so sehr er sich in Bruchstück einer Hysterieanalyse den Anschein von Objektivität gegeben hat - die 1905 veröffentlichte Niederschrift von Idas Krankengeschichte blendet etliche Tatsachen aus. Dora ist nicht Ida, sondern die 18-Jährige, die Sigmund Freud in Ida Bauer gesehen hatte oder sehen wollte.

Katharina Adler, Idas Urenkelin, hat ihr Hörspiel über die Urgroßmutter nun nicht von ungefähr IDA genannt, in Großbuchstaben. Auch ihre Version der Geschichte ist eine Fiktion - aber eben über die reale Ida und nicht über die Projektionsfläche Dora. Heraus kommt nicht eine Kranken-, sondern eine Emanzipationsgeschichte: Ida Bauers Vater, dessen Bekannter Hans Zellenka (mit dessen Frau er ein Verhältnis hatte) sowie der Arzt Sigmund Freud bedrängen auf unterschiedliche Weise die junge Frau. Der Vater in seiner patriarchalen Allmacht, Zellenka in seiner sexuellen Lüsternheit, Freud in seiner ärztlichen Überlegenheitsgestik.

Sie haben in Ida jedoch ein Gegenüber, das sich trotz Unsicherheiten nicht herumschubsen lässt. Franziska Hackl spielt sie in der Regie von Iris Drögekamp als eine erwachsen werdende Frau, die ihren Verstand zu gebrauchen und sich zu wehren weiß - gegen alle drei Männer. Und die auch ein Leben außerhalb von Freuds Praxis in der Wiener Berggasse 19 hatte. Das Hörspiel IDA reicht bis in die frühen 1940er, Ida Adler - sie hat längst geheiratet - verlebt, den Nationalsozialisten entkommen, letzte Jahre in New York.

Dort beginnt die Inszenierung mit einer Szene, die schon alles erzählt über Idas Selbstbehauptung. Und die das Ringen von Freud, Vater und Verführer um die junge Dame als Kampf auf verlorenem Posten etikettiert - auch wenn die Männer, gespielt von Michael Rotschopf, Jens Harzer und Bernd Grawert, aus einer Position der Stärke heraus agieren. Diesen Eindruck verstärken Isabel Seligers Illustrationen: Animiert erweitern sie IDA um eine metaphernreiche Ebene. Größen- legen Machtverhältnisse offen, Gemütsverfassungen bekommen Konturen, tapfer Überspieltes bleibt doch nicht verborgen. Der Autorin Katharina Adler gelingt es, dass man über alle Personen aus dem Quartett Erhellendes erfährt - und somit über gesellschaftliche Mechanismen, die zum Teil nach wie vor funktionieren.

IDA, NDR Kultur, 20 Uhr. Die um das Video erweiterte Version unter www.ndr.de/ida

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